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landesgesetzliche Krankenversicherung auf sämtliche Dienstboten ausgedehnt werden solle.

Stuttgart. 16. Nov. Heute früh 6 Uhr ging ein einem Metzger gehöriges Stück Vieh beim Ausladen an der Vieh­rampe durch und rannte dem von Heil­bronn kommenden Zug 7 gerade entgegen, wurde von der Maschine erfaßt und zer­rissen. Die Maschine selbst blieb auf dem Geleise, während die nächstfolgenden drei Wagen entgleisten, ohne daß jedoch Jemand Schaden nahm.

Stuttgart, 17. Nov. Gestern abend 7 Uhr brach hier ein gewaltiges Feuer aus. Das städtische Magazin (Seidenstr. Nr. 36) für Hopfen, Wolle rc. stand in kurzer Zeit in Hellen Flammen. Vermutlich ist vor 7 Uhr jemand mit einer ' Pfeife oder dergl. in dem Mitteltrakt des langen, von dreiPavillonsbanten flankierten Hopfenmagazins gewesen, in welchem große Vorräte des leicht brennbaren Materials aufgespeichert waren. Außerdem befanden sich im ersten Stock mehr als tausend Zentner der Militärverwaltung gehörigen Habers und im Parterre viel Holzmaterial, Bretter, Meßbuden rc. Inzwischen hatten die Flammen bereits das ganze lange Dach des Mittelbaues ergriffen und schlugen zu sümmtlichen Fenstern heraus; ein scharfer Ost-Nordost brachte die gegenüberliegen­den städtischen Stallungen, in denen G. Kurtz seine Pferde hat, und das Brenn­material-Magazin der städtischen Latrinen- Anstalt in die größte Gefahr. Einzelne Feuerwehrleute waren schon zur Stelle aber es fehlte zunächst am Wasser, da die Hydranten-Schachtdeckel eingefroren waren und nur mit schwerer Mühe und Anwend­ung heißenWassers geöffnet werden konnten Die Gefahr war sehr groß. Eine^anle des Bauverwalters Löser mußte mittelst Leiter durchs Fester gerettet werden. Sie war allein zu Hause und hatte das ihr wichtigst Scheinende gerettet, es war aber eine größere Summe Geldes in Wertpapieren zurückgeblieben. Diese holte später ein Feuerwehrmann, als die Gefahr des Deckeneinsturzes schon sehr nahe war, ebenfalls durchs Fenster. Gegen 7'/s Uhr war die Feuerwehr in voller Thätigkeit und der Windrichtung entsprechend arbeitete sie namentlich in der Seidenstraße zum Schutze der gegenüberliegenden Gebäude und an der Turnhalle, die ebenfalls in größter Gefahr schwebte. Inzwischen waren die beiden Quergebäudc (Pavillons) an der Forst- und Traubenstraße vom Feuer erfaßt worden und auch die dahinter­liegenden Schuppen, Bretterstöße, Holz­abfälle zwischen Magazin und Hoppen- laufriedhof hatten Feuer gefaßt, so daß das ganze Geviert nur noch ein einziges Flammenmeer war. Nun war aber auch die Feuerwehr auf der Höhe ihrer Auf­gabe, die Dampfspriye arbeitete mächtig mit und nicht nur die gefährdeten Gebäude wurden bewahrt, sonvern in die beiden Feuerherde der Querflügel ergoffen sich die Wassermassen und es gelang, wenig­stens den vorderen vor dem vollen Ein­sturz zu bewahren. Der Mitteltrakt war schon gegen 8 Uhr eingestürzt; der Giebel des Querflügcls an der Traubenstraße stürzte um 8'/- Uhr mit donnerndem Ge-

krach zusammen, das Feuer um sich her­um mit begrabend. Es war das mächtigste Feuer, das Stuttgart seit vielen Jahren gesehen hat. Die ganze Umgegend des Brandes war weit hinaus taghell er­leuchtet ; Garnisonskirche, Realgymnasium, Gewerbehalle, überhaupt alle Gebäude auf mehr als 1 km hinaus erglänzten in einer nie gesehenen Beleuchtung. Mit­unter flogen ganze Büschel Hopfen in die Luft und wurden weit weggeweht, so daß man Flugfeuer befürchten mußte. Die Feuerwehr machte übermenschliche Anstrengungen, allein es war jedem klar, daß gegen eine solche Gewalt des Ele­ments alles Ringen vergeblich war, und es lag nur die Befürchtung nahe, es möchten durch den Einsturz brennender Balken allzukühne Feuerwehrmänner ver­letzt werden. Wie man hört, ist diese Befürchtung glücklicherweise nicht einge­troffen. Die Löscharbeiteu wurden bis tief in die Nacht fortgesetzt. Verbrannt sind u. a. 400 Zenter Hopfen mit einem Wert von ca. 18 000^, dann der Haber der Militärverwaltung, etwa 6000 Vetter u. s. w. Alles ist versichert.

