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Waldrennacher Steige hatten sich in voriger Woche an einem Himbeerstrauch zum zweiten Male reise Himbeeren in einer Vollkommenheit, Große und Färbung entwickelt, wie sie im Hochsommer oder in einer Kunstgärtnerei nicht schöner zu treffen waren. — Allerdings hatte der Strauch einigen Schutz gegen die Nachtfröste.
Stuttgart, 27. Nov Kartoffel- und Krautmarkt. Lconhardsplatz: 150 Säcke Kartoffeln a 2 vkL 50 L bis 3 per Ctr. — Marktplatz: 1000 St. Filder- kraut u 8 A bis 12 per 100 Stück.
Schweiz.
Auf dem GenferSee stießen letzten Freitag Abend 2 Schiffe zusammen. In Folge des Sturmes änderten beide, die „Rhone" und der „Cygne" ihren Kurs, was die Katastrophe herbeiführte. Der Cygne fuhr mit voller Dampfkraft ans die Rhone und schnitt sie auseinander. Als die Passagiere der letzteren sahen, daß sie sinke, war es zu spat und nur Einige konnten noch auf den Cygne durch Hiuüber- springeu sich retten, darunter ein Württem- berger, Wagner Strobel aus Göggingen bei Laupheim. Die Zahl der Verunglückten ist 15, darunter Mutter und Schwester des Kapitäns von der Cygne.
Ausland.
Der wirkliche Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen den chinesischen und französischen Truppen ist zwar bis jetzt noch nicht gemeldet, man kann sich aber nach Lage der Sache darauf gefaßt machen, daß der offizielle Krieg in Anam bald seinen Anfang nimmt, wenn nicht noch im letzten Augenblick die diplomatische Intervention der anderen Mächte einen friedlichen Erfolg hat.
Ueber die Vernichtung der egyp- ti sehen Armee in der Nähe von El Obeid verlautet, daß der Mahdi zuerst die Derwische entsandt habe, welche erklärten, daß sie durch göttlichen Beistand siegen würden; später erst griffen die regulären Truppen an. Hicks Pascha theilte seine Armee in zwei Abtheilungen, vereinigte dieselben aber wieder und formirte ein Carrv, welches nach dreitägigem verzweifeltem Kampfe durchbrochen wurde. Die Aufständischen nahmen 36 Krupp'fche Kanonen weg, welche die Egypter mit sich führten. — Die Niederlage, welche Hicks Pascha Anfangs November in El Obeid im ägyptischen Sudan durch den aufrührerischen Propheten Mahdi erlitten, ist ein schwerer Schlag nicht blos für den Khediven Tewfik, sondern auch für England. Auch die „Times" gibt zu, daß die Niederlage im Sudan der Autorität Englands im ganzen Orient einen furchtbaren Schlag versetzen und alle muselmännischen Fanatiker Asiens und Afrikas in Aufregung bringen werde.
Mizellen.
MeineH'Mcht.
Die Geschichte einer Waise wiedererzählt von
Willi Winckler.
(Fortsetzung )
Frau Piermout entließ das kleine Mädchen kurz und hart. Sie war entschlossen, das Kind in die Hände der
Stadtverwaltung zu geben und sie wollte es schnell thun, ehe ihr Mann von einer kleinen Geschäftsreise zurückkehrte, ehe sie selbst weich wurde.
„Ich werde nicht mehr darüber Nachdenken", sagte die Frau zu sich selbst „und nicht mehr mit ihr darüber sprechen. Ich wäre am Ende Gans genug, durch des Kindes blaue Augen und süße Stimme alle meine ökonomische Pläne und vernünftige Ansichten über den Haufen werfen zu lassen."
Außerdem fühlte Frau Piermont, daß Alice einen starken Bertheidiger gehabt haben würde, wenn ihr Mann daheim gewesen wäre — die Männer sind immer so leichtfertig und dumm gntmüthig — und sie wollte auch ihren Kindern von dem Plane nichts sagen.
„Kinder verstehen von solchen Sachen nichts!" meinte sie.
Nein, Gott sei Dank! Kinder wissen nichts von Falschheit, Selbstsucht, kluger Berechnung, darum hat der Weise von Nazareth gesagt: „Werdet wie die Kinder, denn ihrer ist das Himmelreich."
Warum dachte Frau Piermont nicht daran?
Die kleine Alice war sehr glücklich, als sie die Erlaubnis; erhielt, Mama auf ihrem Nachmittagsspaziergang zn begleiten, sie ahnte nichts Böses, selbst dann noch nicht, als Frau Piermont sie in ein ödes Haus führte, dessen Vorplatz sehr verwahrlost aussah.
„Mama", fragte sie, „wer wohnt hier, den wir besuchen wollen? Es sieht hier Alles so finster und traurig aus, im Hof wächst kein Baum, keine Blume, kein Grashalm, nur Scherben, Steine und Holzsplitter liegen herum. Gelt Mama, wir bleiben nicht lange in dem häßlichen Hause?"
