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getötet wurde. Die Leiche schwebte einige Zeit an dem Drahte angesichts einer großen Menschenmenge. Vorderarm und Hals des Opfers waren buchstäblich geröstet und seine Kleidungsstücke waren teilweise verbrannt.
Miszellen.
Aer Word Sei Warville.
Kriminal-Roman von Paul Labarrisre.
Deutsch von Emil Neumann.
(Fortsetzung.)
Trotzdem beruhigte sich Bernard erst völlig, als er erfuhr, daß Gauliot wirkich hingerichtet worden sei. Nun entstand aber eine andere Verlegenheit für ihn. Wie sollte er dem armen Kiude dieses traurige Ereignis mitteilcn? Sie sprach oft von ihrem Vater, den sie bald wiederzusehen hoffte, denn sie zweifelte nicht daran, daß seine Schuldlosigkeit sich Herausstellen werde. Es war eine schwere Aufgabe. sie diesem Wahne zu entreißen.
Am Abend des Tages, an welchem Bernard jene Nachricht erhalten hatte, kam er später nach Hcmse als sonst. Auffallend niedergeschlagen und unruhig, aß er sehr wenig und sprach fast gar nicht, zur größten Besorgnis Simonens, die ihn kaum anzublicken wagte; denn die Aermste fürchtete, durch irgend ein Versehen ihrerseits den Unwillen des guten Alten erregt zu haben.
Noch dem Essen brachte sie ihm, wie sie immer zu thun pflegte, die Tabakspfeife, auf deren Kopf er selbst als Kavallerist abgebildet war, und das Geschichtsbuch. Bernard legte jedoch die Pfeife auf den Tisch, ohne sie anzuzünden, und schob das Buch bei Seite. Dann nahm er das Kind auf den Schooß, blickte sie wehmütig an und streichelte ihr weiches Haar, ohne daß er ein Wort hervorzubringen vermochte,
„Ich muß es ihr aber doch sagen!" sprach er zu sich selbst. Die Zeiger der alten Wanduhr standen auf fünf Minuten vor acht Uhr; da nahm er sich vor, noch bis acht Uhr zu warten, dann aber ganz gewiß zu sprechen.
Die Uhr verkündete m langsamen Schlägen die achte Stunde, und als der letzte Schlag verklungen war, öffnete der alte Mann den Mund, als wollte er reden, aber er konnte keinen Ton Hervorbringen, und er entschloß sich seufzend, noch weitere fünf Minuten zu warten. Inzwischen hatte Simone ihr Köpfchen an des Alten Schultern gelehnt und war eingeschlummert. Eine ganze Stunde hielt er sie so im Arm, und ais sie endlich erwachte, konnte er doch nicht so grausam sein, ihre Nachtruhe durch eine so betrübende Mitteilung zu stören. Er schickte sie zu Bett und verschob jene Mitteilung auf den nächstfolgenden Tag. —
Indessen sprach er davon weder am nächsten, noch an einem der nächsten Tage: er sprach üerhaupt gar nicht davon, denn er, der alte Soldat. der Mitkämpfer bei Magenta, der abgehärtete Polizist, konnte sich nicht entschließen, den sanften Augen seiner kleinen Pflegetochter Thränen zu erpressen; auch fürchtete er, daß sie den Anteil erriete, den er an der Verurteilung ihres Vaters hatte, und daß sie ihn deshalb weniger lieb haben würde...
So floß denn das Leben dieser beiden bescheidenen Menschen in einförmiger, aber sie selbst befriedigender Weise ungestört fort; es blieb ihnen fast gar nichts zu wünschen übrig. —
Mehrere Wochen später erhielt Bernard am Morgen eines gerade dienstfreien Tages einen Brief, dessen Adreßseite den Stempel trug: „Borjot-Bloville, Notar." — Geschah es schon überhaupt selten, daß er einen Brief empfing, so war es ihm ganz unbegreiflich, was ihm ein Notar zu schreiben haben könne, dessen Namen er noch nie gehört hat,e. Der Inhalt des Schreibens beschränkteffich auf die Einladung, sich möglichst bald im Bureau des Notars einzufinden, wegen einer zu erledigenden Geschäftsangelegenheit.
Ungehalten über diesen Zwischenfall, der die ganze Ordnung dieses freien Tages störte, den er in voller Ruhe zu Hause zuzubringen gedacht hatte, machte er sich auf den Weg zu dem Notar, dessen Bureau sich in einem schönen stattlichen Hause der Uno cke I^on, unweit des Lyoner Bahnhofs befand.
