200

interessant gemacht, wo man diese Ver­schönerungen lernen konnte.

Die Gouvernante spielte dann die Modistin, Mirza die Herrschaft, welche briefliche Bestellungen machte. Und Mirza schrieb und lernte englisch, weil ihre Pappen mir englisch sprechen wollten durch den Mund der Gouvernante. Und dann machte man miteinander Reisen zum Scherz: nach Paris, nach der Schweiz, nach Indien. Wie viel gab es da zu erzählen von jedem Lande! Die Gouver­nante machte den Cicerone bei den Pa­goden eben so wohl wie am Rigi-Kulm. Und dann gieng man in die Bibliothek und las nach, was man im nächsten Lande sehen sollte in Spanien zum Beispiel, welches am Parkteiche lag wenn morgen schönes Wetter blieb. So kam es, daß die Lehrstunden den ganzen Tag über dauerten und Mirza dennoch triumphirte; Ich lerne nichts!" Die Gouvernante war ihr unentbehrlich geworden. Wenn dieselbe einmal über Kopfschmerzen klagte, schlich Mirza mit gesenktem Haupte durch die Gänge und versprach dem Fräulein, morgen den ganzen Tag über am Piano zu bleiben, wenn sie nur heute noch ge­sund würde!

Fräulein Maria selber war ein selt­sames Wesen mitten in dieser Frühlings­frische. So jung noch, schien sie doch nicht gut lächeln können. Still und un­verändert gieng sie ihren stillen Weg durch das Leben des Schlosses. Sie schien ganz ihrer Mission zu leben. Sie war höflich und freundlich, aber es gab nie einen Augenblick, wo man ihr ansah, daß ihr Herz in Worten aufblühe, oder daß ihre Seele fröhlich sei. Der ernste Zug zwischen ihren Augen verschwand niemals, eben so wenig wie ihre Trauerkleidung. Und doch störte sie nicht das Maienbild. Sie war nicht traurig, sondern nur so seltsam ruhig. Die alte rührige Ver­walterin sagte einmal kopfschüttelnd zu dem alten Förster, wie sie denselben in ihrem Zimmer mit einer Tasse Kaffee be­wirtete:Das muß ich sagen, die Gou­vernante ist mir ein Rätsel. Ich habe schon traurige und habe schon ausgelassene junge Geschöpfe gesehen. Aber noch kein so ruhiges. Man sieht ihr deutlich an, daß sie sich über nichts grämt. Aber man sieht auch nie, daß sie sich über etwas freut. Es ist, als ob sie auf der ganzen Welt nichts hätte. Sie sehnt sich auch uach nichts, das fühlt man. Sie schaut so klar vor sich hin und bleibt so ruhig wie eine steinerne Figur mitten im grünen Buschwerk. Die steinernen Figuren pflegen aber alt zu sein. Und das Mädchen ist so jung. Und sie lebt nur für ihre Schülerin."

Der alte Förster schlürfte sein Schäl­chen, welches fast zu filigran schien für seine derbe, abgearbeitete Hand, und zer­bröckelte dabei ein Butterkipfel.Es ist eben ein nichtssagendes armes Mädchen, welches froh ist, daß sie eine gute Stellung hat. Sie hat vielleicht einmal Not und Elend gekannt. Solche Leute halten sich ganz still, wenn sie im Neste sind und thun ihre Pflicht."

Möglich", sagte die alte warmherzige Verwalterin.Jedenfalls ist sie ein ganz

freundliches Geschöpf, mit einer seltenen Energie. Es ist, als ob sie sich selber niederhalte, Sekunde für Sekunde.

Die Fenster der Zimmer, welche die Frau Verwalterin bewohnte, führten ge­rade ans die Parkeinfahrt hinaus, die zur Tcrrassentreppe führte. Rebengerank, wel­ches jetzt noch dürr war, umwehte die­selben. Pferdehufe knirschten im Sande und der Wagen der Gräfin fuhr vor. Sie wollte in die Stadt, um einige kleine Empletten zu besorgen. Sie kam über die Steintreppe herab, in einem braunen Tuchkleide, einem goldblumigen indischen Shawl und die zimmetfarbigen Haare unter einem hochfedrigen Amazvnenhütchcn hervorflatternd im Maiwinde. Die Ver­walterin eilte ans Fenster und guckte, der Förster neigte sich so über den Kaffec- tisch, daß er bequem an der dicken Frau vorüber Hinausblicken konnte.

Wie die Gräfin im Wagen saß und der Kutscher die Zügel straff in die Faust nahm, und die Pferdehufe im Sande auf­knirschten, fuhr eben ein zweiter Wagen in den Hof. Es war ein Mietwagen von der Bahnstation Aschbach her, drin saß Graf Aquilin, der unerwartet zurückkam von seiner Reise, wie er das liebte. Er war frisch, rosig, die graue Reisebunta drappirte wunderhübsch sein Siegfriedgc- sicht. Er war sechs Wochen ausgewesen. Die beiden Wagen hielten still, wie sie Schlag an Schlag kamen.O, Du zurück, Aquilin!" rief die Gräfin und zeigte lachend die Zähne.

