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Napoleon III. war bei der Armee. Am 30. August wurde eine französische Heeresabteilung bei Beaumont in ihren Lagern vollständig überrascht und geschlagen. Am 1. September früh umgaben die beiden deutschen Heere in einem großen Halbkreise die Stellung der Franzosen und während sich nun unter den Mauern von Sedan ein gewaltiger Kampf entspann, welcher mit dem Muth der Verzweiflung aus der einen, mit siegesfreudigem Opfermut auf der anderen Seite geführt wurde, näherten sich die beiden Enden des eisernen Halbkreises einander immer mehr, so daß am Abend des blutigen Tages das Schicksal der Franzosen entschieden war,' selbst der Rückzug über die belgische Grenze war nicht mehr möglich, und so erfolgte denn am 2. September Mittags die Kapitulation der ganzen französischen Armee. Kaiser Napoleon hatte sich schon vorher als Kriegsgefangener ergeben. Ueber 100,000 unverwundete Gefangene, Gewehre und andere Waffen, Feld- und Festungsgeschütze in großer Zahl, Fahnen, Adler und sonstige Trophäen, Munition und Kriegsmaterial in großer Menge fielen in die Hände der Sieger. Unser frommer Heldenkönig aber beugte sich in Demuth vor dem Herrn der Heerscharen und berichtete seiner Gemahlin, der Königin Augusta in Berlin:
Vor Sedan, 2. Sept., >/-2 Uhr nachmittags.
Die Kapitulation, wodurch die ganze Armee in Sedan kriegsgesangen, ist soeben mit dem General Wimpfen geschlossen, der an Stelle des verwundeten Marschalls Mac Mahon das Kommando führte. Der Kaiser hat nur sich selbst Mir ergeben, da er das Kommando nicht führt und Alles der Regentschaft in Paris überläßt. Seinen Aufenthaltsort werde Ich bestimmen, nachdem Ich ihn gesprochen habe in einem Rendezvous , das sofort stattfindet. — Welch' eine Wendung durch Gottes Fügung!
Wilhelm.
Deutsche Männer aus allen Gauen des großen Vaterlandes, Hessen und Thüringer, Württemberger und Sachsen, Bayern und Preußen, hatten zusammen mit ihrem Blute diesen größten Sieg erfochten, den die Weltgeschichte kennt, und die ganze deutsche Nation, die Männer in Waffen vor dem Feinde, wie die Millionen treuer Herzen daheim, fühlten und verstanden die Größe und Bedeutung des Ereignisses. Alle wußten, daß die Zeit politischer Zerrissenheit und Ohnmacht nun ein Ende habe, daß das gemeinsam vergossene Blut der feste Mörtel geworden sei, zu dem stolzen Neubau des wiedergeeinten Deutschen Reiches. Darum feiern wir die Wiederkehr dieses Tages mit Recht alljährlich als das Nationalfest der Deutschen.
Die Stiefmutter-
Erzählung
aus dem Mittelalter von Franz Eugen.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
„O Konrad, Konrad!" flüsterte sie leise und sehnsüchtig in die schweigende Nacht hinaus, und als habe ihr Wort die
Macht, ihn herbei zu rufen, sah sie plötzlich einen Reiter, in dessen Antlitz sie die Züge des Geliebten zu erkennen meinte, aus dem Waldesdunkel auftauchen. Ihr Herzschlag stockte, sie konnte dem Zeugnis ihrer Augen nicht glauben, was hätte Konrad Overstolz hierher und zu solcher Stunde führen sollen? Aber der Reiter kam näher, das Mondlicht fiel hell auf sein Gesicht, sie hatte sich nicht getäuscht, er war es wirklich, und sein Pferd spornend ritt er, ohne sie an dem offenen Fenster zu bemerken, rasch nach der andern Seite, wo der Eingang zum Hofe lag.
Sie stand wie festgebannt, keiner Bewegung mächtig, es mußte ja ein Trugbild ihrer aufgeregten Sinne gewesen sein, daß sie ihn, bei dem ihre Gedanken heute so besonders lebhaft weilten, leibhaftig vor sich zu sehen gemeint!
Ein paar Minuten vergingen, dann öffnete sich die Thür, Afra trat freudestrahlend herein und sagte: „Konrad Over- stolz ist gekommen und erwartet dich unten. Was ihn herführt zu so nächtlich später Stunde, hat er mir nicht vertraut, aber ich lese in seinen Mienen, daß er als Freier kommt, Hilde, Hilde, empfange ihn gut und freundlich, stoße nicht zum zweiten mal dein Glück von dir."
Hildegard erwiderte nichts, sie vermochte nicht zu sprechen, kaum daß ihre Füße sie die Treppe hinunter trugen und ihre zitternde Hand Kraft genug hatte, die Thür des Gemachs, wo Konrad ihrer harrte, zu öffnen. Einen Augenblick standen sie einander stumm gegenüber, dann sagte Konrad leise: „Hilde, hat meine Buße jetzt lange genug gedauert? Willst du endlich vergeben und vergessen und die Meine werden?"
