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noch deutlich genug. „Wenn ich das gewußt hätte-Hätte es dem Burschen
freilich nimmer zugetraut. Aber wenn es so ist — so kommt freilich auf die paar Thaler nichts an."
„Wollen unfern Streit beigelegt lassen, mein Herr!" sprach er alsdann laut zu Sturm gewendet und mit einem außerordentlich schlauen Seitenblick aus meine Polizeiuniform. „Kann doch wohl sein, daß ich mich irre. Geben Sie mir die Hand und seien Sie nicht böse auf mich."
„Nein, ich gebe Ihnen die Hand nicht, bis ich in dieser Angelegenheit klar sehe," entgegnete Sturm entschlossen. „Sie haben hier Worte gesprochen, die ich nicht uncrörtert lassen darf, obwohl ich nur ein Angeklagter bin."
„Auch ich muß bitten, daß Sie sich näher erklären, Herr Wirt," fügte ich hinzu.
„Ach, lassen wir diese Geschichte aus sich beruhen. Die Sache ist durchaus nicht von Bedeutung!" wehrte der Wirt ab. —
„Nein, wir müssen erfahren — —"
„Herr Gott, es ist am Ende nur ein Scherz gewesen; denn ein Mensch, der mich betrügen will, setzt doch wahrlich nicht sein Leben ein, um mein Kind zu retten.
Damit wollte der Wirt sich rasch entfernen. Ich aber durfte dies jetzt nicht dulden.
„Ich kann es nur erklärlich finden, wenn Sie den Gefangenen schonen," sprach ich. „Aber Sie dürfen dennoch nicht hinter dem Berge halten, sondern müssen uns wohl oder übel reinen Wein einschenken, Herr Reinhardt. Sie haben bereits zu viel gesprochen, als daß ich die Sache mit Stillschweigen übergehen dürfte. Ich bin Polizeibeamter. Mir liegt die Pflicht ob, diesen eines schweren Verbrechens angeklagten Herrn nach Lindheim zu transportieren. So gern ich nun auch die heutige kühne That des Gefangenen, welcher wir die Rettung mehrerer Menschenleben zu danken haben, vor dem Richter zu Gunsten des Angeklagten geltend machen will, so darf ich doch auch die neue Anschuldigung nicht überhören, gleichviel welche Folgen sich hieran knüpfen. Also heraus mit der Sprache, Herr Wirt. Durch Verschweigen der Wahrheit würden Sie dem Angeklagten nichts nützen, das versichere ich Ihnen feierlich. Warum blicken Sie den Gefangenen so erstaunt an?" —
„Ich muß mir doch den Herrn genau betrachten, daß ich ihm kein Unrecht thue," erklärte der Wirt. „Aber es ist leider so, wie ich sage. Nur der Bart, der schöne Bart machte mich ein wenig stutzig. Hm, wunderbar, wahrhaft wunderbar."
„Ist denn ein schöner Bart für Sie ein so wunderbares, nie gesehenes Ding?"
„Nein, nein, das nicht, durchaus nicht," entgegnete der Angeredete verlegen lächelnd, aber immer noch erstaunt. „Es ist aber doch wunderbar — —"
„Was nun?"
„Ei nun, es ist derselbe Bart, dieselbe Haltung, dieselbe Sprache und doch —"
„So reden Sie in des Himmels Namen."
„Wenn ich durchaus die Wahrheit sagen muß — —"
„Ja, diese sagen Sie und zwar so, daß Sie dieselbe nötigenfalls beeidigen können."
„Dann will ich lieber erst meinen Christian herbeirufen. Er mag sagen, ob es derselbe Mensch ist oder nicht. Ich komme nicht zur Klarheit und will doch dem Retter meines Kindes gewiß kein Unrecht thun."
Damit lief der Wirt aus dem Zimmer, um bald darauf mit dem Hausknecht zurückzukehren.
„Nun sag einmal, Christian," hob er an, „ist hier in der Stube außer mir ein Mensch, den Du schon gesehen hast?"
Der Hausknecht sah erst mich, dann den Kaufmann Reinecke, endlich den Angeklagten aufmerksam an. Aber beim ersten Blick, den er auf den letztem warf, leuchtete sein Gesicht auf.
„Ja, das ist meiner Seel der Bursche, Herr Reinhardt," rief er freudig. „Das ist der Betrüger; das ist der Schwindler. Also ist er endlich glücklich erwischt worden? Der Krug geht so lange zu Wasser bis er zerbricht, mein lieber, kluger Herr."
„Sie nennen ihn Schwindler. Was hat er hier begangen?"
„Was er begangen hat? Er hat den Herrn betrogen!"
„Ich muß Sie nochmals dringend um klare Auskunft bitten," fuhr ich zum Wirt gewendet fort. „Hier ist von einem Betrüge die Rede. Das ist ein etwas unklares Wort, das in der landläufigen Anwendung strafbare und nicht strafbare Handlungen zusammenfaßt. Erzählen Sie mir also den Hergang selbst."