Ja, wie Du siehst."

Und so unerwartet! Das ist schön! Ich fahre nach Reitenburg zur Gräfin Küßnacht. Ich komme zeitig am Abend zurück!"

Schön! Alles Wohl?"

Ja. Und Du siehst prächtig aus! Adieu!"

Die beiden jungen Gatten reichten einander die Hand und der eine Wagen fuhr aus dem Parke, der andere zur Treppe. Dort hatte man schon die An­kunft des Grafen bemerkt und es ertönte die große Glocke für den Bedienten und die kleine für die Domestiken. Puck und Hansi greisten bellend um die Pferde und Mirza stürzte salto mortala die Stufen herab .und schrie:Mademoiselle, sehen Sie doch, Papa kommt, Papa ist da! Papa hat mir etwas mitgebracht!" Die Gvuvernante stand oben beim Ge­länder und schaute herab. Wie Graf Aquilin hinaufblickte, sah er ihr blasses, ruhiges Gesicht mit den schattenvollen Augen auf sich gerichtet. Er grüßte hinauf in seiner höflichen frischen Weise. Oben angekommen, ließ er die Bedienten mit Koffer und Mantelsack an sich vorüber und blieb bei der Gouvernante stehen, die Comtesse an der Hand.Und Sie sind auch wohl gewesen, die Zeit über, mein Fräulein?" fragte er.Und wie sind Sie denn zufrieden mit der Com­tesse? Sie macht Ihnen viel Aerger, nicht wahr?"

Nein, Herr Graf. Comtesse Mirza ist sehr fleißig und brav gewesen."

Nicht möglich!" sagte er, und sein Gesicht rötete sich vor Freude noch mehr.

Aber Mirza, da kriegst Du den schönsten Carton, den ich mitgebracht habe!"

O, Papa, ich weiß eine Menge Neues! Willst Du mich heute Abend ausfragen? Aber lernen thu' ich drum doch nichts.

Comtesse Mirza nennt nämlichlernen" am Lerntische sitzen zu bestimmten Stunden", erklärte die Gouvernante, und ein Lächeln flog über ihr Gesicht.

(Fortsetzung folgt.)

Eine optische Täuschung. Unfern Leserinnen, welche mit der Taille, die ihnen die Natur verliehen, nicht zufrieden sind, sei folgendes zur Beachtung empfohlen. Eine Dame kann sich durch eine unbe­deutende Veränderung in ihrer Kleidung größer und kleiner, als sie in Wirklichkeit ist, erscheinen lassen. Jede Dame erscheint größer als sie ist, wenn sie ein langge­streiftes Kleid trägt, während sie durch ein quer gestreiftes Kleid kleiner wird. Warum? Man weiß zwar nichts Genaues darüber, dennoch erklärt es sich durch eine optische Täuschung, welche leicht zu be­weisen ist. Man ziehe auf einem Blatt Papier zwei vollständig gleiche Quadrate, fülle alsdann vermittelst Lineal, Feder und Tinte das eine Quadrat mit engen, wagrechten Linien an und das andere mit senkrechten. Wenn man alsdann das Papier ein wenig von den Augen entfernt, so wird man sich überzeugen können, daß das mit den senkrechten Linien angcfüllte Qua­drat ein wenig länger erscheint, als das darunterstehende, gleich große aber mit wagrechten Strichen angefüllte. Daher kommt es also, daß ein senkrecht gestreiftes Kleid die Dame, welche dasselbe trägt, größer erscheinen läßt, während ein wag­recht gestreiftes die entgegengesetzte Wirkung hervorbringt.

EinlsdWg M Almnem«!

auf den

Knzthäter

für das zweite Quartal 1884.

Die geehrten Abonnenten sind freund­lichste gebeten, ihre Bestellungen zeitig zu machen, hier bei der Redaktion, auswärts bei den Nächstliegenden Postämtern, um Unterbrechungen möglichst zu vermeiden.

Die Versendung des Enzthälers ge­schieht gemäß des in Württemberg in Wirksamkeit getretenen Gesetzes über das Postwesen, wie nach auswärts so auch im Oberamtsbezirk durch die K. Postanstalten. Die geehrten Leser wollen deßhalb ihre Bestellungen immer unmittelbar bei ihren Postämtern machen, wo solche täglich an­genommen, auch durch die Postboten be­sorgt werden.

Der Preis des Blattes ist in Neuen­bürg vierteljährlich 1lL 10 monatlich 40 ^Z, durch die Post im Oberamtsverkehr vierteljährlich 1^25^Z, monatlich 45 auswärts viertcljährl. 1 45 L, monatlich

50 wie bisher ohne weitere Kosten.

Bekanntmachungen der verschiedensten Art ist durch den Enzthäler unbestritten der beste Erfolg im Bezirk gesichert.

Einrückungspreis die Zeile oder deren Raum 10 bei Redaktionsauskunft Zu­schlag 20

Mchiou A ^«lsg iles AiirtWer.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.