und sehen uns ein wenig in dem Gemache um, in welches wir den geneigten Leser zu führen uns die Freiheit genommen haben. — Es war ein hohes und ziemlich großes Zimmer, welches offenbar inmitten einer Reihe anderer gelegen war, denn rechts und links waren Flügelthüren von Eichenholz angebracht, während eine dritte Thür auf einen Vorplatz oder einen Gang zu führen schien. Die drei Fenster waren unerquicklich hoch und breit, und die Decke, so viel man bei dem trüben Lichte der einen brennenden Talgkerze erkennen konnte, reichlich mit Stuceaturarbeit geschmückt, Was die Wände dieses Gemachs anlangt, so waren sie mit Tapeten von Leinwand bekleidet, welche man, wie es im vorigen Jahrhundert häufig der Fall war, bemalt hatte, um auf billige Weise die theuren gewirkten Tapeten zu ersetzen. Die Malerei auf diesen Tapeten stellte natürlich Licbes- und Schäfcrscenen dar, welche in Parkanlagen stattfanden, zwischen springenden Fontainen, gestutzten Laubgängen und Taxusgchägen, und mit einem Hintergründe von einer ganz unglaublichen Anzahl von Schlössern und Lusthäusern.
So befand sich auf der einen Wand eine Schäferin mit der Taille einer Wespe und einem Reifrocke von fast so unsinnigen Dimensionen wie jene, welche vor einem Jahrzehnt das Entzücken unserer Damen waren. Diese Schäferin schloß zärtlich einen kleinen, ziemlich fetten Hammel in ihre Arme, während ein Schäfer, mit Hirtentasche und Stab und augethan mit einem rvthen Rocke und kurzen blauen Beinkleidern, sehnsüchtig beide Arme in die Lust streckte. Unter beiden befand sich die mit Blumengewinden umgebene Inschrift: „Ach, wäre ich er!"
Auf der einen Hälfte der zweiten Wand erblickte man eine Schäferin, bereifrockt wie die vorige und umgeben von einer kleinen Lämmerheerde, aber am Ufer eines kleinen Teiches stehend und sich mit Angeln beschäftigend. Der obligate Schäfer (zeisiggrüner Rock, violette Kniehosen), welcher die andere Hälfte der Wand in Besitz genommen hatte, wendete, vor einem Vogelherde knieend, der Fischenden den Rücken zu, versäumte aber nicht, auf höchst auffällige Weise den Kopf nach ihr zu drehen. Auf einem von zwei fliegenden Amoretten getragenen Bande las man:
„Wann Phpliis sich ergötzet Das Fischvolk zu berücken-
So findet ihr Damöt
Am Vogelfang Entzücken"
Die dritte Wand endlich zeigte eine sitzende Schäferin und einen vor derselben knieenden Schäfer, dessen eine Hand auf den Knieen der Schönen liegt, während die andere unsichtbar ist. Zur Seite der Dame befindet sich ein geöffneter Vogelbauer und über demselben zwei Turteltauben, fliegend und auf äußerst künstliche Weise in der Luft sich schnübelnd. Auf einem oberhalb der Gruppe befindlichen Bande war zu lesen:
„Die Liebe liebt die Freiheit."
Alle diese schönen und rührenden Dinge aber schienen von dem gegenwärtigen Bewohner des Gemaches wenig anerkannt zu werden, denn ziemlich rücksichtslos waren allenthalben Nägel eingeschlagen, an wel
chen verschiedene nützliche oder zur Zierde dienende Gegenstände hingen, und wir erwähnen unter den letzteren nur eine Art Trophäe, die aus einem starken Pallasche, einem dreieckigen Hute, einem Paar Pistolen und zweien Spornen bestand. Die Geräth- schaften des Zimmers schienen aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts zu sein. Da alle Welt den Geschmack jener Zeit kennt, so ist es überflüssig, sic näher zu beschreiben, und wir wollen mithin nur bemerken, daß sie fast sümmtlich durch längeren Gebrauch ziemlich abgenutzt erschienen, wenn gleich nicht zu verkennen war, daß man früher bei ihrer Anschaffung keine Kosten gescheut hatte.
Da wir indessen dem Zimmer, in welchem wir uns befinden, sich Schritte nähern hören, so beeilen wir uns, noch rasch unfern Lesern den Mann vorzustellen, welcher, noch immer in die Flammen seines Feuers blickend, mächtige Wolken von Tabacksranch von sich bläst, und welchen wir eben den alten Herrn genannt haben.
