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Paris, 9. Febr. Die Anklagekammcr erkannte in der Untersuchung wider den Prinzen Napoleon auf Einstellung der Untersuchung. Der Prinz ist bereits frei­gelassen und in seine Wohnung zurückge­kehrt.

Paris, 10. Febr. Wie versichert wird, fand eine Besprechung Grcvh's mit Freycinet statt. Letzterer hätte jedoch den Antrag zur Bildung eines neuen Cabinets abgelehnt, weil er auf die Majorität der Kammer nicht rechnen zu können glaubte.

MisMkn.

Lucia.

(Novelle aus dem gleichnamigen Roman von

H. Emilius.)

(Fortsetzung.)

Es war schon ein Jahr, daß er die Uniform trug, als der General von Salis, der damals sein Hauptquartier in Bolo­gna hatte, ihn zu sich bescheiden ließ. Was nur der General von ihm wollte? Er war sich keines Vergehens bewußt und über­dies sagte er sich, daß, wenn es sich uni dergleichen handelte, er nicht in die Privat­wohnung des Herrn von Salis berufen worden wäre. Auf dem Hinweg grübelte er immer noch an der Frage herum, und zwischen hinein stellte er sich den General vor, wie er ihn schon einigemal vor der Front des Regiments hatte auf- und ab­reiten sehen, und wie er ihn jetzt treffen würde. Er erinnerte sich seines strengen Blickes, seiner scharfen Bemerkungen, und es siel ihm ein, wie er seinem eigenen Bruder, dem Major von Salis, der falsch kommandirte, vor den awesenden Truppen zuries: ,,1'igllo ll'uu riiweerouts, mag- Zioiv (Sohn eines Rhinozeros, Major), habt Ihr den Kopf verloren?" worauf ein unterdrücktes Lachen die Reihen durch­lief, welchem er mit Donnerstimme Schwei­gen gebot.Wenn er mich auch Sohn irgend einer wilden Bestie nennt, wie es seine Gewohnheit zu sein.scheint, so siehe ich nicht für meinen Ernst", dachte Bal­der, und die Idee belustigte ihn ein wenig, als er unter den breiten Arkaden dahin­schritt, welche in Bologna auf beiden Seiten der Straßen die Trottoirs versehen und im Sommer die Fußgänger vor der Hitze, im Winter vor Regen und Schnee schützen. Bei dem bezeichneten Hause augelangt, mußte er zuerst einer Schildwache die ge­schriebene Einladung vorweisen und dann durfte er, von einem andern Soldaten begleitet, in die oberen Räume hinauf­gehen. Aus der Wachtstube hatten, als er vorübergiug, ein paar Köpfe geguckt, er war erkannt worden und seine außer­dienstliche Gegenwart hatte ein allgemeines Erstaunen erregt.

Es ist der Balder, was hat er hier zu thun?" sagte Einer.

Hm, wer mag das wissen?"" ent­gegnen ein Anderer.Er ist ein Herren- söhnchen und der General beschützt ihn vielleicht deßhalb besonders.""

Bis jetzt hat man noch nicht viel davon sehen können", bemerkte ein Dritter, sein Hauptmann, ein Teufelskerl, kann

ihn nicht ausstchen und schickt ihn jeden dritten Tag in Arrest."

Er wird es verdienen.""

Nicht mehr als ein Anderer, das weiß ich von einem Kameraden; aber was kann Einer dafür, wenn sein Vorgesetzter ihm übel will? Das ist schlimmer als Fegfeuer und Hölle."

Der Sprecher bekreuzte sich bei diesen Worten: er war aus einem der inneren Kantone zum Schutze Seiner Heiligkeit, Gregor's XVI., herbeigeeilt vielleicht hatte er auch noch einen andern Grund gehabt, nnd seitdem er Seiner Heilig­keit Soldat war, erinnerte er sich seiner religiösen Pflichten besser als je. Kein Wunder, es war dies das sicherste Mittel, zu avanciren; machten doch die Beicht­väter Minister und Generäle!

Während so die Wachtstube sich mit Balder beschäftigte, war er bei dem General vorgelassen worden.

Ihr seid August Balder von T . . ?" fragte ihn dieser in französischer Sprache.

> Dieselbe war unter den höheren Offi­zieren üblich.

Zu dienen, Herr General"", er- wiederte der junge Mann in gleicher Sprache.

Wie lange dient Ihr im Regiment?"

Seit zehn Monaten, Excellenz.""

Habt Ihr Liebe für das Militär­wesen?"

,Herr General . .

Keine besondere; das sehe ich! Für wie lange seid Ihr engagirt?"

Noch für fünf Jahre.""

