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Zur Weichstagsrvayl.
Calw, 10. Oktober. !
Ein Wahlkomite des VII. Wahlkreises empfiehlt den Wählern den Rechtsanwalt Schickt er in Stuttgart als Reichstagsabgeordneten. In demselben Blatte, wo der Kandidat der reichstreuen Parteien in schlau gestellten Worten und Sätzen in jeder möglichen Weise angegriffen und verdächtigt wird und die Männer, welche ihn aufgestellt, als Männer des Rückschritts beschimpft werden, wird, ehe noch gegen den Kandidaten Schickt er ein Wort gesprochen ist, den Anhängern Gültlingens in die Schuhe geschoben, daß sie den Gegenkandidaten Schickler während des Wahlkampfes anfeiuden und verunglimpfen, Druck und Einschüchterung ausüben werden. Das ist die Manier, mit welcher gewisse schlaue Advokaten ihren Prozeß betreiben, indem sie dem Gegner, ehe er gesprochen hat, das Wort verdrehen und verdächtigen und ihm die Verteidigung abschneiden! Wir fordern Freund und Feind auf, diese Art des Kampfes zu prüfen, sicher wird das Urteil des Volkes eine solche nicht als biedermännisch bezeichnen. In ächt demagogischen Redensarten wird die Reichsregierung und der seitherige Reichstag verdächtigt, die Anschuldigungen schlau gemischt und zu einer gegen Herrn von Gültlingen gerichteten Spitze geformt, obwohl derselbe noch niemals Reichstagsabgeordneter war. Da das Schickler'sche Konnte dem Herrn v. Gültlingen nicht abstreiten konnte, daß er in 21jähriger landständischer Thätigkeit gewissenhaft, unabhängig und charakterfest die Rechte des Volkes vertreten hat, so ließ cs ihm das Zeugnis, daß er hie und da eine vernünftige Meinung ausgesprochen, wenn diejenige der Regierung gar zu unvernünftig gewesen sei. Zum Vorwurf will ihm gemacht werden, daß er für verschiedene volksparteiliche Forderungen nicht eingetreten sei und daß er bei einigen Abstimmungen gefehlt habe. Von gar manchen Abgeordneten der Beobachterpartei hat man schon sagen hören, daß sie vor der Abstimmung „unritterlich" davon gelaufen seien; wenn Gültlingen vor der Abstimmung über die Beamtengehalte sich entfernt hat, weil er selbst Beamter ist, so ist dies für Jedermann nur ein wiederholter Beweis seines ehrenhaften Charakters und verdient keinen Tadel. Der einzige Vorwurf, dem das Schickler'sche Wahlkomite eine greifbare Gestalt geben konnte, besteht darin, daß Gültlingen für Abschaffung der Wahlkouverte gestimmt habe. Wähler, welchen dieser Wahlvexierapparat, der den Landleuten und Arbeitern eine Plage war, in Erinnerung ist, werden ihm dies nicht als Verbrechen aufrechnen, auch eine Anzahl von Abgeordneten der demokratischen Partei hat dieses Schwäbische Unikum zu Grabe tragen helfen.
Eine kurze Spanne Zeit trennt uns noch von dem Tage, wo die hochernste Frage zu entscheiden ist, wer unfern Wahlkreis im Reichstag vertreten soll. Bei vielen der Wähler, die bis jetzt treu zu Kaiser und Reich stunden, wird der Versuch gemacht werden, sie zu jener Partei hinüber zu ziehen, die bis jetzt glücklicherweise im Reichstag nur durch'
einen einzigen Mann vertreten ist und welche das feste Gefüge des deutschen Reichs und viele seiner wohlbewährten Einrichtungen in Frage stellen will. Advokaten von Stuttgart werden den Wahlkreis bereisen, um in schönklingenden Reden und Versprechungen den Advokaten Schickler anzupreisen. Die Advokaten Konrad und Friedrich Haußmann, Payer und andere werden ihre bekannten Reden halten, die ihrem Ehrgeiz und ihrer Praxis dienlich sind.
Wir wissen von dem Advokaten Schickler bis jetzt nichts, als daß er der ständige Vertreter und Verteidiger der Sozialdemokratie ist. Das mag ihm auf jener Seite zu Stimmen verhelfen, die aus Liebäugelei mit den Sozialdemokraten den Bauern den Korn- und Holzzoll und den Gewerbetreibenden den Jndustriezoll nicht gönnt, der die Früchte ihrer Arbeit schützt. Zu der Fürsorge für die Arbeiter hat sich diese Partei bekanntlich bis jetzt stets ablehnend verhalten. Wir haben allen Grund, an einem Manne festzuhalten. der reich an Erfahrungen ist, der in 21jähriger Thätigkeit als Volksvertreter bewiesen hat, daß er die Bedürfnisse des Volkes kennt, daß er für dieselben stets unabhängig und charakterfest eintritt. Gültlingen ist von Männern aus allen Ständen des Wahlkreises empfohlen, Schickler bis jetzt nur von Advokaten und einigen sonstigen ehrgeizenden Männern, die gerne das große Wort führen möchten, cs wird sich im gegenwärtigen Wahlkampf nicht (wie in dem Schickler'schen Flugblatt gesagt ist), um den Kampf zwischen Herren- und Volkspartei, sondern um den Kampf zwischen Advokaten Partei und derjenigen Partei handeln, die aus dem Volk stammt und zu jeder Zeit in uneigennütziger Weise für das Volk eingetreten ist und die besteht aus den Anhängern des
Herrn W. v. Gültlingen.
