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wenn das Konzert auch nicht so besucht war, wie man hätte erwarten dürfen, da Manche andere Vergnügungen vorzogen, so müssen doch die, die Sinn für Musik und Freude daran haben und die mit vernünftigen Ansprüchen gekommen, gestehen, daß ihnen hier einige genußreiche und erquickende Stunden bereitet worden sind.
O e st e r r e i ch.
In Ungarn sind vorgestern während eines Organs, der das Löschen verhinderte, zwei Städte. Eperyes und Nagykaroly, vollständig abgebrannt. Der Schaden ist ungeheuer. Viele Menschenleben gingen, namentlich in ersterer Stadt, dabei zu Grunde.
Ausland.
London, 9. Mai. „Morning Post" zufolge hat die britische Regierung die offizielle Beteiligung Englands an der Pariser Weltausstellung abgelehnt.
In Havre ist am Samstag eine „maritime Ausstellung" eröffnet worden, wobei der Ministerpräsident Goblet mehrere Reden vom Stapel ließ. Die anscheinend friedliche Tendenz dieser Reden wird aber durch allerlei Umstände und Thatsachen sehr abgeschwächt. Vor allem muß es einen nichts weniger als guten Eindruck machen, daß der französische Minister ostentativ an der Erdichtung festhält, das friedliche Frankreich habe ungerechte Angriffe zu befürchten. Dies ist, wie jedes Kind weiß, nicht der Fall; gerade die unaufhörliche Wiederholung dieser Redensart macht den Eindruck, daß es damit auf eine Verhüllung der eigenen Angriffspläne und des eigenen bösen Ge- wiffens abgesehen ist.
MisM en.
Im Urwald.
Brasilianische Erzählung von B. Riedel-Ahrens.
(Nachdruck verboten.)
I.
Umschlossen von den gigantischen Bäumen des Urwaldes der brasilianischen Provinz Minas, liegt im Thal, inmitten einer fast kreisförmigen Lichtung, ein kleines Farmhaus mit den entsprechenden Nebengebäuden; über dem ziemlich niedrigen Strohdach ragen zu beiden Seiten und im Vordergründe schlanke Palmen hoch empor, die ihre zierlichen, im leisen Windhauch flüsternden Kronen gegen den sonnigheitern Himmel abzeichnen.
Es wird Abend, — die schwermutsvolle Ruhe der tiefen Einsamkeit senkt sich langsam auf alle Gegenstände nieder; dann beginnt ein geheimnisvolles Schaffen in der Pflanzenwelt, die Tiere der Nacht erwachen zu regem Leben.
Auf dem schmalen Wege, welcher von dem Dorfe Santa Anna her durch das Dickicht in die Lichtung mündet, ritt um diese Stunde, wo die letzten Strahlen der Abendsonne das Blätterwerk des Riesendomes streiften, ein junger, elegant gekleideter Mann auf einem kräftigen Pferde von edler Rasse. Der feine weiße Panamahut beschattete ein schwarz gelocktes Haupt, dessen brünette und ausdrucksvolle Züge einen ungewöhnlichen Ernst, der fast an Trauer grenzte, ausdrückten. Er ließ das Tier im Schritt gehen und blickte nach
denkend vor sich hin, bis plötzlich der Anblick der nahen Lichtung ihn aus seinem Sinnen weckte.
Er hielt die Zügel an, zog seine Uhr und sah sich nach allen Seiten um; vor ihm, in dem sanft sich neigenden Thal — lag friedvoll die palmenbeschattete Farm in dem weiten Kranze des dunkel ansteigenden Urwaldes. —
„Sonderbar", dachte der einsame Wanderer, „ich habe mich verirrt; man sagte mir in Santa Anna, ich käme auf meinem Wege nach Villa Nova an keinem einzigen Hause vorüber. Nun bin ich schon gezwungen, die Leute hier um ein Nachtquartier zu bitten da ich nicht weiß, wie weit es ist bis zum nächsten Dorf, und welche Richtung ich nach dort einzuschlagen habe; außerdem bin ich müde, möchte nicht noch mehrere Meilen zurücklegen." Er gab dem Pferde die Sporen und hielt einige Minuten später aus dem freie» Platze vor dem Gebäude an.
Im selben Augenblicke erfaßte ihn ein eigentümliches, beklemmendes Gefühl, unheimlich , wie die Vorahnung eines Geschickes, dem er nicht mehr entrinnen konnte; er zögerte; wie ermahnend trieb es ihn zur raschen Umkehr, doch es war zu spät. In der Hausthür, welche in der Mitte pfortenartig geteilt war, erschien jetzt die breitschultrige Gestalt eines Mannes anfangs der Vierziger, in der einfachen leichten Kleidung des minarischen Farmers. „Guten Abend, Senhor, sagte der Neuangekommene, auf den das offen blickende, von dichtem Vollbart umrahmte Gesicht des Mannes einen günstigen Eindruck hervorbrachte, „Verzeihung, wenn ich so spät noch störe, ich habe mich auf dem Weg zu meiner Mutter in Balle rico, vierzig gute Meilen von hier verirrt, und möchte Sie bitten um Obdach für diese Nacht. Mein Name ist Alvaro de Castella Branco, ich habe vor einigen Wochen mein Examen als Doktor der Medizin in Sao Paulo abgelegt."