Frau Piermont fühlte etwas wie mahnendes Gewissen und Schuld und Reue, aber sie that ja ihre „Pflicht." Sie nahm Alice bei der Hand und betrat mit ihr ein trauriges, kärglich möblirtes Zimmer, wo eine streng aussehende, hagere, nonnen- haft gekleidete ältere Frau bei ihrer Nadelarbeit saß.
„O", dehnte Frau Benkow, nachdem Frau Piermont ihren Namen genannt hatte, „das ist also das Kind?"
„Ja, das ist Alice —", sie unterbrach sich und wurde vor Erregung roth bis zur Stirn — „wir nannten sie immer Alice Piermont; aber natürlich, es muß jetzt ein anderer Name für sie erfunden werden."
(Fortsetzung solgt.)
Anläßlich der Erinnerung an den 30. November und 2. Dezember, die Tage von Villier und Champigny, dürfte es gegenüber den gegenwärtig in Frankreich besonders leidenschaftlich gepflegten, bodeulos lügenhaften Hetzereien, manchem gen. Leser angemessen erscheinen, daran zu erinnern:
Was die Iranzosen von Deutschland gerauöt Haöen,
wozu wir als Quelle das Süddeutsche Sonntagsblatt von 1870 im Auszug benützen.
Frankreichs Uebergriffe begannen 1552, als Metz, Toul, Verdun an Heinrich II. durch Verrath kamen. Damals bildete die Champagne die Grenze von Deutschland. Das Herzogthum Lothringen war die äußerste deutsche Provinz. Die lothringischen Herzoge waren deutsche Vasallen und Reichsfürsten, und bei der Errichtung der Reichskreise von Maximilian wurde ihr Fürstenthum zum oberrheinischen Kreise gerechnet. Seine damaligen Grenzen gingen im Norden an Luxemburg und das Erz- bisthum Trier, gegen Osten an das Elsaß und das Herzogthum Zweibrücken, gegen Süden an die Freigrafschaft, gegen Westen an die Champagne und das Herzogthnm Bar. Die Hauptstadt war Nanzig (Nancy) und in den Bezirk gehörten auch die drei Bisthümer Metz, Toul und Verdun. Diese Städte waren freie deutsche Reichsstädte, die allein die Oberherrschaft des Kaisers und in Rechtssachen die Competenz der kaiserlichen Kammer in Speier anerkannten. Unter ihnen war Metz die bedeutendste; die deutschen Kaiser hielten sich oft da auf, besonders Karl IV., der hier im Jahre 1356 den Reichstag hielt.
Am 13. Mürz 1552 rückten französische Truppen in Lothringen ein und den 13. April hielt der König Heinrich II. in Toul seinen Einzug; dann kam Nanzig an die Reihe und endlich ward Metz auf die schmählichste Weise verrathen. Der Kurfürst Moritz von Sachsen, der sich als Hort des Protestantismus und des deutschen Fürstenthums mit Heinrich II. von Frankreich gegen Kaiser Karl V. verbunden hatte, hatte jenem die drei Bisthümer nur zu einstweiligem Besitze zugestanden; Heinrich II. nahm sie aber gewaltsam und verrätherisch weg und vernichtete mit Einem Schlage ihre ältesten Freiheiten und Privilegien.
Die Folgen des dreißigjährigen Kriegs waren, daß Frankreich das obere und niedere Elsaß, den Sundgau und Breisach nahm. 1674 wurden die freien Reichsstädte im Elsaß gewaltsam im Frieden überfallen. Nach dem Frieden von Nimwegen betrachtete sich Ludwig XIV. als den Gebieter von Europa, dem sich Alles beugen müsse. Auf dem Nimweger Friedenstage hatten es die französischen Gesandten durchgesetzt, daß die Unterhandlungen in französischer Sprache geführt wurden. Diese blieb fortan die Sprache der Diplomatie. Fast alle europäischen Höfe standen im Sold Ludwigs XIV.
Ludwigs Anmaßung tritt nirgends so unverhüllt hervor als in den „Reunionen" welche er feit dem Jahre 1680 begann. Er setzte nämlich in Metz, Breisach und Besanyon Commissionen von Rechtsgeiehrten nieder, welche untersuchen sollten, welche Stücke zu den im westphülischen und nimwegischen Frieden an Frankreich abgetretenen Provinzen ehemals gehört und unrechtmäßig davon getrennt worden seien. Diese Reunionskammern nun sprachen dem König nicht weniger als 600 Herrschaften, Städte und Dörfer zu! Straßburg, das bisher noch zum deutschen Reiche gehörte, überrumpelte Ludwig XIV. 1681 und vereinigte es mit Frankreich.
(For tsetzung iv lgt.i
Auflösung des Räthsels in Nr. 187.
Handschuh.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.