Und dann?"

Was ich dann thun werde, weiß ich !noch nicht"", antwortete Balder, der an­statt dieses Examens lieber erfahren hätte, warum er berufen worden war.

Thäte es Euch leid, Eure Kompagnie zu verlassen?"

Nein, Herr General, im Gegen- theil.""

Im Gegentheil? Seid Ihr mit etwas besonders unzufrieden?"

Der junge Mann sah den General an, als ob er die Erlaubnis; holen wollte, frei zu sprechen.

Nur heraus! fuhr dieser fort."

Herr General, mein Hauptmann und ich mögen einander nicht."

Und die Folge davon?"

»Ist, Herr General, daß man mir keinen ruhigen Augenblick läßt."

Euren Hauptmanu kenn' ich ein wenig, ein guter Soldat, aber kein bequemer Ge­fährte im klebrigen. Wäret Ihr ihn gern los?"

Wenn es sein könnte, so thäte cs mir allerdings nicht leid."

Uiglio ck'un vlvtante! Ihr sprecht von der Leber weg!"

Bei diesem Ausruf hatte Balder, wie er es vorausgesehen, Mühe, seinen ganzen Ernst zu bewahren.

Ich beantwortete nur Ihre Frage, Excellenz."

Schon gut. Wolltet Ihr gern Offi­zier werden?"

Daran denke ich nicht; meine Leist­ungen werden mich nie so weit bringen, und Geld habe ich keines, um eine Stelle zu kaufen."

Ein Familiensohn und kein Geld!"

So ist es, Excellenz", erwiederte Balder mit einiger Zurückhaltung; denn er fühlte sich nicht verpflichtet, seine Ge­schichte oder was man als solche bezeichnen muß, zu erzählen.

Wenn nun aber das Geld gefunden und Euch eine Stelle zugesichert wäre?" fragte der General.

Ja, dann aber wie sollte das möglich sein?"

Da nehmt und leset selbst."

Herr von Salis reichte Balder einen offenen Brief, der so lautete:

Herr General! Ich habe den Auf­trag, für August Balder von hier, der als Gemeiner im zehnten Schweizerrcgi- ment dient, eine Lieutenantsstelle zu kaufen, und ersuche Sie, selbe zu besorgen. Die erforderliche Summe kann bei dem Banquier- hause S ... in Bologna eingezogen wer­den und eben dort wird dem jungen Balder ein vierteljährlicher Kredit von zweihundert römischen Thalern eröffnet werden. Haben Sie die Güte, Herr Gene­ral, ihm das mitzutheilcn, und genehmigen Sie die Versicherung meiner vollkommenen Hochachtung. Ihr ergebener.

A'..., den 18. März 1830.

Ehr. Lemvnt, Banquier.

(Fortsetzung folgt.)

Sonntags-Jagd.

Von B. Rauchenegger.

(Fortsetzung.)

Während Vierling sich zu einer An­rede räusperte, nahm Brenner die Flinte in die Hand; im selben Moment kreischte das Mädchen laut auf:Jessas, Maria und Joseph! zu Hülfe, Sultl, Sultl" und floh, wie von Furien gepeitscht, davon. Ehe sich die Freunde von ihrer Uebcrrasch- ung erholten, hörten sie das laute An­schlägen des Hofhundes, den das Mädchen eben von der Kette löste. Die stämmige Dogge stürzte mit lautem Wuthgeheul auf die Jäger los, welche mit seltener Geistes­gegenwart den Moment erfaßten und wie der Blitz ins Haus sprangen und die Thüre hinter sich zuwarfen, den armen Dackel als Opfer des Molochs zurücklaffend. Der rasende Sultan, ein Vieh von der Größe eines ausgewachsenen Kalbes, sprang mit aller Hraft an der Thüre in die Höhe! es gelang ihm aber glücklicher Weise nicht, den Drücker zu berühren. Darauf wandte sich das Ungethüm zähnefletschend gegen den fremden Hund, der zitternd, mit ge­senktem Haupte und eingezogenem Schweife das Ende seiner Tage erwartete. Allein Sultan war großmüthig, knurrte den kleinen Dicken nur drohend an und legte sich pflichtgetreu vor die Schwelle des Hauses. Die Tochter des Hauses erschien nun vor dem Zaun, rief noch:Paß' auf, Sultl" und entschwand dann eiligen Laufes, um im nächsten Dorfe Succurs gegen die ver­meintlichen Räuber zu holen.

(Fortsetzung folgt.)

Wie sind denn die Cigarren hier?" Wenn man dazu Bier trinkt, gehen sie an."Und das Bier?" Man muß dazu rauchen, dann macht es sich auch."

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.