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Straßburg abgegangen. Die älteren Mannschaften , die zu Verstärkung des achten Jnfanterie-Regements Nr. 136 ans dessen etatsmäßige Höhe dienen sollen, kamen gestern Nachmittag aus der Ulmer und Weingartener Garnison hier durch.
.-. Neuenbürg. Wie wir hören, soll dem Amtsversammlungsausschuß in seiner nächsten Sitzung am 10. d. M. der Antrag vorgelegt werden, sobald als möglich eine Amtsversammlung einzuberufen, für welche unter Anderem eine Besprechung des Gemeindeangehörigkeitsgesetzes vom 16. Juni d. I. und der Hierwegen von den Gemeindekollegien zu fassenden Beschlüsse auf die Tagesordnung gesetzt werden soll. Alle Ortsvorsteher werden es gewiß mit Freuden begrüßen, wenn diesem Antag vom Amtsversammlungsausschuß Folge gegeben werden wird.
Heilbronn, 5. Nov. Dem Turnrat der hies. Turngemeinde ist es bei einer Zusammenkunft mit dem Wanderturnlehrer und Kraftturner Hrn. Ernst Bohlig aus Newyork gelungen, denselben zu einem Vortrag mit Demonstrationen zu gewinnen. Wie wir hören, ist derselbe bereit, am Freitag abend den 13. Nov. im Falkensaal aufzutreten. Das außerordentliche Aufsehen, welches Hr. Bohlig in militärischen, medizinischen Künstlerkreisen, auf Univer. sitäten und höheren Unterrichtsschulen, bei Turnern, sowie bei dem ganzen Publikum durch seine gediegenen Ausführungen über Lebensweise und Kraftentwicklung, wie durch seine herkulische Muskulatur und unglaublichen Kraftleistungen überall hervorgerufen hat, wird auch hier ein großes Auditorium herbeiziehen, umsomehr, als Hr. Bohlig nur einmal auftritt.
Seit 1. Nov. verkehrt zwischen Liebenzell und Pforzheim hin und zurück ein besonders für Arbeiter bestimmter Zug und schon seit 1. April d. I. werden für die fahrplanmäßigen Züge vor 9 Uhr morgens und nach 5 Uhr abends besondere Arbeiterfahrkarten zu sehr billigem Preis (10 pr. km. hin und zurück für sechs Fahrten) ausgegeben.
Ausland.
Aus Petersburg wird ein ernster Schritt der russischen Regierung zur bulgarischen Frage gemeldet. Kaiser Alexander hat nämlich den Befehl erteilt, den Fürsten Alexander von Bulgarien in sämtlichen russischen Armeelisten, in welchen er als Generallieutenant a In suite geführt wurde, zu streichen.
Nicht nur in Schweden, auch in Italien hat der Winter bereits seinen Einzug gehalten. Aus Ankona wird unterm 30. Oktober gemeldet: Seit gestern ist hier völliger Winter; Es weht ein eisig kalter Wind und seit heute Morgen sind alle Hügel um die Stadt herum mit Schnee bedeckt. Aus Florenz wird ebenfalls über außerordentliche Kälte berichtet, was man dem Schnee zuschreibt, welcher alle umliegenden Berge bedeckt.
MisMeii.
Die Irau Doktorin.
(Ein häusliches Bildchen von Karl Müller.)
(Fortsetzung.)
Es war Abend. Die schrägen Strahlen der scheidenden Sonne schielten über die Berghänge herunter und küßten das wunderholde Köpfchen der kleinen Frau, die an ihrem Nähtischchen saß. Goldener Glanz ruhte auf dem reichen Haar. Da trat ein stämmiger, untersetzter Man» derben Schrittes in die Wohnstube. Frau Henne hörte ihn jedoch nicht, denn sie saß in diesem Augenblick in tiefe Gedanken versunken. Er trat zu ihr heran, legte seine Hand auf ihre Schulter und sprach mit einer angenehmen, heitern, sonoren Stimme: „Heda, guten Abend, Julie! Hollah! wach auf;"
— „Ah, Du bist es, Jakob!" rief sie zusammenschrcckend, fuhr auf und küßte ihn. „Ich hörte Dich gar nicht, und Du hast mich ordentlich erschreckt!"
Der Doktor gab ihr den Kuß mit Zinsen heim, denn er war ein Mann von Gefühl, und sagte: „Ich glaube, Du hast Dich in den Schlaf gearbeitet, nicht wahr? Und Du da droben, sei Du nur stille — Dich Hab' ich nicht um Deine Meinung gefragt!" wandte er sich an den Kanarienvogel, der ein schmetterndes Liedchen angestimmt hatte, als wollte er ihnen seine Teilnahme zu erkennen geben und ebenfalls einen Anteil an ihren Liebkosungen heischen. „Schweig' nur Du gelber Schreihals!" sagte der Doktor und pochte an die glänzenden Stäbe des kleinen Bauers. — „Und sieh' da, welche schönen Blumen!" fuhr er fort und deutete auf ein prächtiges Bouquet, das in einer Glasvase vor Julien auf dem Nähtischchen stund; „das sind keine Blumen aus unserm Gärtchen!"
