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Deutlichsten, wie Marie nicht anders kann, wie sie nur Einen wahrhaft und innig fiir's ganze Leben geliebt hat und noch liebt, und dies ist Ihr Bruder."
„So habe ich doch den Marien zuge- fügten Schmerz wieder gut gemacht, indem ich ihr den verlorenen Geliebten zugeführt," sagte ich ruhig, und die Mutter drückte mir herzlich die Hand.
„Sie bleiben uns gewiß ein lieber, theurer Freund."
„Und ich werde ja Ihr Schwager," wandte ich mich scherzend zu Louise, um den noch in meiner Brust nachzitternden Schmerz zu verbergen, und küßte ihr die Hand. Da trat Hermann herein, und ehe mich derselbe anreden konnte, ging ich auf ihn zn und sagte:
„Du siehst, ich bin auf dem schönsten Wege, mir Trost zu suchen."
„Louise aber, um ihre Verlegenheit zu verbergen, faßte uns Brüder beim Arm und führte uns der eben eintretendcn Marie entgegen, indem sie lachend fragte;
„Wer ist nun der Rechte?"
„Marie blickte meinem Bruder selig in die Augen, wie nur ein Strahl aus diesen herrlichen Sternen strömen konnte, und ich fühlte: Das war Liebe, die trunkene Liebe, wie ich sie in dieser Innigkeit nie gekostet . . .
„Es litt mich nicht mehr in N. Ich kam um meine Versetzung ein; es ging rascher, als ich gedacht hatte, und vier Wochen darauf war ich gerüstet zur Abreise in die Residenz.
„Mein Bruder hatte sich als Advokat in die kleine Stadt versetzen lassen und bereitete inzwischen die Hochzeit vor. Ich dagegen war glücklich, noch vor derselben abreisen zu können, und ging zum letzten Male hinüber um Abschied zu nehmen.
„Welche Gedanken und Gefühle bewegten da meine Brust, und doch waren es nur wenige Schritte! Ich schied ruhig von Marie, der ich damit sichtlich den peinlichen Augenblick erleichterte. Aber als ich mich zü Louise wandte und ihr zum Abschied die Hand reichte, da sah ich eine Thräne in dem Auge des sonst so heiteren, sonnenhellen Kindes; ihre Hand zitterte, als sie in der meinen ruhte, und eigenthümlich bewegt blickte ich auf die liebliche Erscheinung. Mein Bruder gab mir bis auf den Bahnhof das Geleit und theilte mir mit, was ich bereits zu ahnen begann, — Louise liebte mich.
„Es war zu spät zu weiteren Erklärungen, ich saß bereits im Wagen, der Zug setzte sich in Bewegung und trug mich zur Residenz.
„Lange blickte ich auf das Städtchen zurück, das für mich so reiche Erinnerungen barg, und endlich, als der letzte Thurm mir aus den Augen geschwunden war, drückte ich mich in eine Ecke und ließ die Ereignisse und Bilder jener Tage an mir vorüberziehen. Noch einmal empfand ich die volle, schmerzliche Tiefe ihres Verlustes, und doch, — sonderbares Menschenherz — ein Jahr später trug mich der Dampfwagen zum zweiten Mal hinaus aus der kleinen Stadt, und die ich so heiß geliebt, stand mit ihrem Manne, meinem Bruder, am Waggon und winkte mit dem weißen Tuche Lebewohl, während an meiner Seite
— eine lächelnde, rosige Frauengestalt saß, mein mir angetrautes Weib, das mir die Hand drückte, mich freundlich ansah und leise fragte:
„Ist es verschmerzt?"
„Gewiß — ich bin unendlich glücklich," war meine Antwort.
„Und da habt Ihr sie, mein Herzensweib, meine Louise, beendete der Assessor seine Erzählung und umarmte die liebenswürdige Frau. Sie sah lächelnd zu ihm auf und sprach fast ein wenig eifersüchtig;
„Daß nur keine neue Verwechslung stattsindet!"
„Bravo! Bravo!" riefen wir Alle, und der Assessor am lautesten: „Noch eine Bowle! Klingeln Sie doch, meine Herren!"
Der verhängnißvosse Jorrrister.
Eine lustige Sedan-Geschichte von L. Wrietzner.
Nachdruck verboten.
(Fortsetzung)
„Um Gotteswillen, ich weiß Alles, thue mir den einzigen Gefallen und erspare mir diese Wundergeschichte heute, die ich mindestens zum siebenzehnten Male hören würde."
„Das ist es ja eben, liebster Herr Wirsing, daß Sie mir noch niemals ordentlich zngehört haben."
