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Wissen Sie das alles nicht mehr? Als Sie am andern Mittag wieder kamen und die frühere Zeche zahlten und wie so ein rechter Prahlhans an die vollen Taschen schlugen, da gab ich Ihnen in meiner Thorheit die Uhr zurück! Am folgenden Morgen aber war das Vöglein richtig ausgeflogen und hatte die neue Zeche zu zahlen vergessen."
Sturm stand diesen Anschuldigungen gegenüber, welche ihm der Hausknecht mit blitzenden Augen in das Gesicht schleuderte, wie betäubt da. Er hatte kein Wort der Erwiderung mehr.
Ich selbst war über die seltsamen Enthüllungen des heutigen Tages ebenso erstaunt, als betroffen. Daran, daß Sturm diese Schwindelei in Marderstein wirklich begangen hatte, konnte nach den Aussagen des Hausknechtes und des Wirtes, sowie nach dem schweigenden, aber um so beredtem Zeugnis seiner Frau nach meiner Ansicht kein Zweifel sein. Hierin nun lag zwar kein Vergehen, welches sich dem Meineide irgendwie ebenbürtig an die Seite stellen durfte, allein gleichwohl waren die Schlußfolgerungen für Sturm höchst bedenklicher Art. Ich gehöre wahrlich nicht zu den äußerst klugen Leuten, welche aus der Entwendung eines Arm voll dürren Holzes oder aus der Erlegung eines Hasen die psychologische Befähigung des Angeklagten zu Mord, Brandstiftung, vielleicht sogar zu Hochverrat zu entnehmen wissen. Doch giebt es immerhin gewisse verwandte Rubriken von Verbrechen, welche solche Schlüsse wohl gestatten. Eine solche Beziehung existiert nach meiner Ansicht zwischen Betrug und Meineid. Freilich hatte der Angeklagte jener wichtigem Anschuldigung gegenüber feierlich und in fest überzeugender Weise seine Unschuld beteuert, aber wußte nicht oer Angeklagte auch jetzt mit einigem theatralischen Geschick seinem frechen Leugnen den Schein unschuldsvoller Entrüstung zu geben? Es war kein Zweifel, daß meine Menschenkenntnis diesmal auf bedenklichen Irrwegen gewandelt war. Dieser saubere Herr Sturm war vielleicht schon zu der Zeit, als ich ihn wie einen jüngern Freund wegen seiner vermeintlichen Treuherzigkeit warm im Herzen hegte, nichts als ein gleißnerischer Gauner, der einstweilen nur uneigennützig seine Verstellungskünste dem Polizeibeamten gegenüber übte, um sie nach Erledigung dieses guten Schulkursus im Leben praktisch zu verwerten.
Ich mochte nunmehr meine Empfindungen auch dem Gefangenen gegenüber nicht mehr verhehlen, sondern forderte ihn in dem kältesten, geschäftlichen Tone auf, mit mir nach dem Zimmer der übrigen Gefangenen hinaufzugehen, während ich gleichzeitig unfern Kutscher anwies, die Pferde zur Weiterfahrt anzuschirren, sobald das Mittagessen verzehrt sein würde.
Sturm sah mich darauf mit großen Augen an. Er versuchte offenbar in meinen Mienen zu lesen, erhob sich aber dann, als ihm das ungünstige Resultat klar war, lautlos von seinem Sitze und schritt vor mir her nach der Thür.
Hier aber stellten sich ihm die braven Wirtsleute entgegen und hielten ihn auf.
„Der Vorfall thut mir schmerzlich leid,"
sprach der Wirt. „Hätte ich ahnen können — —"
„Ja, das kommt davon, daß Du niemals auf meine Winke achtest, Josef," unterbrach ihn seine Frau vorwurfsvoll. „Ohne seinen Mut wäre unser Lieschen jetzt eine Leiche. Herr Gott, wenn ich an das Unglück denke. Zum Dank dafür hast Du die Lage des armen Menschen, der schon vorher nicht zu beneiden war, noch verschlimmert. Was kam auf die paar Thaler an? Ich hätte sie ihm von Herzen gegönnt nnd gern aus Dankbarkeit noch zehnmal so viel zugelegt."
„Aber, sei doch nicht so ungerecht, Frau," entschuldigte sich Reinhardt. „Ich bin ja Deiner Meinung. Ich könnte mich selbst dafür maulschellieren, daß ich es dahin gebracht habe. Nicht wahr, Sie wenigstens glauben mir, Herr, daß mir der Vorfall leid thut. Nicht wahr?"
Dabei streckte er dem Gefangenen die Hand entgegen; dieser machte aber nicht im mindesten Miene sie zu ergreifen. Er gab auch durchaus keine Antwort, sondern blickte den Wirt nur durchdringend an. —
„Sie sollen nicht im Zorne von mir scheiden, Herr, sondern meinen Worten glauben und mir verzeihen," fuhr der Gastwirt mit weicher Stimme fort. „Sagen Sie mal selbst, tragen Sie nicht ein wenig die Schuld an dem heutigen Unglück? Warum in des Himmels Namen haben Sie sich wieder einen solchen Bart angeschafft, an welchem Sie jedes Kind erkennen muß?"
