gehen, daß Gabriele, die doch sonst sehr viel Geistesgegenwart besaß, bei dem Ein- tritt des Freiherrn Oskar in die Laube in einige Verlegenheit gerieth.
Anna, welche dies zu bemerken schien, sagte zu ihrem Bruder gewendet:
„Auch Du kannst bewundern, Oskar, was Gabriele hier geschafft hat."
„Unsere liebe Pflegeschwestcr," entgeg- uete Oskar scherzend, „ist ja stets in Allem talentvoll und hat natürlich auch hier etwas Schönes geschaffen." — Bei diesen Worten beugte sich Oskar über die Arbeit Gabrielens und diese sagte:
„Es ist uur ein Machwerk, Herr- Baron, zur Stümperei. Wir Frauen bleiben aus diesem Gebiete stets Dilettanten."
„Es ist keine Stümperei, Baronesse," erwiderte Oskar schlicht, aber mit einigem Nachdruck. „Sie haben eine recht gute Idee dabei entfaltet und einen ganz ausgezeichneten Entwurf angelegt. DaS, was fertig ist, befriedigt auch. Der Bach mit seinen Schlangenwindungen gefällt mir außerordentlich, die zackigen Bergwände und der Wald auch, es fehlt nur noch die Vollendung der Schlucht und das Hintere Gebirge."
„Sie sind ein Diplomat," scherzte Gabriele, „aber Sie sprechen wie ein Maler, Baron. Ich freue mich über Ihren Beifall; wenn er auch mir etwas schmeichelhaft dünkt, so klingt er doch auch wie ein fachmännisches Urtheil. Sie werden aber auch wissen, Herr Diplomat und Maler, daß ich die schwierigste Arbeit an der Skizze noch zu thun habe und da wäre ich Ihnen wirklich für einen kleinen Wink dankbar."
Oskar machte eine artige, zusiimmende Bewegung und setzte sich sofort vor die Skizze, den Stift in die Hand nehmend.
„Ich denke mir die Vollendung folgendermaßen," sagte er bescheiden. „Vollenden Sie erst die Schlucht — Sie haben die Bergwände mit kühnen Strichen so recht nach der Natur dargestellt — fahren L>ie so fort — dunkler Tannenwald krönt die Bergeshäuptcr — gestatten Sie noch einen Moment — an dem rechten Abhange ist ein Weinberg, welcher den unteren Hügel kränzt, incht zu vergessen — Wälder sind immer noch etwas sorgfältiger als andere Partien zu zeichnen — auch jene Ricsen- tannen, die ihre Häupter noch um fünfzig Fuß höher als ihre Schwestern erheben, dürfen nicht vergessen werden — — —
Gabriele, Anna und Theobald umstanden mit sprachlosem Staunen Oskar, der während dieses Monologs nicht nur gesprochen, sondern auch gezeichnet hatte und jetzt immer noch an der Skizze arbeitete. Nach zwei weiteren Minuten hörte er auf und sagte, sich erhebend, zu Gabrielen :
„Ach, ich habe die Kleinigkeiten, welche an dem Bilde noch fehlten, gleich selbst vollendet. Verzeihen Sie, mit Eifer!"
Gabriele stand wie mit Purpur übergossen vor Oskar. Sie versuchte in dessen Antlitz zu sehen, aber wie von einem Zauber gebannt, vermochte sie es nicht fertig zu bringen.
Auch Anna und Theobald waren von einem ähnlichen Staunen ergriffen und
fanden nicht gleich ein passendes Wort. Am ersten hatte sich noch Gabriele in die Situation oricntirt. Diesmal war sie aber nicht nur freundlich und freudig erregt, sic war begeistert und noch einen Blick auf das vollendete und ihre Hoffnungen übertreffende Bild werfend, ergriff sie stürmisch Oskars Rechte und sagte mit den herzlichsten Worten von der Welt:
„Tausend Dank, Baron, daß sie in wenigen Minuten das besser vollendeten, wie ich es in einem ganzen Nachmittage nicht fertig gebracht hätte. Sie sind ein Meister, ich lege Ihnen in Demuth meine Bewunderung zu Füßen.
„Nicht doch, beste Baroneß," cntgegncte überrascht Oskar. „Ich kann ein wenig besser und flinker den Stift führen, als Sie, das ist Alles."
„Ach nein," entgegnete fast traurig Gabriele, „Sie können Alles besser und wissen zehn Mal mehr als ich und ich glaubte recht viel gelernt zu haben."
„Ich habe in meinem Leben immer nach Harmonie gestrebt," entgegnete gleich- müthig Oskar. „Deßhalb habe ich manches gelernt und studirt, was viele Menschen für überflüssig halten, obwohl eine Summe außergewöhnlichen Wissens und Könnens unserm Geist eine Ueberlegenheit, unserm Urtheil mehr Reife geben muß. Männer, die sich auszeichuen wollten, werden die Bahn, die ich zu verfolgen bemüht bin, immer gewandelt haben. Schöne Künste und Wissenschaften waren meine nobelcn Passionen, wenn mich mein Beruf nicht beschäftigte.
