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wohnt?" — „Nein, Herr, meiner Treu, das weiß ich nicht; aber er wollte in einer Stunde wieder hier sein, um sie für sechs' zehn Sous, die er mir schuldig ist, einzulösen." — „Schade, schade!" murmelte der Fremde, wie zu sich selbst; „ein ganz wunderbares Instrument ist es, ein Guar- nerius, — ein seltenes Prachtstück." „Was Sie sagen!" rief Boudinot erstaunt. „Ja. ja, sehen Sie nur her, hier ist das Zeichen," sagte der Engländer, indem er auf etwas wie Linien und Striche im inneren Raum des Instrumentes wies. „Guarnerius faciebat 1720." „Ich kann's nicht ganz genau sehen," sagte ver Schlächter, der trotz eifrigen Hinstarrens doch nur dicken Schmutz und Staub unterschied. „Aber hier ist jeder Irrtum ausgeschlossen," rief der Engländer. „Ich will Ihnen dafür geben, was Sie irgend verlangen." — „Unmöglich, mein Herr, ich wiederhole, daß sie mir nicht gehört'"
„Sie sollen zweihundert Franken dafür haben, — dreihundert, — vierhundert, — wollen Sie? — Nun denn, tausend, — fünfzehnhundert — —
„Es thut mir sehr leid, aber sie ist nicht mein, und so darf ich sie nicht verkaufen."
„Das ist zu schade," sagte der Fremde. Wissen Sie, überlegen sie die Sache, und wenn Sie zu einem Resultat gekommen sind, dann benachrichtigen Sie mich, ich gebe Ihnen dann — zweitausend Franken. Hier ist meine Karte. Guten Morgen!"
Auf der Karte stand: Lord Nuppet, Hotel Continental. Boudinot war schon mit sich einig, für den Fall, daß der kleine Italiener nicht vor drei Uhr zurückkehrte, das großmütige Anerbieten Seiner Lordschaft anzunchmen, als eine Helle Stimme sein Ohr traf: „Buon giorno, Signor, hier sind die sechzehn Sous."
„Ah, bist du da," sagte der Schlächter mit finsterm Gesicht. „Es ist jetzt halb drei, du bist sehr lange geblieben. Aber," setzte er nach einer Weile freundlich hinzu, „behalte dein Geld und sage: willst du mir deine Fiedel verkaufen?"
„Nein, Signor."
„Ich will dir zwanzig Franken dafür geben."
„Nein, Signor. Das Instrumenta gehört meinem Vater; wenn ich es nicht zurückbringe, schlägt er mich."
„Hier, nimm fünfzig Franken und laß sie mir."
„Ich kann nicht, ich versichere sie."
„Nun, so sagen wir hundert, — zwei- — dreihundert," fuhr der Schlächter fort, indem er das Geld in der Kasse klimpern ließ. „Du siehst, ich habe meinen Kopf darauf gesetzt, das Ding zu haben." Nach langem Sträuben gab der junge Italiener endlich sein Instrument für 450 Franken hin. Boudinot schloß sogleich seinen Laden. Auf dem Wege nach dem Hotel Continental kicherte er vergnügt vor sich hin. „450 Franken von 2000," rechnete er, „das bedeutet einen hübschen kleinen Prosit von 1550 Franken — beim Verkauf von zwei Schweinskoteletten." Am Ort seiner Bestimmung angelangt, fragte er mit vor Aufregung bebender Stimme nach Lord Nuppet. „Kenne ich nicht," sagte der Portier. „Sehen Sie her, da ist seine
Karte." — „Sie kommen vermutlich wegen einer Geige." sagte der Portier grinsend. „Ganz recht, hier habe ich sie in diesem Packet." — „Nun, dann sind Sie der sechste Herr, der heut in derselben Angelegenheit hier herkommt." — „Und Lord Nuppet?" „Ist ein gewandter Spitzbube, der Sie und die andern betrogen hat." Boudinot mußte sich an den Thürpfosten lehnen, um nicht vor Schreck umzusinken. Endlich stammelte er: „Aber er sagte doch
— — es wäre-ein sehr seltenes
Instrument wäre es — —." Der Portier brach in ein schallendes Gelächter ans. „Selten? Unsin! Eine Fiedel wie diese kaufen Sie jeden Tag im Temple für dreißig Sous."
