empfangen habe. Die Feier des Tngsj sei deßhalb ein Recht und eine Pflicht. Redner erinnert schließlich an die wirklich kaiserlichen Worte in der Kaiserproklamation mit dem erhabenen Ziel der Erhaltung und Mehrung der Güter des Friedens. Sein warmes Hoch gilt dem Reich und seinem Heldenkaiser. „Deutschland, Deutschland über Alles" durchwehte als patriotischer Zug die mit allseitigem Beifall aufgenommene Rede. — Forstmeister Graf v. Nxkull gibt in sinnig empfundenen, das Rauschen des Stromes der Zeit symbolisirendeu Worten den ernsten Gefühlen, die an diesem Tage unser Herz durchziehen, Ausdruck, gedenkt der Tvdten und Verwundeten, die Leben und Blut eingesetzt und dem Vaterlande -rreue gehalten haben. Der Tag sei und bleibe ein nationales Denkmal, an dem die Zeit mit ihren Mahnungen nicht spurlos vvr- übergehen möge. Unser» Dank und unsere Wünsche faßt Redner in ein lebhaft unterstütztes Hoch auf den Kriegerverein. — Reällehrer Rivinius mahnt und bittet, die aufwallende Begeisterung nicht verfliegen zu lassen, sondern die in den Tagen der nationalen Wiedergeburt, in großer ernster Zeit so theuer errungenen Güter als treue Bürger des Vaterlandes zu wahren, weiter zu pflegen und sich dadurch für den inneren Frieden und Volkswohlfahrt selbst geschickt und würdig zu erhalten. Es sei dies heilige Pflicht, auf der des Vaterlandes Beruf und Kraft beruhe ; Deutschlands Heil und Einheit weiht er seinen eindringlichen Trinkspruch. — Forstassistent Hosfmann hat die Poesie des Waldes in den Saal verlegt und betont, als welch' ein werthvoller Baustein unser Württemberg in den Bau des deutschen Reiches cingefügt sei; diesen Baustein verunzieren weder konfessionelle Streitigkeiten noch socialdemokratische Wirrsale wie im Norden des Vaterlandes. Dies Alles haben wir der weisen Regierung und dem aufrichtigen und festen Willen Sr. Mas. unseres Königs Karl zu verdanken, ihm gilt sein begeistert aufgenvm- mener Trinkspruch. — Krieger Regelmann rühmt die Heerführung der süddeutschen Truppen in einem Toast auf den Kronprinzen des deutschen Reichs. — C. Loos, erfüllt von dem selbst mit Erlebten, führt einige erhebende und rührende Momente bei Sedan vor Augen und gedenkt der sympathisch verbundenen Gefühle mit den treuen patriotischenLieben zuHause. Er und seine Kameraden bringen der treuen Bürgerschaft ein feuriges Hurrah! — Noch kommt unter kurzem Hinweis auf das bedauerliche Mißgeschick, das den deutschen Turnverein in Paris in den letzten Tagen betroffen, die Parabel „der Einzug im Himmel am 2. September 1870" zum Bortrag. An dessen Schluß wird „der Wacht am Rhein", ihrer genialen, militärischen und kraftvoll deutsch-diplomatischen Führung gedacht mit einem Hoch auf das Dioskuren-Paar Moltke und Bismarck. — Oberamtsarzt Fischer widmet unserm Invaliden Audräs Worte der Anerkennung und herzlichen Mitgefühls mit den besten Wünschen für sein Wohlergehen.
Man könnte glauben, daß bei den sich jährlich wiederholenden Themata sich die
selben Worte begegnen. Der heutige Abend brachte des 'Mehreren neue und originale Gedanken, Geist und Herz anregend, welche die Feier zu einer erhebenden gestalteten. Möge sie in der Erinnerung haftend, gute Früchte bringen.
Ausland.
Anläßlich der Widerwärtigkeiten, welche den deutschen Turnverein in Paris betroffen haben, sagt die Trib. man muß sich davor hüten, den Ernst der Angelegenheit zu unterschätzen, und Eine Lehre wenigstens muß aus derselben gezogen werden. Niemand unternehme es, nach Paris zu gehen, um sich dort seßhaft zu machen, wenn er nicht zuvor ein klares Bild davon hat, auf welche Weise er dort seinen Unterhalt erwerben will. In fast unbegreiflicher Weise hat Paris bald nach dem Kriege seine alte Anziehungskraft auf die Deutschen wieder ausgeübt und während in den deutschen Zeitungen von den wilden Revanchegelüsten der Franzosen die Rede war, gingen viele Deutsche dorthin, um sich in den offenen Höllenrachen zu stürzen. Mehrfach ist die Klage darüber geführt worden, daß massenhaft Deutsche nach Paris kommen in der Ueberzeugung, daß sie dort leicht Gelegenheit haben werden, ihren Unterhalt zu erwerben, ohne daß sic einen bestimmten Anknüpfungspunkt dafür haben, und sie fallen alsbald der Wohlthätigkeit ihrer wohlhabenden Landsleute zur Last. Ein Deutscher, der nach Paris geht, um sich dort niederzulassen, soll sich zuvor darüber klar werden, daß er aus freundliches Entgegenkommen nicht zu rechnen hat, sondern in jedem Augenblick darauf vorbereitet sein muß, als ein unwillkommener Gast behandelt zu werden.