Eingcsendet. Die Wahlbewegung ist in letzter Woche in Fluß gekommen und man hört auch in ländlichen Kreisen manches ernste Wort über staatliche Dinge reden. Gründe gegen Gründe. Da ist nichts einzuwenden. Aber das ist offenbar nicht in der Ordnung, daß heimlicherweise gegen die Volkspartei und Hrn. Karl Schickler Verdächtigungen ausgestreut werden, die das Tageslicht scheuen und nur auf ganz unerfahrene Köpfe berechnet sind, da heißt es Umstürzler und Vaterlandsfeinde u. dgl. Es ist einer noch kein Umstürzler, wenn er sich gegen manche neue Gesetze erklärt, wie das Branntwein- steucrgcsetz, die Ausdehnung des Krankenversicherungsgesetzes, gegen die Ausgaben von Millionen der Kolonialpolitik, gegen die Vermehrung der Beamtenstellen u. s. w. Im Gegenteil, wer daran denkt, wie die Lasten des Volkes vermindert werden, der will die Verbesserungen auf gesetzlichem Wege erstreben, denn das ist der beste Riegel gegen >gewaltsame Ausbrüche von Unzufriedenheit. Eine volkstümliche Politik entzieht gerade dem Umsturz den Boden. Und wer bemüht ist, den Bestrebungen des Volkes hilfreich zu sein, ohne daß ihm Beförderungen oder Orden winken, von
dem könnte man fast sagen, daß er das sein Vaterland so lieb hat und lieber, als mancher, welcher sich anstellt, als ob er die Vaterlandsliebe allein gepachtet hätte.
Calmbach, 13. Okt. In einer von über 100 Wählern besuchten Versammlung erörterte heute der Kandidat der reichs- treuen Parteien, Landgerichtsrat von Gültlingen im hiesigen Rathaussaal in klarer gewandter Rede seine Anschauungen und Grundsätze die ihn, in den Reichstag berufen, bei seiner Wirksamkeit leiten würden.
Getragen von echtem Patriotismus und warmer Gesinnung für das Wohl aller Stände und besonders auch der Arbeiter, hinterließ der Vortrag des Hrn. v. Gültlingen den besten Eindruck.
Die im Flugblatt der Volkspartei gegen ihn erhobenen Angriffe und Anfeindungen widerlegte Hr. v. Gültlingen in — selbst unbefangene Gegner — überzeugender Weise, so daß ihm die Mehrheit der hiesigen Stimmen gesichert ist, um je mehr, als erfreulicherweise konstatiert werden kann, daß die Treue und Anhänglichkeit an Kaiser und Reich im Schwarzwälbn Volk so tief wurzelt, daß dieselbe nicht wankend wird, auch dann nicht, wen» sich gleichzeitig drei Stuttgarter Advokaten der demokratischen Partei auf Reisen begeben und den Wählern mit zweifelhaften Verheißungen zusetzen; diese Bemühungen scheitern am gesunden Sinn des Volks, der sich sagt, daß es ein Unding und ein großer Undank wäre, zu den Beratungen der Angelegenheiten unseres Reichs seinen Feinden Zutritt und Stimme zu verschaffen.
X Calmbach. Heute, Sonntag den 12. d. M., versammelte sich um 11 Uhr in dem hiesigen Rathaussaale eine große Anzahl Wähler um den Reichstagskandidaten, Landgerichtsrat Frhrn. W. v. Gültlingen. Derselbe entwickelte in freier, klarer, verständlicher, eingehender und patriotisch gesinnter Weise seine Grund- und Vorsätze, die ihn bei einer auf ihn fallenden Wahl leiten würden; widerlegte mit feinem Takt und mit überzeugenden Beweisen ausgestreute unliebe und falsche Angriffe aus seine Person und landständische Thätigkeit und gewann durch seine einfache und wohlwollende Art, der man weder den Landgerichtsrat noch den Baronen, vielmehr aber den echt- u. kerndeutschen Patrioten anfühlte, die Herzen vieler Wähler. Gewiß, es sollte keinem Deutschen, der das Herz auf dem rechten Fleck hat, der nicht Einreißen und zertrümmern, sondern erhalten und aufbauen helfen will, der sich nicht durch ungesunde Vorspiegelungen betören lassen, sondern in allen Fällen ein ganz deutscher Mann sein will, nicht schwer werden, wem er am 17. ds. M. seine Stimme geben will!
Hoffen wir, daß die Calmbacher, sowie die meisten Wähler des Neuenbürger Bezirks, sich durch die Reichstagswahl die alte Ehre: stets „national, patriotisch" gewählt und entschieden zu haben, diesmal wieder zurückerobern!