Dieser Mann war der alte Herr Peter von Kallenheim, Erbherr auf Kallenheim, pensionirter hvchfürstlich würzburgischer Rittmeister und Vater des jungen Wilhelm von Kallenheim, den jener Wagen, dessen Rollen wir eben noch in der Ferne hörten, nach der fürstbischöflichen Residenzstadt trug, um dort einen Posten zn erwerben, da leider Schmalhans Küchenmeister war auf und zu Schloß Kallenheim. Wenn wir noch beifügen, daß diese Abreise des jungen Kallenheim in den ersten Tagen des Januars 1796 stattfand, so glauben wir allen billigen Anforderungen auf Deutlichkeit genügende Rechnung getragen zu haben, und können unsere volle Aufmerksamkeit wieder unserer Erzählung zuwenden. —
Die Schritte, deren wir oben gedachten, waren mittlerweile ganz nahe gekommen, die Thür öffnete sich, und es trat ein Mann ein, welcher etwa zehn Jahre älter sein mochte als Herr von Kallenheim, das heißt etwa siebzig Jahre. Er war dabei groß, trug einen stattlichen Zopf, zwei starke Wulstlocken an den Schläfen und war in eine ziemlich getragene grüne Livree gekleidet. Dieser Mann trug ein auf chinesische Art lackirtes Credenzbrett, auf welchem sich Teller, Servietten und andere Tafelgeräthschaften befanden, und inmitten aller dieser Dinge eine verdeckte Schüssel.
(Fortsetzung folgt.)
Das Dynamit.
Diese mächtige, der neueren Zeit angehörende Substanz, die sich mehrfach angemaßt, eine politische Nolle sowohl in Rußland, wie in Frankreich und Irland spielen zu wollen, ist eine Sprengmasse, welche 1867 durch M. Nobel, einen schwedischen Chemiker, erfunden wurde. Das Dynamit ist aus einer im höchsten Grade explosiven Masse, dem Nitroglycerin, das der Chemiker Svbrero, ein Schüler von Pelouze, entdeckte, hervorgegangen, es ist das Produkt der chemischen Verbindung des Glycerins, (einer aus dem Talg extrahierten milden und öligen Substanz) und der Salpetersäure oder des Scheidewassers. Seine Bereitung ist überaus einfach. Man
I mischt nach Gewicht einen Theil Salpetersäure und zwei Theile Schwefelsäure; dadurch entsteht eine Wärmeerzeugung, die man erkalten läßt. Sobald die Temperatur dieser Mischung genügend abgekühlt ist, gießt man unter fortwährendem Rühren nach und nach den sechsten Theil ihres Gewichts syrupartigen Glycerin hinzu; ist die äußere Luft wärmer, so stellt man das Gefäß, in welchem sich die Mischung vollzieht, in kaltes Wasser.H Nach einigen Minuten wird dem Ganzen ein acht bis zehn Mal größeres Volumen kaltes Wasser zugefüllt. Man sieht nun das Nitroglycerin, das schwerer ist als das Wasser, in Gestalt eines gelblichen Oels auf den Boden des Gefäßes sinken. Sodann klärt man das Nitroglycerin vom Wasser ab und hebt es in gut verschlossenen Flaschen auf.
Die Chemiker haben das Nitroglycerin aus im höchsten Grade unbeständigen Körpern dargestellt; es explodirt mit großem Knall bei dem geringsten Anstoß oder einer Reibung, und seine Wirkung ist von vernichtender Gewalt; seine Schleuderkraft ist hundert-, auch hundertundzehnfach mächtiger, als die des Pulvers in der Kanone. Diese Eigenschaft, sich freiwillig zu entzünden, ist so groß, daß, wenn man Nitroglycerin in ein Gefäß gießt und einige Tropfen davon verschüttet, diese sofort explodiren; und nicht nur diese Tropfen, die bloße Luftcrschütteruug genügt, um eine Explosion des ganzen Inhaltes des Gefäßes zu bewirken. Der Schlag eines Hammers auf oder gegen einen Tisch, auf dem sich Nitroglycerin befindet, genügt, um die Masse zu entzünden.
(Fortsetzung folgt.)
Schule und Haus. „Nun, Kind, was hast Du denn heute in der Schule gelernt?" „Daß die Seidenraupen sehr- nützliche Thiere sind." „So? Der Herr Lehrer soll sich einmal die Kleidcrrechnungen der Mutter ansehen."
Neuenbürg, 23. Mai. Zur Erinnerung an die schwere Heimsuchung der hiesigen Stadt durch den großen Brand vor 100 Jahren fand heute ein Dankgottesdienst statt. Hr. Dekan Cranz hielt unter Zugrundlegung des 78. Psalm als Text die Predigt in erhebenden Worten des Dankes und eindringlicher Mahnung. Hierauf gab Hr. Stadtschulth. Weßinger aus dem, was die Akten des Archivs in Ludwigsburg und der Registratur des hieß Oberamts an die Hand geben, eine historisch übersichtliche Darstellung der denkwürdigen Ereignisse jener Tage und ihrer ergreifenden Momente.
Frankfurter Coursr vom 21. Mai 1883.
Geldsvrten. -46,
20-Frankenstücke.16 21 25
Englische Souvereigns .... 20 39 44
Ruß. Imperiales . .... 16 73 78
Dukaten.9 65
Dollars in Gold. 4 20 24
Goldkurs der Staatskaffenverwaltung
vom 23. Mai 1883. 20-Frankenstücke . . . 16 »tL 16 ^
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.