Auf diese Auslassungen Oskars schien von den drei Anwesenden Niemand direkt antworten zu wollen. Theobald fühlte mit erdrückender Schwere die geistige Ueber- legenhcit des Bruders, mußte sich auch sagen, das dies Gabrielen und der Schwester auffallen mußte und zog cs vor, sich unbemerkt in eine andere Ecke des Gartens zurückzuziehen.
(Fortsetzung folgt.)
Das Mutgericht in Hßorn.
Aus einem Beitrag zur Geschichte der Jesuiten.
Von Franz Hirsch.
(Schluß.)
Am 8. Dezember, am Fest Mariä Empfängniß, wurde die Marienkirche feierlich von den Jesuiten für die katholische Gemeinde in Besitz genommen. Die Weiherede, die von Lügen, Gemeinheiten und der geschmacklosen jesuitischen Kanzelphra- felogie strotzte, hielt der Jesuit Wierns- zewski in polnicher Sprache, derselbe, der die Anklage vor dem Assefforialgericht geführt hatte. Bald darauf wurde eine sogenannte Marianische Säule von Alabaster auf dem Markt zum Gedüchtniß der Wiederherstellung der befleckten Ehre der Jungfrau Maria, aufgerichtet, die bis zu Anfang dieses Jahrhunderts stehen geblieben, vom Volk aber immer nur „die Schand- säule" genannt worden ist.
Die Geldentschädigung der Stadt an die Jesuiten betrug zweiundzwanzigtausend polnische Gulden, womit die frommen Patres noch nicht zufrieden waren und sich noch zwei Stadtdörfer verpfänden ließen.
Aus dem Hause des sehr wohlhabenden Präsidenten Rösner nahmen die Com-
missare, was sie nur an Hausrath, Silbern, erwischen konnten, an sich; doch sollte schon hier die Nemesis einen allzu Eifrigen erreichen, der aus einem Schrank einen Pfefferkuchen nahm und als Leckerbissen verzehrte, bald aber daran starb. Der Pfefferkuchen war eine Lockspeise für die Ratten und mit Gift gefüllt gewesen.
In den Rath kamen nun überwiegend polnische Namen, bis nach einem Decennium auch hierin eine Reaktion eintrat und die alten thornschen Patriciergeschlechter wieder in ihre alten Rechte eintraten. Was die beiden ineriminirten evangelischen Geistlichen betraf, so rettete sich Pastor Geret, von dem eine ganz unschuldige Schrift durch den Henker verbrannt wurde, nach Marienwerder auf preußisches Gebiet. Ein gleiches Schicksal traf den Urahn des Verfassers dieser Zeilen, den Prediger Oloff, der auch nach Preußen flüchten mußte, weil er in seinen Predigten öfters über die große Bosheit des katholisch-polnischen Gesindes geklagt hatte. Besagte beide Prediger wurden in die Acht des polnischen Reiches erklärt, bis sie sich endlich einen königlichen Sicherhcitsgeleitsbrief auszu- wirken wußten.
Das ist der Verlauf der thornschen Tragödie von 1724, der die Nemesis achtundvierzig Jahre daraus gefolgt ist. In einem und demselben Jahre kam West- preußcn wieder unter deutsche Herrschaft und die Jesuitenorden, zu dessen glorreich schandbaren Thaten das thorner Blutgc- richt zu zählen ist, wurde von Papst Clemens XIV. aufgehoben. Preußens großer Friedrich machte an den verödeten Weichsellandschaften Das wieder gut, was polnische Wirthschaft dreihundert Jahre lang systematisch hatte verfallen lassen.
Der Stern der drei Weisen aus dem Morgenland. Im Laufe des Jahres 1883 werden wir einen neuen Stern zweiter bis erster Größe aufleuchtcn sehen, einen veränderlichen Stern „Cassiopeia". Derselbe war auch im Jahr 1572, 1264, 934, also nach je 300 und einigen Jahren zu sehen. Zählen wir drei Perioden von der Erscheinung im Jahr 934 zurück, so werden wir auf die Erscheinung des Sterns geführt, welcher bei der Geburt Christi gesehen worden ist. Er erhielt von den Astronomen den Namen „Bethlehemsstern".
Gegen Flöhe. Ein sehr gutes Mittel gegen diese Quälgeister besitzen wir in der sogenannten Vgug. publicmrin (Flohwasser.) Dies dient zum Besprengen der Wäsche sowohl, wie zum Einträufeln zwischen die Fugen und Ritzen der Stubendielen u. s. w. Es besteht dies Mittel aus Folgendem: 01. earzoplizllor. 10,0; aoicl. eardolie. pur. 2,0; Lxirit. oclorati 100,0; 8pir. vin i ciilut. 600 Zr.
Komonym.
Ich bin der erste unter meinen Brüdern Und führe sorglos ein beschaulich Leben; Die Dichter sprechen oft in ihren Liedern Bon mir und meinem guten Saft der Reben.
Ich bin ein Meister auch, der viel gesungen; Es jauchzt u. klagt das Volk in meinen Tönen. Manch kräft'gc Weise ist mir wohlgelungen, Noch öfter sang ich von der Liebe Sehnen.
R. IV.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.