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gewinnt, sobald er in's Kurleben cintritt, Neigung, sich mit den Privat-Angelegen- heiten der übrigen Kurgäste zu befassen. Vierzehn Tage Kurleben genügen, um Einem begreiflich zu machen, daß es noch andere Weltereignisse giebt, als diejenigen, welche die sogenannte hohe Politik ausmachen. Wenn ich indiskret sein wollte, könnte ich Ihnen von hier Dinge erzählen, daß Sie Ihren Ohren nichr trauen würden. Fräulein I. ging tagelang mit dem Oberlieutenant K. spazieren. Man munkelte schon etwas von einer Verlobung, da reiste der Oberlieutenant ab, ohne vom Fräulein nur Abschied zu nehmen . . . Frau B. erhält jeden Morgen ein großes Bouquet zugeschickt. Der Geber ist entweder Herr D. oder Graf E. Bisher konnte nichts Sicheres eruiert werden, aber die Kurgesellschaft hofft, endlich die Wahrheit an den Tag zu bringen ... An einem der letzten Abende wurde Fräulein L. bei einer zärtlichen Scene mit dem jungen Rumänen, Herrn M. überrascht. Herr M. kniete, der Mond wob seine bleichen Schleier um das Pärchen und als Leute dazu kamen, eilte die Dame schreiend davon, während Herr M. in arger Verlegenheit abging . . . Und wenn sie wüßten, welches Aufsehen es machte, als Frau S. jüngst im Kurpark einen Liebesbrief verlor, den Herr T. ihr zugesteckt hatte! Die Finderin konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihn zu lesen . . . Frau I. veranlaßt seltsamer Weise ihren Gatten, sie hier nie zu besuchen. Der schöne Rittmeister, Herr Z. wird wohl wissen: warum. . . . Frau P. hat kein rotes Kleid mehr angelegt, seitdem der Advokat, Herr Dr. R. bei der lable ä'iiöto geäußert, bei blonden Damen seien rote Toiletten ihm unausstehlich . . . Das sind nur einige Stichproben der wichtigsten Vorgänge, welche die Kurgäste
von K.beschäftigen, und wie
hier, geht es mututis mutanäis in den übrigen Kurorten zu. Freilich ist das Kurleben ganz geeignet zur'Entwicklung von kleinen Romanen. Man erlebt sonst wenig Absonderliches in der Tretmühle des alltäglichen Daseins, daß es danach gelüstet, des trockenen Tones satt, einmal den Don Juan zu spielen. Zwischen einem Becher Karlsbader Mühlbrunnen und dem anderen, in der Pause zwischen zwei kalten Abreibungen — Brrr! — werden zarte Fäden geschlungen von Paar zu Paar, in Kurorten hat man sogar Lederhändler dichten gesehen, und Leute, die sich in der Stadt nicht im mindesten um Botanik bekümmern, suchen hier die blaue Blume der Romantik. Um so interessanter sind diese kleinen Romane, als die Kurbekanntschaft in der Regel endet, wie die Coupobekannt- schaft: ein Signal, ein Pfiff, ein Glockenzeichen, man gehl auseinander, vielleicht auf Nimmerwiedersehen, und das Tröpfchen Wehmut, das solcherart in die Kur-Erinnerung sich einmengt, giebt dieser einen Reiz mehr. Die schönsten Romane sind ja diejenigen, die mit keiner Heirat endigen, die überhaupt keinen Schluß haben, sondern plötzlich abbrechen, nicht mit einem Schlußpunkte, sondern mit einem Fragezeichen.
(Schluß folgt.)
Vor Freude gestorben. Vor 22 Jahren beim Einzug der siegreichen Truppen in Berlin wurden dem damals 16 jährigen Sohn des Schornsteinfeger- Meisters Vöhme von seinen Eltern anbe- fohleu nicht zu den Einzugsfeierlichkeiten auszugehen, sondern zu Hause zu bleiben und die Wohnung zu hüten. Der Knabe, der seine Neugierde nicht zügeln konnte, wurde dem Gebot ungehorsam und entfernte sich heimlich, dann aber die Strafe von Seiten seines strengen Vaters fürchtend, entfloh er und bieb seitdem verschollen. Die Eltern versuchten alles, um den Aufenthalt ihres Sohnes in Erfahrung zu bringen, allein ihre Mühe war vergebens. Die Mutter starb vor etwa 8 Jahren, während der Vater, ein Greis von 76 Jahren, einsam und zurückgezogen in seinem Häuschen in der Müllerstraße lebte. Am vergangenen Sonnabend wurde die Thürklingel bei demselben gezogen, und als die Wirtschafterin die Thür öffnete, stand draußen ein elegant gekleideter Herr, der Herrn B. zu sprechen verlangte und, ohne die Antwort des Mädchens abzuwarten, in die Wohnung drang. Kaum hatte der Unbekannte die Thür des Zimmers, in welchem sich der alte Herr befand, geöffnet und war eingetreten, als der Greis bei den ersten Worten des Fremden aufjprang und mit dem Ausruf: „Mein geliebter Sohn" mit ausgebreiteten Armen zu Boden stürzte und leblos liegen blieb B's mehrfach geäußerter Wunsch: „seinen Sohn noch einmal zu sehen und dann zu sterben," war in Erfüllung gegangen; ein hinzugerufener Arzt konnte nur noch den plötzlich eingetretenen Tod durch Herzschlag konstatieren.