Und richtig begann Herr Wirsing junior zum achtzehnten Male seine Tornister- Geschichte und wieder, wie gewöhnlich, begrub Herr Wirsing senior sein ehrwürdiges Haupt in die Folien des Hauptbuches und hörte gar Nichts. Herr Wirsing junior aber erzählte mit einer von Weh- muth und Hoffnung gemischten Stimme die Geschichte jenes Tornisters, der so spurlos verschwunden war, und schloß mit den Worten:
„Sehen Sie, den Namen und das Bild meiner Braut hatte ich, um nur recht sicher zu sein, in ein Couvert gelegt und dies zugesiegelt. Im Kochgeschirr lag das Couvert und das Kochgeschirr im Tornister; da war es vor Wind und Wetter geschützt. Sehen Sie und meine späteren Nachforschungen in Carignan sind ganz und gar vergeblich gewesen; denn Louison war nur zum Besuch daselbst gewesen und konnte des Krieges wegen nicht nach Paris zurückkehren. Nach dem Kriege ist sie aber jedenfalls nach Paris zurückgekehrt; wie soll ich sie nun in dieser großen Stadt finden? Aber wenn erst die stille Geschäftszeit kommt, dann will ich meine Nachforschungen von neuem aufnehmen, vielleicht finde ich sie doch noch einmal."
Während dieses Herzens-Ergusses war Friedrich, das Faktotum des Hauses, in's Comptoir getreten und hatte die Postsachen auf das Pult des Herrn Wirsing senior gelegt; dann schleppte er ein Packet herein, legte es auf den Packtisch und sagte, halb zu sich selbst, halb zu'Herrn Wirsing gewendet, auf das Packet deutend:
„Das duftet sehr weinerlich."
Herr Wirsing senior sagte gar nichts und warf dem Sprecher nur einen Seitenblick zu, den Friedrich sofort verstand; denn er machte sich rasch an einer Kiste Etwas zu schaffen, die wahrscheinlich demnächst abgehen sollte.
,,AH' schon wieder ein Brief aus Paris", rief Herr Wirsing aus, während er die angekommenen Briefe durchmusterte. Und alsbald öffnete er das Schreiben und durchflog dessen Inhalt.
„Hoffe, daß meine Damen wohl und munter dort aukommen — hoffe, daß sich fragliche Angelegenheit nach Wunsch gestalten wird —" las Herr Wirsing.
„Aber was ist denn das? Ein Geschenk zum Sedantage? Was soll das bedeuten?" rief jetzt Herr Wirsing, und zu seinem Pflegesohn sich wendend, fuhr er fort: „Du, Heinrich, höre nur, was uns Avrin- court schreibt!"
Und der alte Herr las: „Per Post sende ich Ihnen ein kleines Scdan-Ange- binde, das ich bei der Revision meines Weinkellers in Carignan in einem Weinfasse entdeckte. Wie dasselbe dahinein gekommen, ist mir allerdings nicht recht klar, doch erlaube ich mir, Ihnen das Ding, das jedenfalls irgend einem Soldaten gehört hat, zuzusenden, mit der Bitte, darüber nach Gutdünken zu verfügen."
(Fortsetzung folgt.)
Nutzen der Wasserpest. In einer kürzlich stattgehabten Sitzung des Vereins zur Hebung der Fischerei in Potsdam kam anläßlich des massenhaften Auftretens der sogenannten Wasserpest die Frage zur Diskussion, ob die Wasserpest der Fischerei schädlich sei, und welche Mittel dagegen zu ergreifen wären. Die über diese Frage vernommenen Fischer in Werder erklärten, daß die Wasserpest ein Segen für die Fischerei genannt werden muß. Dieselbe bildet einen unnahbaren Zufluchtsort für die Fischbrut gegen Nachstellungen der Raubfische und Raubvögel. Die Strecken des Fluß- und Seelaufes, in welchen die Wasserpest fortwuchert, sind in Wahrheit Fischzucht-Anlagen. Fische verschiedenster Art tummeln sich in dem dichten Gewirre umher. Wo die Wasserpest auftritt, giebt selbst nach 10 Jahren das Fischwasser einen sehr erheblichen Ertrag.
Was in Bettelbriefen an Allerhöchste und Höchste Personen geleistet wird, überschreitet jede Vorstellung. So lieferte der Cabinetsbriefträger neulich 250 Stück an einem Tage im Palais des Kaisers ab. Und dies war ein ganz gewöhnlicher Tag. Zn gewissen Terminen schwillt die Zahl der Bittgesuche noch ganz erheblich an, so daß sie bis auf das Doppelte des Durchschnittssatzes steigt.
Kein Pfand. „Ich setze meinen Kopf zum Pfände, daß ich binnen 8 Tagen das zu leihende Geld zurückbezahle!" sagte ein Bonvivant zu einem Wucherer. — Gelassen antwortete der Letzterem „Ich leihe nie auf leere Gefäße."
W ä t H s e k.
Auf Dächern kannst du mich sehr häufig seh'n
Gar manch' Gefäß siehst du aus mir ersteh'»;
Gebäude hat man aus mir aufgeführt. Doch sprichst du mich — bist du blamirt!
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.