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Jörg! Jörg!" Ein letzter Versuch gelingt dem Entkräfteten, er erhebt sich, wankt bis zur Einbruchsstclle uud einmal, zweimal, dreimal schlägt er mit aller Kraft die Haue in das Gestein und stürzt besinnungslos zusammen.
Vorsichtige Schläge durchbrechen die dünne Wand. Leise pfeifend dringt ein frischer Luftstrom durch die kleine Oeffnung, welche von emsigen Händen schnell und doch behutsam erweitert wird. Dann stiegen die Männer ein, schweißtriefend, starre Spannung in jedem Antlitz.
Der mitgekommene Arzt war der Erste, der sich über den Verunglückten beugte. „Er lebt noch!" lautete das Resultat seiner kurzen Untersuchung. „Gott sei gelobt!" erwiderte der Untersteigcr, ein kräftiger Mann mit ernsten wohlwollenden Gesichtszügen, „der arme Junge! aber ich kenn' Eine, die jetzt übler daran ist, als er. Vorwärts, Leute!"
Schweigend hoben die Arbeiter ihren Kameraden auf und traten mit der Last den Rückweg an. Im luftdurchströmten geräumigen Stollen hielten die Träger in Folge Weisung des Arztes, welcher hier die erste Hilfeleistung versuchte. Unter seiner Bemühung schlug Jörg die Augen auf und starrte die Umstehenden mit trübem, glanzlosem Blicke an. Die teilnehmenden Fragen des Doktors blieben ohne Eindruck auf den Unglücklichen. „Ich weiß die richtige Arznei für ihn," rief der Unter- stciger und beugte sich über Jörg. „Willst Du uns jetzt unter den Händen wegsterbcn
— fragte er ihn leise und ängstlich — wo oben mein Mädel auf uns wartet und sich die Augen ausweint, Deinethalben?" Der Blick des Kranken veränderte sich nicht; nichts ließ vermuten, daß er den ihm wohl- bekannten Vater der Geliebten erkannt hätte. „Er ist wahnsinnig geworden!" flüsterten die Bergleute. Der Untersteiger wischte sich heimlich eine Thräne von den Wimpern. „Hinauf, hinauf!" drängte der Arzt.
Als oben in der Einfahrtshalle das Zeichen zur Tagfahrt vernommen wurde, und die Maschine ihre Bewegung begann, langsam und vorsichtig, wie es üblich ist bei Transporten von Kranken oder Verwundeten, da beugte sich manches teilnahmsvolle Gesicht über die Schachtöfsnung und der Schichtmeister mußte strenge Ordnung schaffen, um neues Unglück zu verhüten. Einige Schritte entfernt aber von den Bergleuten stand ein Mädchen
— des Untersteigers Töchterlein. Sie weinte nicht und klagte nicht und sah mit geöffneten Augen auf die Stelle, wo die Angefahrenen zum Vorschein kommen mußten. Und als die Maschine nun stille stand und sie den bleichen Mann heraushoben und auf die bereit gehaltene Tragbahre legten, stürtzte das Mädchen vor der Bahre auf die Knie und umarmte, in lautes Weinen ausbrechend, den Körper des Geliebten.
Der Arzt wehrte ihr. Nur vollkommene Ruhe und aufmerksame Pflege könnten den Kranken retten, meinte er. „Und in meinem Hause soll er mit Gottes Hilfe genesen!" setzte der Untersteigcr hinzu. Ein dankbarer Blick aus den thränenvollen Augen seiner Tochter belohnte ihn dafür.
Die Umstehenden murmelten erstaunt Nun sie dein Mitleid seinen Teil gegeben hatten, beanspruchten Neugier und Klatschsucht den ihrigen, und noch denselben Abend wußte man in jedem Hause der Kolonie, daß der Untersteiger für seine Tochter einen Bräutigam „knapp von der Ewigkeit her" weggeholt habe.
Langsam bewegte sich der Zug mit dem Verunglückten thalab. Des Untersteigers Frau hatte trotz aller Sorge, die ihr die Verzweiflung der Tochter und die Abwesenheit des Gatten bereitete, Alles gethan, um das heilige Fest, das heute gefeiert wurde, nicht zu verkümmern. Da stand der Weihnachtsbaum und auch das Tischchen fehlte nicht mit den mannigfachen Geschenken.
Aber es war eine traurige Weihnacht. Und es war eiue traurige Zeit noch Wochen nachher. Endlich siegten die Kräfte des schwer Erkrankten. Langsam erfuhr er das Borgefallene: Wie er nach dem Einsturz nur 36 Stunden in der furchtbaren Grube lebendig begraben zugcbracht, gleichwohl aber durch Luft- und Wassermangel gepeinigt, hart daran war, zu sterben. Wie es der Einsicht und der Thatkraft des Untersteigers, den außer der Pflicht noch der Jammer seiner Tochter trieb, gelungen war, ihn zu retten; wie ihn Jlka schon lange liebte und gerade damals zum vollen Bewußtsein ihrer Neigung gekommen war, als sie ihm lachend entlief.
Der gute Jörg! Gönnen wir ihm die frohe Zeit, die nun für ihn anbrach.-
Und als das heilige Fest das nächste Jahr wicderkehrte, „glitzerten die Lichter eines Weihnachtsbaumes in warmer, traulicher Stube. Farbige Ketten, goldene Sonnen und Sternchen schmückten die Aeste. Und da war auch ein weißes Tischchen mit Geschenken, wie sie die Liebe erdenkt und manchmal auch die schlaue häusliche Sorge. Und steht er nicht selbst, er, der leibhaftige Jörg, inmitten all' der Herrlichkeit und hält sein geliebtes Weibchen im Arm? Wie es aufschaut zu ihm mit den dunklen, leuchtenden Augen! Jst's nicht Jlka, des Unterstcigers Töchterlein?" Und diesmal ist's kein Fiebertraum, be- seeligende Wirklichkeit.
Gut Heil! Glücklicher Jörg!
Die Hände.
(Fortsetzung.)
Wie anders dagegen die Hand eines nervös beanlagten, in seinen Stimmungen ewig wechselnden Menschen! Für ihn sind die Finger ein willkommenes Ansströmen seiner innerlich erregten Fibern, und so wird man ihn seine Hände selten lange in unveränderter Lage halten sehen. Bald mit diesem, bald mit jenem Gegenstand spielend, dokumentieren sie die innere Ratlosigkeit ihres Eigentümers und werden in den meisten Fällen, wie dieser selbst, ein mageres, krankhaftes Aussehen zeigen.
Die Hand bleibt unter allen Umständen ein getreues Abbild ihres Herrn und offenbart uns, ohne es zu wollen, ein gutes Teil seiner vielleicht streng gehüteten Geheimnisse. So z. B. vermag sie uns kund zu thun, ob derselbe ein arbeitsames Leben führen muß, und inwiefern dasselbe mehr seine moralische oder physische Kraft in
Anspruch nimmt; auch verrät sie dem Beschauer, ob und in welchem Grade der Betreffende einen Wert auf seine äußere Erscheinung legt, denn man muß wissen, es besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen der einfachen Behandlung einer Hand durch Mandelseife und Nagelbürste und — der raffinierten Beihilfe von oraine cko rose, Citronensaft oder gar den bewußten zehn Qelnüpfchen des eleganten, sagen wir „jüngsten Lieutenants!" Ferne sei es indessen von mir, demselben in irgend einer Weise zu nahe treten zu wollen, denn oft genug haben ja die im Frieden so schön und weiß gepflegten Hände es hinterdrein bewiesen, daß auch solche Behandlung nicht demoralisierend auf ihre Thatkraft wirken konnte, sondern auch die alte Energie in ihrem ungeschwächten Maße erhalten blieb!
Wie die Menschen verschieden sind, so sind auch ihre Hände. Da findet man kleine und große, ordentliche und unordentliche, klug aussehende (!) und dumm aussehende (!), Hände mit langen und Hände mit kurzen Nägeln. Unter den ersteren hat bisweilen die Mode cs gewollt, daß der kleine Finger noch um eines Centi- meters Nagellänge vor seinen übrigen Kameraden auszeichnete, warum, das ist mir niemals so recht klar geworden, es müßte denn eine Erinnerung an Struwelpeter gewesen sein!
(Schluß folgt.)
(Vorsicht mit Milch, Rahm, Butter.) Diese Stoffe nehmen nach der Fundgrube erfahrungsgemäß alle üblen Gerüche, Ausdünstungen und epidemischen Krankheitskeime die in der Lust verbreitet sind, in sich auf. Es ist in letzterer Beziehung auch nachgewiesen, daß durch die Milch selbst Diphterie, Typhus, Blattern rc. weiter verbreitet worden sind. Daraus geht hervor, daß alle Milchprodukte nicht nur in gesundheitlicher Beziehung, sondern auch in Bezug auf ihre Qualität nicht sorgfältig genug von schlechter Luft und üblen Gerüchen bewahrt werden können. Der Verkauf von Milchprodukten aus Häusern, in denen epidemische Krankheiten, und aus Ställen, wo derartige Seuchen herrschen, sollte gesetzlich verboten sein.
(Gegen Engbrüstigkeit und andere Brust- leiden.j Wenn man eine handvoll Wachholderbeeren mit einem Maß Wasser bis zur Hälfte eiukocht, abseiht und den Trank mit Kandiszucker (braunem Zucker) versüßt trinkt, so hat man ein bedeutendes Erlcichterungsmittel bei allen Brustleiden.
Frankfurter Course vom 15. Febr. 1885.
Geldsorten.
20-Frankenstücke.16 17 21
Englische Souvereigns . ... 20 37 42
Ruß, Imperiales . .... 16 70 75
Dukaten. 9 57 62
Dollars in Gold.4 17 21
Goldkurs der K. Staatskassenverwaltung
vom 15. Februar 1885. 20-Frankenstücke: . . . 16 vlL 14
Bestellungen auf den KnzMker
können täglich bei alle» Postämtern gemacht werden.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.