„Steigen Sie vom Pferde, Senhor und seien sie mir tausendmal willkommen," entgegnete der Besitzer der Farm, Senhor Martinos, indem er seinem Gaste herzlich die Hand schüttelte, „Sie sind ein Arzt, gar einer, der wirklich studiert hat in Sao Paulo? Welch ein glücklicher Zufall oder war es Beschluß eines höheren Willens, der Sie hierher führte!"
Auf einen Wink des Besitzers näherte sich ein Sklave, um das Pferd Alvaros nach dem Weideplätze zu führen, die beiden Männer aber betraten das Haus, dessen Haupteingang in einen ziemlich großen, einfach, aber wohnlich ausgestatteten Raum führte, der von den Bewohnern der Farm als Speisesaal benutzt wurde.
„Sie sehen mich ungewöhnlich erfreut, Sie in meinem bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen," bemerkte Martinos, während er mit einer Handbewegung den jungen Mann einlud, an dem in Der Mitte stehenden, zum Abendbrot gedeckten Tisch Platz zu nehmen, „ich hoffe Sie werden nicht daran denken, mich sobald wieder zu verlassen, nachdem ich Ihnen mitteilte, um was es sich handelt, Senhor! Sie sehen mich in einer gewissen Aufregung; ich habe nämlich eine einzige Tochter, namens
Serena, kaum siebzehnjährig, seit früher Kindheit mutterlose Waise, das arme Dine-
— die liegt seit heute morgen in heftigem Fieber, so daß ich ernstlich um ihr Leber besorgt bin. Sie kränkelt schon seit mehreren Wochen an dem bösen Sumpffieber einer Krankheit, die sich von Zeit zu M in dieser feuchten Gegend bemerkbar macht.«
Und kein Doktor ist irgendwo in der Nähe?" fragte Alvaro teilnehmend.
„Nein, das ist's eben," antwortet! Martinos in seiner schnellen Sprechweise, mit oer Beweglichkeit des südlichen Temperaments, „es giebt wohl einen in Santa Anna, fünf Meilen von hier, aber du lieber Himmel, er ist auch darnach; so ein Mensch, der das Rezeptbuch seines verstorbenen Vaters durchgelesen, und daraus hin Vieh und Menschen kuriert, daß es eine Art hat. Nein, nein, einem solchen vertraue ich mein Kind nimmermehr an, da wollen wir doch lieber der gütigen Natur ihren Willen lassen! Also Sie bleiben Senhor Doktor, es hat mit Ihrer Reise doch hoffentlich nicht so große Eile?"
„Nein," bemerkte Alvaro, indem er mit der weißen Hand den kleinen Schnurrbart von der Lippe strich. „Ich komme von der Universität und wollte nach Vale rico, meine arme alte Mutter dort zu besuchen; von da gehe ich später nach Vom Jesus, wo mein Onkel, in dessen Hause ich erzogen bin. gestorben ist; er hat mich in seinem Testament zum einzigen Erben seines sehr bedeutenden Vermögens eingesetzt, bei dem Akte der Eröffnung muß ich gegenwärtig sein."
„Sie glücklicher," sagte Martinos, und sein leuchtender Blick ruhte mit sichtbarem Wohlgefallen auf der sympatischen Gestalt des jungen Arztes, „da steht Ihnen ja die Welt nach allen Seiten offen! Jung, hübsch, reich, liebenswürdig und gelehrt
— was will man mehr? da wundert's mich, daß Sie bei alledem so ernst drein- schauen, Senhor."
(Fortsetzung folgt.)
Wülfer.
Ich bin ein stachlicher Geselle Und doch kein Igel noch Stachelschwein, Auf deinem Kopf geh' ich spazieren, Dann komm ich wieder in dunklen Schrein, Schwarz, weiß, gelb und in andern Farben Und groß und klein und dick und dünn, Ich werde überall gefunden Und Niemand ich entbehrlich bin.
Wenn unser Freund in seiner Brust Sich fühlet etwas schuldbewußt: wer wollt' ihm nicht verzeihen? verspricht er doch, daß er gar bald Im neu verjüngten schwarzen Wald woll' Herz und Sinn erfreuen.
Daß Crailsheim wenig Muße bringt,
Ihm, der so gern in Versen singt, wir wollen es ja glauben;
Denn Liederkranz und Reichstagswahl, Konzerte, große Schülerzahl Thun ihm die Freizeit rauben.
weilt er einmal im grünen Tann Des Lnzthals, sicher schlägt er dann Der Leier zarte Saiten,
Setzt ans Klavier sich ohn' Verdruß Und singt, uns allen zum Genuß, von Lenz und sel'gen Zeiten. ^
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.