„O nein! mein Schatz! Herr Harten- stern brachte mir heute diesen Strauß," entgegnete Julie. „Aber wie kalt Deine Hände sind, mein Lieber! es muß ein wahrer Winterwind gehen!"
— „Ja, es bläst tüchtig aus Nordwest," sagte Henne einsilbig.
„Herr Hartenstein meinte ebenfalls, es werde nun rauh und unfreundlich bei uns," fuhr Julie fort.
Ward des Doktors Stirne plötzlich verdüstert oder war es nur Folge des rasch schwindenden Abendlichtes, daß Henne so ernst erschien? — „Ist Niemand hier gewesen?" fragte er kurz.
„Niemand als Herr Hartenstern, der Dich besuchen wollte."
Hatte die kleine Frau Doktorin eine Ahnung davon, daß sie denselben Namen schier in einem Atem dreimal genannt hatte? Wenn auch sie es nicht gemerkt hatte, so war es doch dem Doktor nicht entgangen — er wandte sich ab und schien noch weniger freundlich als zuvor. — „Er wußte, daß ich nicht zu Hause war," murmelte er vor sich hin; „er sah mich über Land gehen. — Stille, Du kleiner Schmetterer!" rief er laut dem Vogel zu und schlug so stark an die Stäbe des Bauers, daß der Kanarienvogel erschrocken und verdutzt erschien. Die Doktorin nahm ihre Arbeit wieder auf — eine leichte Röte flog über
ihre Wangen und sie fragte teilnehmend: „Was giebt es denn Neues, Jakob?"
— „Nicht eben viel," entgegnete er lebhaft, froh, dem Gespräch eine andere Wendung geben zu können; — „die alte Müllerin hinter St. Anna liegt am Fieber darnieder; ich habe sie besucht, aber ich fürchte, sie übersteht den Anfall nicht. Der Kaplan ist ebenfalls krank, hat eine Halsentzündung, will aber meiner Weisung nicht folgen. Hab' ihm Predigt und Messelesen und Kinderlehre verboten, und er läßt sich's doch nicht wehren, — muß ihn morgen tüchtig dafür abkanzeln."
Die Doktorin gab keine Antwort — wahrscheinlich hörte sie kein Wort davon, denn sie war noch in Gedanken. Der Doktor zog die Stirn noch krauser. Sein Gesicht war nicht schön, aber es hatte einen ehrlichen, biderben, gesunden Ausdruck und lachte Einem in's Herz hinein, wann er glücklich war. Zum Zeitvertreib fuhr er sich jetzt mit der Hand durch das eisengraue Haar.
„Berner der Schiffmann ist ganz übel auf," fuhr der Doktor fort; „ich fürchte, er besteigt niemals wieder sein Schiffchen. Der arme Mann hält sich aber wacker; stille und ergeben trägt er sein Schicksal, und ist so gefaßt, so dankbar für jede Handreichung. Sein Weib jedoch dünkt mich eine harte, rohe Person; sagt ihm in's Gesicht, wie sie ihn verstört finde und kaum glaube, daß er die Nacht überleben werde. Das ist sehr unrecht von ihr, und ich fürchte, sie liebt ihren Mann nicht."
(Fortsetzung folgt.)
(Eine tragikomische Begebenheit.) In einer uns gut bekannten Oberamtsstadt des württ. Schwarzwaldes wurden mählig zahlreiche Bewohner durch ein keuchendes Geächze, welches sich allabendlich wiederholte, aufmerksam gemacht und teilweise nicht wenig dadurch beunruhigt. Dieses fürchterliche „Pfauchen," gar bald hätten abergläubische Leute es für böse Geister gehalten. Scharen versammelten sich an bestimmten Plätzen, wo man es am besten zu hören glaubte; die wunderlichsten Vermutungen zirkulierten; ja die Panik ging soweit, daß selbst sonst beherzte Frauen nur mit bangem Grauen die Nacht erwarteten, war es doch gerade um die Zeit der „Kirchweihe," wo das Kuchenbacken manch' wackere Hausfrau die Nacht hindurch beschäftigte. Fortwährend dasselbe schauderhafte blasende Geräusch, das man sich nicht erklären konnte. Endlich vereinigten sich ein paar Abenteuerlustige, der Sache auf den Grund zu gehen und wirklich gelang es ihnen denn auch, Dank ihrer kühnen Energie, mit der sie ihren Argonautenzug fortsetzten, die Attentäter in einigen — harmlosen Eulen — die „da droben" tief verborgen hausten, zu wittern. Sofort beschloß man, diesen schrecklichen Ruhestörern in den nächsten Tagen den Garaus zu machen. Zwei handfeste Männer unterzogen sich, thaten- durstig wie sie waren, dieser Aufgabe; die sie auch glücklich gelöst, denn nach angestrengtem Spüren fiel unter wuchtigem Schlage ein schönes junges Exemplar eines Waldkauzes — bald soll es als denkwürdige Trophäe das Zimmer des einen der Helden zieren.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.