Die Bureau-Räume entsprachen aber keineswegs dem äußeren Glanz des Hauses. Durch ein Vorzimmer, dessen Wände mit Plakaten aller Art behängt waren, gelangte Bernard in ein großes, unfreundliches Zimmer, in welchem ein Dutzend Scheider an Tischen und Pulten scheinbar so emsig beschäftigt waren, daß Keiner dem Ankömmling Rede stehen mochte. Er wurde von Einem zum Andern gewiesen, bis er endlich an den ersten Sekretär gelangte, der zu ihm mit hochmütiger Miene sagte, nachdem er Einsicht von dem Vorladungsschreiben genommen:
„Mir ist von dieser Angelegenheit nichts bekannt, Vermutlich betrifft sie Herrn Barjot-Bloville persönlich. Ich werde mit ihm darüber Rücksprache nehmen. Erwarten Sie mich hier!"
Er ging in ein Nebenzimmer, kam aber sogleich wieder zurück und führte Bernard in das Privat-Bureau des Notars, sich sodann bescheidentlich zurückziehend.
Herr Barjot-Bleville, ein großer, hagerer Mann, stand am Kamin, sich an dessen hellbrennendem Feuer erwärmend. Es schien ihm unangenehm, in dieser wichtigen Beschäftigung gestört zu werden, denn er empfing den Eintretenden ziemlich unfreundlich.
„Sie sind der Polizei-Agent Bernard ?" fragte er kurz.
„Ja, mein Herr!"
„Sie haben eine kleine Waise, Simone Gauliot, zu sich genommen?"
„Ja, mein Herr!
„Ich bin von Jemand, der unbekannt zu bleiben wünscht, beauftragt, Ihnen eine auf den Namen jenes Kindes ausgefertigte Urkunde auszuhändigen, die auf eine jährliche Rente von zweitausend fünfhundert Francs lautet."
„Wie, mein Herr . . .?"
„Fragen Sie mich nichts weiter! Ich sagte Ihnen schon, daß der Geber unbekannt bleiben will. Uebrigens können Sie die Schenkung ohne Bedenken annehmen, Selbstverständlich wird vorläufig nur die Rente ausgezahlt; das Kapital ist unangreifbar und wird dem Mädchen erst bei
ihrer Großjährigkeit, oder wenn sie schon vorher heiraten sollte zu jener Zeit ausgehändigt werden. — Hier ist die Urkunde, deren Empfang Sie mir durch Ihre Namens- Unterschrift auf diesem Blatt bescheinigen wollen. . ."
Nachdem Bernard seinen Namen an der ihm bezeichneten Stelle niedergeschrieben und die Urkunde an sich genommen hatte, führte der Notar ihn zur Thür, indem er ihm noch eine sparsame Verwendung des Geldes anempfahl, und schob ihn sodann sanft hinaus.
(Fortsetzung folgt.)
Gemeinnütziges.
(Schattige Stellen des Gartens), an den Mauern, Zäunen rc. sieht man vielfach unbenutzt und dem Unkraut überlassen. Als Grund dafür wird dann angegeben, daß dort doch keine Nutzpflanzen gedeihen, wie die Erfahrung gezeigt habe. In solchen Fällen hat man indeß nur nicht die richtigen Pflanzen angebaut, denn es giebt in der That eine ganze Reihe von Nutzpflanzen, die im Schatten fvrtkommen und eine Ausnutzung der schattigen Stellen ermöglichen. Als solche nennen wir in erster Linie Spinat, sodann Salat, auch Rapunzeln und schließlich Rhabarber. Diese kommen erfahrungsgemäß bei sonst richtiger Pflege an den schattigsten Stellen fort. Kein Gartenbesitzer sollte daher solche Stellen dem Unkraut überlassen, werden doch dadurch auch die anderen Beete mit Unkraut verunreinigt.
Auflösung des Logogryph in Nr. 197.
Wage, Wege. Wiege, Woge.
(Auch der Schüler Karl Meisel hat richtig gelöst.)
Dir Emkimmg des Aboimcinriits
für das
I. Wiertetjahr 1890
des
EnzthiUers
wollen die Leser bald möglichst bewirken damit in der Zustellung keine Unterbrechung eintritt.
Wir werden fortgesetzt bemüht sein, durch weitere Vervollkommnung des Gebotenen das Vertrauen zu rechtfertigen, mit dem unsere Freunde die Entwicklung des Enzthälers bisher wohlwollend begleitet haben und bitten wir dieselben auch ferner für die Verbreitung des Blattes in ihren Kreisen sich freundlichst verwenden zu wollen.
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Hrüchio« «. tltt AurtWm.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenburg.