Ealmer Wo^Malt.
Samstag
Kettage;« Ur. 15.
3. Jebruar 190V.
Aerricceton.
Der Advokatenbauer.
Kriminalroman von Dietrich THeden.
(Fortsetzung.)
„Hachmann, Kriminalkommissar/ stellte sich der Hamburger Frau Wichbern vor und zeigte auf seinen Begleiter: „GrotthuS, Kieler Kollege. Wir kommen, gnädig« Frau, um von Ihnen eine Auskunft zu erbitten. Die Kieler Behörde hat Veranlassung, sich — es kann sein; vorübergehend — mit dem RechtSkon-. sulenten Herrn Oldekop zu beschäftigen, der bis vor kurzem sein Domizil in Hamburg hatte und sich hier, wie es scheint, verschiedener Vergehen schuldig gemacht hat. Wir haben in Erfahrung gebracht, daß er die Ehre hatte, auch für Eie in einer Angelegenheit als Vertreter zu fungieren, wir bitten um Ihre gefällige Aussage, ob er Ihnen in befriedigter Weise gedient hat oder ihm auch von Ihrer Seite Unregelmäßigkeiten vorzuwerfen sind."
Die Befragte antwortete nicht gleich. Erst «ach einer Weile stand sie auf, entnahm einem Fache ihres Schreibtisches eine Handvoll Papiere und überreichte sie dem Beamten.
„Der Mann hat mich pekuniär nicht weiter geschäd'gt," bemerkt« sie ruhig, „denn den kleinen Verlust kann ich tragen. Hat er sich strafrechtlich schuldig gemacht, so kann ich ihn nicht bedauern. Sie finden eine Reihe von Quittungen für Bemühungen sowie angeblich in meinem Interesse von dem Herrn gemachte Reisen. Er hat von letzeren nicht eine ausgeführt. Sie finden unter den Papieren einen Brief, der ein Muster seiner — Wahrheitsliebe ist. Lesen Sie gefälligst und stellen Sie Ihre Fragen."
Die Beamten prüften gründlich. Als sie mit der Durchsicht der Papiere zu Ende waren, fragte GrotthuS:
„Woher wissen Sie, daß er Ihnen Reisen vorgespiegelt und sie nicht that- sächlich gemacht hat?"
„Von meiner Nichte."
„Sie haben sie selbst gesprochen?"
„Ich war in Reickendorf, ohne Wissen meines .Vertreters'. Und da er noch immer nicht von meiner Reise erfahren hatte, als er nach Ankunft an seinem neuen Wohnsitz d:n letzten Brief schrieb, trieb er die Vorspiegelungen nach alter Gewohnheit und mit alter Virtuosität weiter. .^Zch habe den Brief wiederholt gelesen und muß ihn als ein Meisterstück der Verlogenheit anerkennen."
„Die umständlich beschriebene Unterredung deS Oldekop mit Blank ist ebenso erdichtet wie die mehrfach behaupteten .Reisen' ?" fragte GrotthuS.
„Ich war, wie gesagt, vor Herrn Oldekop in Reickendorf, und wenn er sich auch nur die Mühe genommen hätte, ein einziges Wort mit dem Herrn Blank über mich zu wechseln, so wäre ihm die Aufklärung auf der Stelle geworden und hätte ihm die Anstrengung dieses Briefes erspart."
Die Beamten sahen sitz lächelnd an.
„Wollen gnädige Frau uns gestatten, von den Papieren Abschrift zu nehmen?" sagte der Hamburger.
„Ich stelle die Orginale zu Ihrer Verfügung."
Die Herren dankten ausgesucht verbindlich und verabschiedeten sich.
Frau Wichbern saß nachdenklich. Also die Kriminalpolizei dem Manne auf den Fersen? In welcher Spur — ? Mit welchem Endziel — ? Der plötzliche Tod deS Bauern-sollte der Bruder den Bruder-?
Der Gedanke kam über sie wie ein Blitz.
Der Kommissar GrotthuS erstattet« dem Untersuchungsrichter schriftlich und mündlich Bericht.
„Keiner der Gläubiger deS Oldekop," erläuterte er, „hat eS darauf ankommen lassen, die Frau oder den Sohn über die Zugehörigkeit der Möbel zum Schwur zu bringen. So viel ich ermitteln konnte, sind zwei der Gläubiger, die durchdringen wollten, kurz vor den für die Beeidigung deS Sohnes angesetzten Terminen befriedigt worden. Den Eindruck aber, daß der Mann auch vor dem Aeußerstcn nicht zurückgeschreckt wäre, habe ich in der persönlichen Unterredung erhalten — als Wittkamp."
„WaS er gethan haben könnte, steht dahin. Resümieren wir, war an Thatsachen zusammengetragen ist. Also ersten-: Detlev Oldekop hat für den ehemaligen Gastwirt Rinkens in Hamburg den in besten Eingabe angeführten Betrag eingrzogen und nicht abgeliefert; das ist Unterschlagung. Er hat zweitens der Frau Anna Wichbern in Hamburg-Harvcstehude den Gesamtbetrag von einigen tausend Mar! unter nachweislich falschen Vorspiegelungen — Zeugen Frau Anna Wichbern und das Fräulein gleichen Namens — abgelockt; das ist Betrug. Die Fälle sind zur Motivierung der sofortigen Verhaftung ausreichend.
Aber in der Hauptsache, in der Frage, die uns am meisten interessiert: ob der Verdächtige sich deü Verbrechens wieder dar Leben schuldig gemacht, oder sich an ihm bete ligt hat — da sind die Anhaltspunkte nicht allzu reichlich. Er ist wenige Tage vor dem Morde, da- habe» Ihre Kollegen ermittelt, bei seinem Bruder gewesen und hat, wie die Mädchen, die in der Küche beschäftigt waren, gehört haben, einen heftigen Auftritt mit dem Bauern gehabt. In der Gegend war es bekannt, daß der Sodbauer mit der Absicht umging, den Hof durch letzte Verfügung seinem Mündel zu vererben: also hatte der Hamburger Grund dies«, letztwillige Bestimmung unmöglich zu machen. Der Verdacht gegen ihn erhöht sich ferner durch seine Vermögenslage, die allein durch dar gefährdete Erbe gebessert werden konnte und bedingungslos und unverzüglich gebessert werden mußte, weil sonst nicht bloß die Möglichkeit der Rangierung durch das drohende Testament in Frage gestellt wurde, sondern auch der völlige Ruin des Mannes unmittelbar bevorstand und nicht mehr aufzuhalten war. Die Verlogenheit deS Oldekop sowie seine Epielwut lasten seinen Charakter in fragwürdigstem Lichte erscheinen, und der Umstand, daß er seinerseits den Verdacht nach bestimmter, obwohl kaum ernst zu nehmender Seite abzulenken suchte, ließe psychologisch ebenfalls einen belastenden Schluß zu. Hm ja ... . In mir persönlich
Der Richter unterbrach sich und fuhr mit den Fingern nervös glättend über das vor ihm liegende Löschblatt.
Erst nach minutenlanger Pause fuhr er entschlossen fort:
„Ich werde die Verhaftung verfügen — wegen Betrüge», Unterschlagung und Mordverdachts. In mir persönlich kräftigt sich die Ueberzeugung, daß die Maßregel gerechtfertigt ist, auch wenn die Belastung zur Ueberführung nicht hinreichen und die weitere Untersuchung neue» Material nicht zu Tage fördern sollte. Den Angelpunkt für die Beweisführung wird die Frage nach dem Alibi bilden;
kann er sich für die Mordnacht glaubwürdig auiweisen-den Schluß ziehen
Sie wohl selbst. Bliebe dann die indirekte Urheberschaft des Verbrechen«, die Anstiftung eine» Gehilfen zu der That — und Mangels jeder greifbaren Begründung — Freispruch . . ."
Tr fertigte trotzdem den Haftbefehl au» und übergab ihn dem Kommissar zur Vollstreckung.
GrotthuS wollte jede» Aufsehen vermeiden und begab sich ohne Begleitung deS Gendarmen nach dem Sod. Er traf den Bauern vor einem mit Akten und Papieren aller Arten bedeckten Tisch.
„Meugen," grüßte Oldekop. „Nanu, find Ei, nicht der Wittkamp von Tonndorf? Höllisch rauSgrputzt heute. Den Donner, man sollte nicht meinen, was die Kleidung au» dem Mensche» macht . . ."
„Ich scheine Sie in einer wichtigen Beschäftigung zu unterbrechen?" fragt« GrotthuS ruhig.
„Na, ich bin bald zu Ende. Vor meiner Uebersiedelung von Hamburg hierher hatte ich, weil sie überraschend und vor allem überrumpelnd schnell kam, nicht die gehörige Zeit, die laufenden Geschäfte abzuwickeln. So blieb manches nachzuholen und hat mir jetzt einige Umstände gemacht. Auch deshalb, weil ich nicht mehr mit der rechten Lust bei der Sache bin. Aber den Leute», die mich mit ihrem Vertrauen beehrt hatten, mußte doch ihr Recht werden. Lin paar Inkassogeschäfte harrten der endgültigen Berechnung — meistens Bagatelle», aber doch für die Klienten wichtig. Und mir Ehrensache. Da war eine alte Dame — wollen Sie mal in mein Buch mit hineinsrhen? — nach einem Inkasso gut für mich Mark elf vierzig. Strich durch. Gin Krämer gut für sich nach Abzug der Kosten Mark fünfundsi-bzig — mit Postanweisung erledigt. Ein ehemaliger Budiker, Rinkens, armer Teufel, gut Einhundertneunundzwanzig Mark — erledigt durch Posteinzahlung. Einkassierter Lohnrückstand für ein Dienstmädchen vierundzwanzig Mark — weg ohne Kostenderechung, und so weiter. Die Akten sind für mich ohne Wert, für die Klienten durchweg auch — der Ordnung halber werfe ich das Porto hinaus und lasse sie sämtlich ihren Eigentümer» zugehen. — Womit kann ich Ihnen heute dienen, Herr .......
Wittkamp — ?"
„Ich habe di« Ehre," erklärte der Kommissar, „einen Befehl deS Untersuchungsrichters vr. MackenS gegen Sie zur Ausführung zu bringen, und erklär« Sie hiermit für verhaftet."
Oldekop verfärbte sich.
„Sie sind — ?*
Der Befragte nannte Namen und Amt und legte den Haftbefehl vor.
„Wegen — Unterschlagung, Betruges und Mordverdachts —las Oldekop und schrie wütend: „Herr, sind Sie de» Teufels? I"
„Ich ersuche Sir, mir die Ausführung ihres Befehls nicht «nötig zu erschweren. Um dar Peinliche der Situation für Sie so viel als möglich zu mildern, bin ich ohne uniformierten Beamten gekommen — ich hoffe, Sie werden da» würdigen und mir danken —" (Fortsetzung folgt.)