„Wieder angeschafft?" fragte ich aufmerksam. „Was heißt das? Haben Sie eine Zeit lang keinen Bart getragen, Herr Sturm?"
„Ich trage diesen Bart seit mindestens zwei Jahren," entgegnete er.
„Nun, was soll denn die Aeußerung unseres Wirtes bedeuten?"
„Weiß ichs? Vielleicht möchte mir der gute Herr aus purer Dankbarkeit noch ein weiteres Schelmenstücklein aufbürden, das mit einem Barte zusammenhängt."
(Fortsetzung folgt.)
Der Wursthannes in der Klemme.
(Schluß.)
Heute aber lautete es anders. Der Hannes zog zu seinen Unternehmungen stets seine dünnsten Sommerhosen an, man konnte am besten darin laufen, und der Landjäger Christian war der stärkste Mann im ganzen Amtsbezirk. Nach seinem Gefühl schätzte der Hannes die eine vom Christian so hoch als ein Dutzend vom Amtsbott.
„Na, Hannes," sagte der Wachtmeister, „sei jetzt vernünftig und komme heraus."
„Soll ich oder soll ich nicht?" dachte der Hannes. „Ich riskire noch Eine, vielleicht war die erste nur ein Schreckschuß."
„Nein" , rief er laut, „ich lege Verwahrung ein, es ist gegen das Völkerrecht und ich werde. . . ."
Weiter kam der Hannes nicht mit seiner Verwahrung, denn schon pfiff der zweite Peitschenhieb durch die Luft und dem Schlage folgte ein förmliches Gebrüll, denn gegen diesen zweiten war die erste nur ein Versucherle gewesen.
„Halt, Halt! Gnade, Gnade!" schrie ! der Hannes und schob seine hessische Hälfte zum Backofen hinaus. Sein Gerechtigkeitsgefühl sagte ihm, daß er so schlagenden Gründen sich nicht widersetzen dürfe.
„Da bin ich, Herr Wachtmeister. Lieber fünfzig vom Amtsbott, als nur eine vom Herrn Christian."
„So, Alterle," lachte der Wachtmeister und faßte den Hannes am Kragen; jetzt bist Du wieder im Badischen und jetzt Marsch mit Dir nach Mosbach."
„O, lieber Herr Wachtmeister," jammerte der Hannes und rieb sich den mißhandelten Körperteil, lassen Sie mich nur zehn Minuten auf einen kühlen Sandhaufen sitzen, dort vor der Thür ist einer. Vielleicht haben Sie auch einen Schnaps!?"
Der Hannes hat schon längst seine letzte Wurst gestohlen und ist begraben; auch die Prügelstrafe ist längst abgeschafft, aber der merkwürdige Backofen steht noch und ist die badisch-hessische Grenze noch gerade so verrückt wie damals. Es wäre endlich einmal an der Zeit, daß die verrückte Grenze verrückt würde.
(Eine leichte und dankbare Rolle.) „Zehn Flaschen Champagner dem, der die Stimme eines Thieres am treffendsten nachahmt!" ruft Einer in einer Gesellschaft lustiger Brüder. „Angenommen!" tönt es von allen Seiten, und bald hört man wiehern und grunzen, grähen und pfeifen. Da tritt der Letzte vor, stellt sich in den Kreis und — schweigt. Lautlose Stille. Nach fünf Minuten sagt endlich der Stumme: „So, das war ein Fisch!" Und richtig hat er die Wette gewonnen.
(Kurz und bündig.) Sie: „Schicke mir sofort 200 Mk., um die Schneiderin zu zahlen. Deine Anna.
k. 8. Bald hätte ich vergessen, Dir einen Kuß zu senden.
Er: „Sende Dir einen Kuß. Arthur, k. 8. Bald hätte ich vergessen, Dir zu sagen, daß ich Dir die 200 Mk. nicht senden kann."
(Böse Replik.) Ein Engländer erzählte stolz einem Indianer, daß die Sonne in den Besitzungen seiner Königin nicht unlergehe. „Kannst Du Dir denken warum nicht?" fragte zum Schluß der Britte — „Weil Gott sich hütet, in der Dunkelheit einem Engländer zu trauen," war die Antwort.
(Begründete Besorgnis.) Junge: „Herr Borjermäster, 's brennt im Ort, de Spritz soll raus!" — Schulze: „Was, isses noch nit genug Unglück, wanns brennt, soll die Spritz aach noch ruiniert wer'n?"
W ä t f e c.
Verloren ist alles, was ich kann erreichen, Stürz' ich vom Berge mit Donnergebraus; Vertauschest Du aber die ersten Zeichen, So wird ein Frauenname daraus.
k. zv.
Bestellungen auf den Knzlhäler können täglich bei allen Postämtern gemacht werden.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.