Der Wirt zuckte verlegen die Achseln. Man sah recht wohl, daß er nicht gern mit der Sprache Herausrücken mochte. Aber gerade das verfängliche Schweigen schien Sturms Zorn auf das höchste zu steigern.
„Was? Ich hätte betrogen, den Wirt hier betrogen?" warf er an allen Gliedern bebend und mit blitzenden Augen ein.
„Ei nun, wir wollen es nicht gerade Betrug nennen, mein lieber Herr. Nicht jeder, welcher dem Wirte die Zeche schuldig bleibt, ist ein Betrüger. Bewahre Gott! Sonst reichten die Zuchthäuser nicht aus.
(Fortsetzung folgt.)
Der Wursthannes in der Klemme.
(Fortsetzung.)
„Ha, ha, ha," lachte der Hannes, „und ich Hab Lebensmittel auf 14 Tage; der Bauer hat die ganze letzte Backerei noch im Backofen liegen. Braucht's aber nicht, in einer Viertelstunde Hab ich auf der hessischen Seite durchgcbrochen. Da habt Ihr einen Musterstein. „Und zu der Ofcnthür heraus fiel ein Backstein vor die Füße des Wachtmeisters.
„Der Donner schlag drein," fluchte dieser, „der Ofen ist baufällig und der Schuft bricht durch! Heraus mit Dir, Hannes, oder — — —!"
„Ich bin heilig und unverletzlich!" schrie der Hannes und strampelte lustig mit den Beinen. „Nur eine kleine Geduld,
Herr Wachtmeister, gleich ist das Loch groß genug!" Und ein zweiter Stein fiel zum Ofenloch heraus.
„Sie, Herr Wachtmeister," sagte der Feldjäger" und deutete auf die strampelnden Beine, „ist das da auch heilig und unverletzlich?"
„Wahrhaftig, Du hast Recht," rief der Wachtmeister, „der Kerl steckt nur halb im Hessischen, seine andere, für uns ganz besonders wichtige Hälfte, ist noch im Badischen und unter badischer Gerichtsbarkeit. Lauf, Christian und hole in der Scheuer den Geiselstecken, er hängt neben dem Thor am Nagel."
„Herr Wachtmeister," schallte es weniger lustig aus dem Backofen heraus, „Herr Wachtmeister, machet keine Dummheiten. Es kann Euch Euern Dienst kosten. Ich stehe unter dem Schutze der hessischen Regierung."
„Was, stehen," lachte der Wachtmeister, „auf dem Bauche liegst Du, und das ist für meine Absicht gerade die richtige Lage. Ach, da bist Du ja, Christian. Willst Du jetzt herauskommen, Hannes?"
„Nein," schrie dieser. „Ich protestiere!" Und der Hannes machte verzweifelte Anstrengungen, auch seine gefährdete badische Hälfte ins Hessische hinein zu bringen, aber vergebens; schon sauste die Peitsche durch die Luft, und der Hannes stieß einen Schrei aus. Er war sonst nicht sehr weheleidig in der Beziehung. Es waren damals noch die gemütlichen Zeiten der Prügel, wo die jungen Bauernbursche, wenn sie sich am Sonntag privatim durchgeprügelt hatten, gleich am Freitag darauf als Gegenmittel eine Portion amtliche Prügel erhielten. Der Freitag war der Prügeltag fürs ganze Land, und war auch in der Beziehung ein Tag der Kasteiung. Spitzbuben wurden übrigens auch sonst an Wochentagen geprügelt, wenn der Zudrang am Freitag zu groß war. Der Wursthannes hatte wohl schon ein dutzendmal im Amtshofe zu Mosbach seine Fünfundzwanzig aus- gehalten, und keine Miene verzogen. Aber freilich, der alte Amtsbott war keiner von den kräftigsten, und daß der Hannes an seinen Prügeltagen nicht seine dünnsten Hosen angezogen, sondern sich gehörig wattiert hat, wer wollte es ihm verargen? Auf jede fünfundzwanzig einen Schnaps gesetzt und sich selber ein Stündlein auf einen kühlen Sandhaufen, und die Geschichte war versaust.
(Schluß folgt.)
(Abgekochte Fische im Allgemeinen.) Zum Blaukochen dürfen die Fische nicht viel geschuppt und nicht angerührt werden, weshalb man sie im Wasser oder auf einem naß gemachten Brettchen ausnehmen muß. Um das Garsein eines Fisches zu erkennen, steche man ihn hinter die Ohren; wenn er dort weiß und nicht mehr blutig, ist er gar.
(Auch eine Censur.) Vater: Nun, wie spielt meine Tochter jetzt Klavier? Lehrer: Sie spielt Klavier im Schweiße meines Angesichts.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.