(Als Herr v. Leffeps) neulich durch Frankreich reiste, war er in einem Coupö mit zwei Handlungsreisenden, die ihn nicht kannten. Da sie nichtsdestoweniger bemerkten , daß er ein Vielgereister war, glaubten sie, er gehöre zu ihrer Genossenschaft, und es eittspann sich folgendes Gespräch. „Um Vergebung, Herr," sagte der eine, „Sie sind auch Reisender?" — „Ja gewiß," war Leffeps Antwort. — „Das dachte ich mir, und in was, wenn ich fragen darf?" — In Jsthmussen," sagte Herr v. Leffeps. — „In — wa—a—s?" fragte der erstaunte Hand- lungsbeflissenc. — Ich bin bemüht Kanäle einznführcn," sagte Leffeps. — Die Handlungsreisenden brachen das Gespräch ab und warfen nur scheue Blicke auf den Coupögenoffen, den sie für nicht ganz richtig hielten.
(Einer über den andern.) In einem feinen Restaurant kamen zufällig zwei Gauner zusammen, die einander nicht kannten. Beim Dessert ließ einer einen silbernen Löffel im Stiefel verschwinden. Der Andere bemerkt's und ärgert sich; er beginnt alsbald kleine Taschenspielerstückchen. Man wird aufmerksam. Auch ver Wirt tritt herzu. „Geben Sie Acht," sagt er, „ich werde ein hübsches Stücklein mit einem Löffel machen." Ec nimmt einen Löffel und steckt ihn ein, dann klatscht er in die Hände — Eins — Zwei
Drei!" Nun, mein Herr," wendet er sich an den andern Jndustrieritter, „sehen Sie nach, der Löffel wird sich jetzt in Ihrem Stiefel befinden." Wohl oder übel mußte der Bezeichnet? den Löffel Herausrücken. Jener aber empfahl sich, ohne den seinigen wieder abgegeben zu haben.
(Auch nicht übel.) Doktor: „Aber wie können Sie mich mitten in der Nacht bei diesem Sturm wegen so einer Kleinigkeit rufen!" — Bäuerin: „Ja, Herr Doktor, eck häffe gemeint, so Hären hebet vor ns arme Lüt bi Tage doch kene Tid.
(Appetitlich.) „Ist die Bouillon für meinen Mann schon warm genug. — Köchin (stippt mit dem Finger in die Kasserolle): „Nein, erst lauwarm."
sEinfluß der Glasflaschen auf Wein.) Man hat in Frankreich, wie die „Weinlaube" aus dem „Moniteur Industrie!" mitteilt, die Beobachtung gemacht, daß alter und guter Wein, in Flaschen verschiedener Herkunft gefüllt, in den sogenannten Rouenslaschen besser wurde, in den anderen Flaschen jedoch den herben Nachgeschmackeines jungen Weines annahm. Dies liegt in der Natur des Glases, welches zur Flaschenfabrikation verwendet wird, und diesem Umstande schreibt der Chemiker Peligot die Veränderungen zu, denen ein in Flaschen lange verwahrter Wein unterliegt. Gegenwärtig ist die Mischung des Glases eine sehr verschiedene; die üblichen Zusätze von Soda und Pottasche werden häufig durch billigere von Kalk und Magnesia ersetzt, auf welche die Weinsäure stärker einwirkt, und hierin scheint auch die Hauptursache der schlechten Qualität der Flaschen zu liegen. In den Flaschen, in welchen sich der Wein verbessert, übersteigt der Zusatz an Kalk kaum 19—20pCt. Leider läßt sich solches nur durch eine chemische Analyse fesi- stellen; man möge sich aber nicht durch den billigen Preis gewisser Flaschen bestechen lassen, wenn cs sich um einen edlen Wein handelt.
(Nahrung für Goldfische im Glase.) Der vielfach verbreiteten Ansicht, als ob den im Zimmer gehaltenen Goldfischen kein Futter so gut bekomme, wie weiße Oblaten, wird aus Erfahrung entgegengehalten, daß Gries ihnen viel zuträglicher sei. Oblaten zu essen zwingt sie allerdings äußerster Mangel an anderer Nahrung, und dieses Futter hat oft ihr Abstehen zur Folge. Gries dagegen nehmen sie mit sichtlichem Behagen an und befinden sich wohl dabei. Selbstverständlich ist Ueberfütterung zu meiden.
Schtichzeit
des Enzthälers für Inserate.
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Nur in besonders dringenden Fällen können bei kleinen Inseraten Ausnahmen stattfinden.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.