Der Fischerverein Tübingen ist der Tüb. Chron." zufolge nunmehr im Be­sitze der meisten Fischwasser bis nach Rottenburg hin und kann die noch fehlen­den in nächster Zeit pachten. Es soll nun der Neckar mit edleren Fischsorten besetzt werden, in erster Linie mit Aalen und Forellen. Aale sind im Neckar bereits vertreten; mit Forellen sollen Versuche gemacht werden.

Wildbad ist demBadcblatt" zu­folge vom 1. Mai bis 1. Oktober d. I. von 6035 Badgästcn und Passanten be­sucht worden. Davon waren 3670 Süd­deutsche, 1343 Norddeutsche, 341 Eng­länder, 159 Amerikaner, 129 Russen, 111 Franzosen, 60 Holländer, 59 Schweizer, 33 Belgier. 32 Italiener, 30 Oesterreicher, 12 Spanier, 11 Dänen rc. Im Vorjahr war die Besucherzahl 6881; der diesmalige Rückgang dürfte der rauhen Mai- und Septembcrwitternng zuzuschreiben sein. Eine weitere Statistik desBadeblatts" giebt folgende Durchschnittszahlen: 1845 bis 1850 2060Besucher; 185060: 3460; 1860 70: 4990; 1870 80: 6360;

188087: 6350.

Neuenbürg, 17. Nov. Dem Schnee in den letzten Tagen ist heute Nacht in schnellem Wechsel Frost gefolgt, so daß wieder einige Helle Tage in Aussicht stehen. Für alle derartige Wechselfälle dürfte es sich den Besitzern von Hauswasser­leitungen empfehlen, denselben die ent­sprechende Aufmerksamkeit angedeihen zu lassen.

Oesterreich.

Wien, 16. Nov. Prof. Schrötter, welchen der Kaiser gestern empfing, er­klärt in einem Schreiben an die N. Fr. Pr.,, daß die Aerzte alle Möglichkeiten durch­gesprochen und einen genauen Plan für alles festgestellt haben.

Wien, 16. Nov. Nachrichten zufolge hatte in Klagenfurt am Montag abend ein 4 Sekunden dauerndes Erdbeben in der Richtung von Ost nach West stattge­funden. Zu derselben Zeit fand in Blei­

burg eine heftige Erderschütterung mit Donnergetöse statt. In Saldenhofen wur­den zwei heftige Erdstöße, auch in Graz ein Erdbeben wahrgenommen. In ganz Kärnten wurde am Montag abend starkes Rollen verspürt, in Wolfsberg war uachts ein schwächerer Erdstoß.

Ausland.

Die Skandale in Frankreich. Der Verlauf der Krisis ist noch nicht zu übersehen. Meldungen kommen stündlich und widersprechen sich stündlich und nir­gends ergiebt sich ein klares und sicheres Bild der Situation.

Gegen den Schwiegersohn des franzö­sischen Staatsoberhauptes, den Deputierten von Tours, Wilson, schwebt ein wahrer Rattenkönig von Anklagen. Um sie grup­pieren sich allerhand schmutzige Geschichten, in welche der Schwiegersohn des greisen Grevy verwickelt erscheint. Inwieweit der weitere Gang dieser so eigenartig ver­wickelten Affaire sich zu einer politischen Krisis entwickeln wird, bleibt noch abzu­warten.

London, 13. Nov. Die englische Geheimpolizei hat jetzt genügendes Beweis­material für die Annahme erlangt, daß in Amerika eine Dynamitverschwörung gegen die englische Regierung besteht.

London, 14. N-ov. Die gestrigen Straßenkämpfe in den vornehmsten Teilen Londons scheinen alle die bisherigen Reibereien zwischen Anarchisten und Poli­zisten an Heftigkeit übertroffen zu haben. Die Regierung hatte sich bekanntlich ent­schlossen, alle weiteren Volksversammlungen auf dem riesigen PlatzeTrafalgar-Square" zu verbieten, und sich darauf bezogen, daß der Platz zum größten Teil dem Eigentum der Krone angehört; das Publikum werde auf dem Square von der Königin über­haupt nur geduldet." Die Maßregel greift tief in die englische Versammlungsfreiheit ein und so hatten sich sogar Politiker anderer, nichtsozialistischer Parteien zur Verurteilung dieser für die öffentliche Sicherheit zweifelsohne nötigen Anord­nung verleiten lasfen.

Florenz, 14. Nov. Heute morgen wurde hier in der Richtung von Norden nach Süden eine kurze aber starke Erd­erschütterung wahrgenommen.

MisMen.

(Was einem im Gasthaus passieren kann.) Ein Pärchen vom Lande kam auf einer Vergnügungsreise in ein Gasthaus, wo es wegen eines eben stattfindendc» Volksfestes so voll war, daß die Bade­zimmer rasch in Schlafzimmer umgewandelt worden waren. Das Paar erhielt ein solches improvisirtes Schlafzimmer. Mitten in der Nacht findet der Gatte, daß das Trinkwasser auf dem Tische fehlt und daß auch kein Licht auf dem Leuchter ist. Er tastet an der Wand neben dem Bett und ergreift einen Drahtzug; in der Meinung, es sei der Klingelzug, zieht er kräftig und ein Strom kalten Wassers kommt von oben herab, die Douche!

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Mejeh in Neuenbürg.