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Kronik.

Deutschland.

Berlin. Es haben hier Besprech­ungen der Führer der parlamentarischen Parteien des Kartells stattgefunden und herrscht kein Zweifel, daß oas letztere er­neuert wird für die kommenden Reichs­tagswahlen.

Königsberg, 25. Novbr. (Von einem französ. Kriegsgefangenen.) Ueber einen seltenen Fall von Anhänglich­keit eines französischen Offiziers an eine hiesige Bürgerfamilie, bei welcher er im Jahre 187071 als Kriegsgefangener im Quartier lag, wird derK. Allg. Ztg." nachstehende Mitteilung: Vor Kurzem wurde die Familie durch dieser Post eine Kiste zugestellt, und als Absender derselben war auf der Adresse ein französischer Oberst genannt. Schon wollte man die Sendung der Post nicht abnehmen, indessen erinnerte man sich noch rechtzeitg, daß 1870 ein franz. Souslieutenant gleichen Namens bei ihnen Quartier genommen und in freund­schaftlichstem Verkehr mit der ganzen Familie gestanden habe. Der reiche junge Oifizier hatte sogar damals eine stille Neigung zu der Tochter des Hauses empfunden, welch letztere indessen wenige Wochen vor dem Friedensschlüsse der Diphlheriiis erlag. Trostlos reiste der Souslieutenant ab, wechselte darauf noch einige Briefe mit ber Familie, die indessen bald anfhörten. So glaubte man, daß der junge Offizier die Erinnerung an die hiesige Kriegsgefangenschaft bereits ver­gessen habe. Nach langen Jahren des Schweigens kam nun ein neues Zeichen der Anhänglichkeit in Gestalt der bezeich- neten Kiste, deren Inhalt aus kostbaren Geschenken bestand. Denselben beigetügt war ein Schreiben, in welchem der Offizier der Familie mitteilte, daß ihr ehemaliger Einquartierter zum Obersten avanciert sei und vor kurzer Zeit eine Dame als sein Weib heimgeführl habe, welche der damals verstorbenen, ihm so teuren Tochter des Hauses zum Sprechen ähnlich, Deutsche von Geburt sei und denselben Vornamen führe.

E i s e n b a h n u ns a ll. Der von Basel nach Radolszell fahrende Güterzug Nr 705 fuhr gestern infolge falscher Weichenstellung auf den nach Basel be­stimmten Güterzug Nr. 704, der in der Station Säckingen hielt, auf. Verletzungen von Zugsbeamten sind nicht vorgekommcn; dagegen wurden beide Lokomotiven und 4 Güterwagen zum Teil erheblich be­schädigt.

Württemberg.

4'/,°/» Württemberger von 1878. Nach einer Bekanntmachung des ständischen Ausschusses vom 29. November kündigt die Finanzverwaltung Württembergs nun­mehr die 4'/-o/o Staatsanleihen vom 1. Jan. 1878 und 1. Juni 1878 im Rest­beträge von 44 998 000 zur Rückzahl­ung auf den 1. April 1890. Zugleich wird den Besitzern der Umtausch in eine 3'/,°/o Anleihe glattauf. angebolen. Die neue Anleihe soll von 1894/95 ab in längstens 46 Jahreu durch Auslosungen getilgt werden. Die Konvertierenden er­

halten. wie diejenigen Besitzer, welche nicht konvertieren, die Verzinsung mit 4'/r°/o, noch bis 31. März 1890, und zwar wird der erste, am 1. Juni 1890 verfallende Zinskoupon der neuen Stücke die Zins­vergütung für die Zeit bis 31. März mit 4'/r°/o, von da an mit 3'/-°/» ver­rechnen. Mit dieser Transaktion wird, wie dieFrkft. Ztg." ausführt, die in den letzten Jahren allmählig erfolgte Beseitig- der 4'/,o/o Staatsobligationen Württem­bergs fortgesetzt. Das Weitere ist im Staatsanzeiger vom 3. Dezember Nr. 282 zu ersehen. Hiernach werden gekündigt, bezw. umgewandelt die 4 '/-°/« Schuld­verschreibungen litt. ^., von Nr. 8273 bis 17 596,'LL. von 12 871 bis 27 983, 66.. von Nr. 12 871 bis 26 986 und vv., von Nr. 22 681 bis 43 585.

Stuttgart, 1. Dezbr. Gestern wurde der Schriftsteller Otfried Mylius (Karl Müller) beerdigt. Eine große Zahl Leidtragender umstand das Grab. Prälat Dr. v. Burk hielt vie Grabrede; dann hielt vr. weck. Nachtigal dem Verstorbenen namens des Freundeskreises einen poetischen Nachruf, worauf Redakteur Baisch von Ueber Land und Meer" namens des deutschen Schriftstellerverbandes einen Lor­beerkranz auf das Grab niederlegte.

Zum Vaihinger Eisenbahnun­glück vernimmt dieWtbg. Ldztg.", daß in dem in etwa 14 Tagen zur Verhand­lung kommenden Prozesse 3 niedere Be­dienstete, welche mitangeklagt waren, außer Verfolgung gesetzt worden sind. Gegen­wärtig befinden sich noch 7 Verunglückte in Pflege des Kakharinenhospitals, jedoch kann bei allen fortschreitende Besserung konstatiert werden.