(Inserate.) Ein Mann, dessen Gattin Milchfrau gewesen, machte deren Ableben bekannt und sagte in einem Nacksatze: „Uebrigens werde ich das Geschäft als Milchfrau jetzt selbst sortsetzen." — „Im gestrigen Kasino ist ein Regenschirm in Gedanken stehen geblieben." — Bei einem Wurstfabrikanten war stets vorhanden: „Vorrat aller nur denkenden Würste." — „Eine hilflose verlassene Witwe sucht eine Stelle als Kammerjungfer." — Im Starnberger „Seeboten" stand wörtlich zu lesen: „Verloren eine silberne Cylinderuhr in etwas angetrunkenen Zustand von Feld- afsing bis Tutzing!"
(Was eine Tournüre ist!) Eine Tour- nüre ist in der Jurisprudenz: Eine Ueber- treibung des wirklichen Sachverhalts; in der Medizin: ein Symptom gestörter Hirnfunction; in der Theologie: eine sündhafte Verunstaltung des menschlichen Körpers; in der Philosophie: das negative Sein am positiven Sein; in der Philologie: eine fremde Nachsilbe am einheimischen Stamme; in der Geschichte: ein Auswuchs in der zweiten Hälfte den 19. Jahrhunderts; in der Physik: eine natürliche Verrückung des Schwerpunkts; in der Bautechnik: eine an unpassender Stelle angebrachte Dekoration; in der Aesthetik: ein Merkmal des verirrten Schönheitssinnes; im Welthandel: eine Täuschung des Publikums durch Kunstmittel; im allgemeinen: ein blühender Unsinn.
Der „Bremer Courier" enthält folgenden Scherz: „Oldenbüttel! Aussteigen!" tönt es beim Halten des Zuges. Ein wohlgerundeteter behäbiger Mann windet sich mühsam aus einer Waggonthüre, sucht seine steifgewordenen Beine durch Trampeln wieder in gebrauchsfähigen Zustand zu bringen und schaut dann in aller Gemüts ruhe dem weitereilenden Zug nach. Als ihm die eingetretene Stille auf dem Perron unheimlich wird, wendet er sich an den Herrn mit der bekannten roten Mütze mit der Frage: „Ja, wo blies ick denn?" — „Wohin wollen Sie denn?" — „Nah Bremen." — „Da hätten Sie ja mit dem eben abgefahrenen Zuge weiter reisen müssen!" — „De Kirl riep jo aber: Oldenbüttel! Aussteigen! Ick heete Oldenbüttel!"
„So e gar jung Börschi!" Ein Wirt in Oberhessen, bei dem der Erbgroß
herzog auf ein paar Minuten einkehrte schaute denselben wiederholt aufmerksam an und äußerte dann ganz treuherzig: „Awer, Herr Kronprinz, eich hält' doch net gedacht, daß Säi noch so e gar jung Börschi wär'n!" Dem Erbgroßherzog hat das Staunen des biederen Mannes viel Spaß gemacht und in Oberhessen wird das lustige Geschichtchen viel belacht.
(Was Modernes.) Möbelhändler zu einem Kunden: „Sie wünschen einen Schreibsecretär zu kaufen? — ich rate Ihnen zu diesem Cylinderbureau." Kunde: „Cylinderbureau? — hm, hm, ich glaube, das ist nicht mehr modern. Wissen Sie was, lassen Sie mir ein Remontoirbureau anfertigen."
(Bei der Rekrutenprüfung.) Auf die Frage: „Wer hat das Pulver erfunden?" meinte einer der Rekruten: „Wahrscheinlich einer von der Artillerie."
Der regelmäßige Genuß von Aepfeln vor oder nach dem Essen hat einen sehr gesunden Einfluß auf die Verdauung. Ein bedeutender französischer Arzt sagt, daß die Verminderung der Magenleiden und der galligen Affektionen in Paris nur dem vermehrten Verbrauch von Aepfeln zuzuschreiben sei. Er behauptet, daß diese Frucht überaus vorbeugend und magenstärkend wirke und leicht verdaulich sei. Gleichwohl verträgt nicht Jeder das rohe Obst. Wer Beschwerden nach dem Genuß empfindet, der wähle gebratene Aepfel.
Si»IM«z M M«iikl«r»I
auf den
Knzthäler
für das vierte Quartal 1 887.
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