London, 2. Scpt. General Wol- seley depeschirt aus Jsmailia: „Ich erwarte nur die vollständige Organisation des Transportdienstes, ehe ich weiter vorrücke". Wolseley nahm an, die Eisenbahn und den Kanal zur Proviantirung der Truppen in der Front benutzen zu können; der Feind versperrte indeß die Bahn und den Kanal durch Dämme. Die Hindernisse sind jetzt beseitigt.
Wie der „Times" ans Alexandrien telegraphier wird, nimmt man daselbst an, daß General Wolseley, durch die schottische Brigade verstärkt, Montag einen allgemeinen Angriff machen wird.
Die Frage betreffs der englisch-türkischen Militärkonvention hatte auch bis 2. Sept. noch keine Lösung gefunden.
Mehr Sorge als der Abschluß der Militärconventivn mit der Pforte wird der englischen Regierung die Auflehnung der irischen Constabler bereiten. Sämmt- liche Polizisten — einschließlich der entlassenen — 883 Mann haben ihre Thätig- keit eingestellt. Nur die höheren Beamten, Jnspicicnte» und Sergeanten sind auf ihren Posten geblieben. Auf die Aufforderung des Vicekönigs haben sich zwar 400 Personen zur Bildung eines besonderen Polizeikorps einschreiben lassen. Es leuchtet aber ein, welche Gefahr eine so weit verzweigte Bewegung in sich birgt, es ist indes; immerhin noch möglich, daß bei Entfaltung großer Energie seitens des irischen Statthalters die Auflehnung lokalisirt bleibt.
MisMen.
Die preußische Spionin.
Eine Geschichte aus Seda».
Von Robert von Hagen.
(Schluß.)
„Ehrwürdige Schwester," sagte sie zu der Nonne, die draußen im Lehnstuhl geschlummert hatte, „mir ist nicht wohl, bitte, vertreten Sie mich!" Dann flog sie in ihr Zimmer, schloß sich ein, und in einen Thränenstrom ausbrechend, zitterten auf ihren Lippen die Worte: „Er liebt mich! Oh Gott, oh Gott! ist es den» möglich?"
Die Krankheit nahm einen schnellen günstigen Verlauf. Louise konnte sich nun wieder ganz der Erziehung der Kinder hingeben. Armand war Reconvaleszent. Er zählte natürlich zu den Kriegsgefangenen, doch war ihm der Aufenthalt im Hause seines Vaters auf Ehrenwort weiter gestattet worden. Eines Tages erschien ein stattlicher preußischer Offizier, geziert mit vielen Ehrenzeichen, im Hause des Bürgermeisters. Er wurde in das Krankenzimmer geführt. Ehe er jedoch ein Wort sprechen konnte, wurde plötzlich die Thür aufgerissen, und alles Ceremoniell vergessend, stürzte die Gouvernante in den Gartensaal.
„Friedrich!" — „Louise!" ertönte es gleichzeitig, und Bruder und Schwester lagen sich in den Armen.
Armand wurde leichenfahl — die Sinne drohten ihm zu schwinden!
„Es ist ihr Bruder, der Kapitain Burkhart, " sagte Frau Bornadelle zu dem starr dasitzenden Reconvaleszenten. Sie, das Weib, sie hatte ja längst in dem Herzen des Sohnes gelesen — sein Geheimniß errathen!
Ueberspringen wir nach dieser Scene den Zeitraum von zwölf Jahren. Es ist in Faxe, Kanton Delme, auf deutsch-lothring- schem Gebiete. In dem herrlichen Garten einer reizenden Villa, über deren Eingang in goldenen Lettern der Name „Louise" prangt, sitzt der alte Papa Bornadelle, früherer Bürgermeister von Sedan, schmaust behaglich seinen petit, Oorporak und sieht lächelnd zu, wie seine beiden Enkelkinder Charles und Frederic „Franzose und Preuße" spielen. „Papa, Papa," ruft Charles, „Friedrich will sich nicht ergeben!" „Ja, Du mußt ihn dazu zwingen," sagt Monsieur Armand Bornadelle, dessen zwei Wangennarben von einem schönen dichten Backenbart bedeckt sind; „dazu gehört aber nicht immer rohe Gewalt, mit etwas Klugheit geht's oft noch besser. Hab'ich Recht, Schwager Oberstlieutenant?"
„Laß mich mit dem Oberstlieutenant in Ruhe!" erwiderte der Oberstlieutenant Burkhart, der von Metz herübergekommen ist — „wenn ich in Civil bin, hängt der Soldat drüben in Metz im Kleiderschrank!"
„Ja, theurer Armand, laß jetzt diese Kriegserinnerungen, wenngleich der Krieg unser ganzes Lebensglück begründet hat — gehen wir in's Haus! Mama wartet schon mit dem Thee!" so spricht Frau Louise Bornadelle geb. Burkhart. —
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.;