Die Winterkälte mahnt an die Unglücklichen, welche imLaufe des Sommers von Hagelschlag und Wassersnot betroffen worden. Möge jeder, dem es vergönnt ist, im behaglichen Heim die Winterstürme an sich vorüberbrausen zu lassen, sein Scherflein zur Linderung der Not der armen Gemeinden beilragen.

Weingarten, 30. Novbr. Heute sind es 19 Jahre, daß das hiesige Regi­ment sich bei der Erstürmung des Mont Mesly und Zurückwerfung der Franzosen unsterblichen Ruhm erwarb; daher sind heute die Kaserncngebäude reich beflaggt, die Mannschaften mit einem Festessen be­dacht und nachmittags dienstfrei. Die Offiziere vereinigen sich um 5 Uhr im Kasino zu einem Liebesmahl. (S. M.)

Die bürgerlichen Kollegien in Geis­lingen beschlossen, die Gasbeleuchtung einzuführen.

Heilbronn, 2. Dezember. Die Champignyfeier der hiesigen Krieger­vereine gestaltete sich diesmal besonders glänzend durch die Teilnahme S. H. des Prinzen Herrmann zu Sachsen-Weimar, des Ehrenpräsidenten des württembergischen Kriegerbundes.

Vaihingen a. E., 1. Dezbr. Am Samstag hat sich im hiesigen Rathaus eine zahlreiche Versammlung von Bewoh­nern der Stadt, des Bezirks und einiger Ortschaften der Nachbarbezirke eingefunden, um Schritte zur Anbahnung einer Eisen­bahnverbindung zwischen Vaihingen a. E. und einer Station der Schwarzwaldbahn

ZuffenhausenCalw, etwa Ditzingen, zu beraten. Es wurde eine Deputation ge­wählt, welche sich zunächst bei der zu­ständigen Stelle in Stuttgart nach den Aussichten über eine solche Bahn erkundigen und die in Betracht kommenden Gewerbe- und Verkehrsverhältnisse darlegen soll. Kostenvoranschläge vom Jahre 1876 über eine Linie DitzingenVaihingen a. E. liegen bereits vor. (St-Anz.)

In Herrenberg brachen auf der dünnen Eisdecke des Feuersee's zwei Brüder, Knaben von 9 und 11 Jahren ein und konnten nur noch die Köpfe über dem Wasser halten, als der Färbereibesitzer Ruoff herbeieilte und die Ertrinkenden aus dem ziemlich tiefen Wasser zog.

Calw, 1. Dezember. Am heutigen Adventsfeste brachte der Kirchengesang­verein in der Stadlkirche hier das Oratorium Elias von Mendelssohn zur Aufführung. Der Eintritt war freigegeben, und so waren es wohl 400, allen Schichten der Bevölkerung angehörende Zuhörer, welche der Vorführung dieses herrlichen Tonge­mäldes mit gespannter Aufmerksamkeit lauschten.

Ausland.

Paris, 1. Dezbr. Ja Champigny sur Marne fand heute eine patriotische Kundgebung vor dem Denkmal der Schlachten vom 30. Novbr. und 2. Dez. 1870 statt. Mehrere patriotischen Reden wurden gehalten.

/Verbesserung des Petroleums.j Will man die Explosionsgefahr des Petroleums verhindern, so schütte man den Oelbehälter der Lampe nie­mals bis zu seinem Rande voll Oel, damit letzteres nicht zu sehr erwärmt werde, und füge zuweilen dem Oele eine Messerspitze voll doppel­kohlensaures Natron hinzu. Hiedurch wird die Wärme angezogen und gemindert. Der üble Geruch des Petroleums wird am besten beseitigt, wenn man ein Stückchen Zucker in den Oelbe­hälter legt. Das in Böhmen von gewissen Leuten verkaufte Pulver, welches angeblich jede Explosionsgefahr verhüten soll, besteht aus In­fusorienerde, welche mit Grünspan gefärbt ist. Dieses Pulver kann jedoch den angebenden Zweck nicht erfüllen, da es in Petroleum gar nicht löslich ist.

, jSchutz der Pferde im Winter.j Für die den Pferden äußerlich durch Schlagen oder sonstige Veranlassung verursachten Verletzungen werden wohl Mittel angegeben und auch angewandt, aber welche Pein das arme Tier da zu erdulden hat, wohin wir selten einmal blicken, im Maule, das hat man jetzt im Winter Gelegenheit zu be­obachten, da diese Verletzungen durch das Ein­legen des Gebisses, welches die Nacht hindurch bei einer Temperatur unter Null Grad gehangen hat, veranlaßt werden. Die Zunge friert näm­lich sofort an das Gebiß an und ist auch nicht so leicht wieder frei zu bekommen, wenigstens nicht, ohne erst ein Stück Haut eingebüßt zu haben. Um nun die Pferde im Winter vor einem wunden Maule zu schützen, braucht man das Gebiß vor dem Einlegen nur in einen Eimer mir kaltem Wasser zu tauchen und kann dadurch die Pferde von vielen unnötigen Schmerzen bewahren.

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werden täglich von allen Poststellen angenommen.

Bekanntmachungen in demselben finden anerkannt wirksame Ver­breitung.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.