So weich hatte seine Stimme nie geklungen, so zärtlich nie sein Blick auf ihr geruht, als sie noch seine Braut war. „Welch ein Wunder hat mir sein Herz zugewendet?" dachte Hilde erbebend, und alles außer ihm vergessend, warf sie sich in seine geöffneten Arme; Vergangenheit und Zukunft versanken vor ihr, sie empfand nichts, als die Seligkeit, an seiner Brust zu ruhen und den Liebesbeteuerungen zu lauschen, die er in ihr Ohr flüsterte. Endlich aber kam ihr die Gegenwart wieder zum Bewußtsein, sie richtete sich aus seinen Armen auf, und in ihren Augen lag eine scheue, bange Frage. Er verstand ihren stummen Blick, und sagte: „Meine Liebe zu Maria starb in dem Augenblick, wo sie auf ihres edlen Gatten Tod hoffend, über sein Grab weg mir ihre Hand reichen wollte, und an dem Morgen, da du zürnend das Band zerrissest, das uns auf immer verknüpfen sollte, erschienst du mir in deiner stolzen, unentweihten Jungfräulichkeit so hold und begehrenswert, daß mein Herz dir zum ersten mal in wirklicher Liebe entgcgenschlug. Wie ich dich dann wiedersah am Sterbelager deines Vaters, mußte ich mir Gewalt anthun, daß ich dich nicht in meine Arme schloß und deine Thränen fortküßte. Aber du hattest mir noch nicht vergeben, das erkannte ich wohl, als du deine Hand, die dein Vater in die meine legte, mir so hastig entzogst nnd keinen Blick für mich hattest; so beschloß ich, dir fern zu bleiben,
wie gern ich auch der Verwaisten in ihrem Leid Trost und Stütze gewesen wäre, bis das Trauerjahr vorüber, und wenn ich dann Maria, obgleich sie nun frei geworden und nichts mehr zwischen mir und der einstigen Jugendgeliebten stand, doch nicht zu meinem Weibe begehrte, so hoffte ich, würdest du mir glauben, daß ich nicht mehr sie sondern dich, dich allein liebe. In diesen Tagen wollte ich kommen und um dich werben, aber als ich vernahm, daß deine Stiefmutter eine so schreckliche Anklage gegen dich erhebt" ....
„Welche Anklage?" fragte Hildegard, die bisher wie in einem seligen Traum befangen ihm zugehört, aus dem jetzt seine letzten Worte sie jäh aufschreckten.
(Fortsetzung folgt.)
(Der Bauer im Extrazug.) Von der Schwalm berichtet man der „Kaff. Allg. Ztg.": Die Bewohner der Schwalmgegend sind ein sparsames Völkchen und halten die Groschen zusammen, wird der Geldbeutel aber einmal für einen bestimmten Zweck gezogen, dann kann der Schwälmer auch tief hineingreifen. Ein bejahrter Bauer aus Schrecksbach gewann kürzlich in letzter Instanz vor dem Oberlandesgericht in Kassel einen Prozeß. Freudestrahlend kommt er auf den Kasseler Bahnhof, um die Heimreise anzutreten. Leider ist der Zug eben abgefahren, und er soll 3 Stunden warten. Das dauert ihm zu lange. Er wendet sich an den Bahnhossvorstand mit den Worten: „Boß kost' da sue extra Wähnghe?" „Nun, circa 150 Mark." „Do scherrn Se mer emol eengs o!" Der Extrazug fährt vor, unser Schwälmer Bauer steigt ein und fährt nach Treysa. Mittlerweile war die telegraphische Nachricht von einem nach Treysa bestimmten Extrazuge auf dem Bahnhofe und in der Stadt laut geworden, so daß sich ein ansehnliches Publikum voller Neugier auf dem Perron eingefunden hatte; jedermann glaubte, daß eine hochgestellte Persönlichkeit, vielleicht gar ein gekröntes Haupt dem Zuge entsteigen würde. Die Neugierde war aufs höchste gestiegen, als der Zug einfährt und unser Schwälmer Bauer mit seinem langen blauen Kittel und Mantelsack gemächlich dem Wagen entsteigt. Wie er nun aller Augen auf sich gerichtet sieht, sagt er trocken zu den Umstehenden: „Gelle, do guckt Ehr!" Ein nicht enden wollendes Gelächter folgte dem Bauern nach.
Karl Gutzkow sollte als junger Mann einst gelegentlich des bekannten Gesellschaftsspiels eine Grobheit und eine Schmeichelei sagen. Ec entledigte sich dieser Aufgabe, indem er sagte: „Ich wollte, Sie holte der Teufel! — und ich wäre der Teufel."
_(N- Msk.-Ztg->
(Poesie und Prosa.) Städterin (im
Walde): „Giebt es Wohl Herrlicheres, als
diese schöne Natur? Dieser balsamische Duft, der den Fichtenstämmen entströmt." — Förster: „Lehnen Sie sich nur nicht an, sonst bleiben Sie an dem Harz hängen."
Goldkurs der K. Staatskaffenverwaltung vom 1. September 1887. 20-Frankenstücke . . . 16 10 ^
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.