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habe mich bitter zu beklagen. Ich kenne Eure Gesetze nicht, habe mich auch niemals darum gekümmert; wenn Eure Gesetze Euch aber das Recht geben, zu thun, was Ihr gethan habt, so sind sie elend; wenn Ihr die erste beste anständige Dame in der Weise behandeln dürft, wie ich es habe erdulden müssen, so ist es infam. Ich habe nicht die Ehre, Sie zu kennen, mein Herr, habe deshalb auch keinen Grund, an Ihrer Ehrenhaftigkeit zu zweifeln, und deswegen werden Sie mir beistimmen müssen, wenn ich Ihnen sage, das; man mich gestern aus einen beliebigen Wisch hin von der Table d'hote im Hotel zum Skandal der Menschheit weggeholt, daß man mich auf mein Zimmer gebracht und bewacht hat, als wäre ich eine Verbrechern:, daß man mich in der Gesellschaft zweier nach Tabak und Alkohol duftenden Individuen wie ein lebloses Colli verladen und hicher befördert hat. Alles Das ohne mir auch nur einen Grund für dieses mehr als seltsame, erbärmliche und unwürdige Verfahren anzugeben ! Was haben Sie mich zu vernehmen, als hätte ich einen Mord verübt? Ich bin freilich nur ein Weib, aber Das schwöre ich Ihnen zu. Diejenigen, welche die Verantwortlichkeit für meine Beraubung der Freiheit zu tragen haben, sollen noch ein Wörtchen von mir zu hören bekommen; und ohne zu wissen, wer diese Subjekte sind, bezeichne ich sie ganz einfach als Elende."
„Beruhigen Sie sich, Madame", nahm Hocker das Wort, „wenn Ihnen Unrecht geschehen ist, so seien Sie versichert, daß es wieder gut gemacht werden wird."
„Haha! Womit wollen Sie cs denn gut machen? Dazu haben Sie gar nicht die Macht in den Händen!" rief die Baronin leidenschaftlich und ein bitteres Lächeln spielte um ihren Mund. „Was sind das für traurige Phrasen vom „Wiedergutmachen"! Der gute Ruf der Frau ist wie die Blume, mein Herr! einmal geknickt erblüht er nicht wieder."
„Aber mäßigen Sie sich doch", beschwichtigte Hocker nochmals.
„Ich mich mäßigen?" schrie die Baronin immer leidenschaftlicher. „Ich soll wohl gar noch die hohen Herren, die mich mißhandelt haben, um Vergebung bitten? Man hat mich niederträchtig, ich wiederhole es, niederträchtig behandelt, ohne irgend einen Grund. Und da reden Sic von Mäßigung? Wer sind Sie denn, der Sie so mit mir sprechen?"
Hocker bemerkte zu seinem Schrecken, daß ihm die Herrschaft, deren er in seiner Stellung bedurfte, schon nach den ersten Worten der Baronin aus den Händen gerungen war. Er hatte sich noch nie in einer solchen Verlegenheit befunden, wie jetzt. Es widerstrebte ihm, barsch und rücksichtslos der Dame gegenüber anfzutreten. Er versuchte es noch einmal in Güte.
(Fortsetzung folgt.)
Kairo.
(Fortsetzung.)
Von neueren Bauwerken ist in Kairo selbst nur die Moschee Mchemed Ali's auf der Citadelle zu erwähnen. Es ist
in Reisehandbüchern, denen die meisten Reisenden nachsprechen, üblich, über ihre Schllosigkeit zu schelten und geringschätzig von ihr zu sprechen. In reinem Styl ist sic allerdings nicht gebaut. Trotzdem machen sich aber das Großartige ihrer Anlage und der Gesammteindruck ihres Innern geltend. Die hohe Mittelkuppel, umgeben von vier kleineren, das gedämpft durch farbige Scheiben entfallende Licht, die Farbenpracht der Kuppeln und Wände — die letzteren aus Alabaster von der Farbe angerauchten Meerschaums, die erstere» gemalt — machen entschieden einen imponirendeu und bedeutenden Eindruck. Daß der Styl nicht rein, daß Einzelnhciten unfein oder unschön sind, stört diese Gesammtwirknng so wenig, daß nur eine genauere Betrachtung des Details überhaupt diese Dinge zum Bewußtsein bringt. Mir schien es, als entsprächen ihr Glanz und ihre Pracht ganz ihrem Platze da oben auf der Cidatelle, im Strahlenlicht der ägyptischen Sonne, herabschauend auf ein farbenliebendes Volk und auf die große farbenreiche Stadt, deren Krönung sie zu sein scheint; wie denn ihre Kuppel und ihre nadelfeinen Minarets das Wahrzeichen Kairo's aus weitester Ferne sind.
Seit Mehemed Ali sind in Aegypten keine Moscheen und Paläste von Bedeutung mehr gebaut worden, mit einziger Ausnahme des neuen Palastes auf Geziret, gegenüber von Boulaq, welchen die deutschen Architekten v. Diebitsch und Frantz für den Vicekönig bauten. Aeußerlich unbedeutend, vereinigt dieser Palast, und noch mehr der dazu gehörige, 150 Meter lange Gartenpavillon, in seinem Innern Alles, was Geschmack, Pracht und schöpferische Phantasie zusammenwirkend in orientalischer Art schaffen können. Eine Pracht, wie man sie auch an den ersten Höfen Europa's kaum finden wird, zugleich aber eine Feinheit, Mannigfaltigkeit und zauberhafte Schönheit der Zimmerarchitektur, wie sie selten mehr Vorkommen mag: man fühlt sich in dem „Tausend und Eine Nacht" der Märchen. Mehr als 300,000 Pfd. St. (3,600,000 fl.) kostet freilich diese Anlage. Dafür ist ihr Besitzer aber auch der Vicekönig von Aegypten, Jsmael Pascha, der selbst in der geldarmstcn Zeit (1867) noch Geld genug hatte, um Standuhren und ähnliche Dinge von massivem Gold zu kaufen. Bescheidener hat Mehemed Ali gelebt. Selbst der schöne Kiosk von Schubra, sein Lieblingsaufenthalt, hält keinen Vergleich mit diesem neuen Palast Jsmael Pascha's aus.
(Schluß folgt.)
(Zum Jnserateuwesen.) Die erste Veröffentlichung von Familiennachrichten durch die Zeitungen soll im Jahre 1822 im „Leipziger Tageblatt" erschienen sein. Dieselbe ging vom Pastor Dr. Gottlieb Bauer aus, der den Tod seiner Frau zur öffentlichen Kenntnis; brachte. Dieser erließ, theils um diesen neuen und kühnen Schritt zu rechtfertigen, theils um zur Nachahmung aufzufordern, gleichzeitig eine längere Ansprache an die Bürger, in der er auf die Vortheile des betretenen Weges
aufmerksam machte, wie auf die Ersparnis; von Zeit, Laufereien und Kosten. Freilich ohne rechten Erfolg, der Versuch blieb vereinzelt: speziell in Leipzig wagte es noch ein Bürger, ein Ziungießer, das Beispiel des Pastors Bauer nachzuahmen und seine Hochzeit auf dem Wege des Inserates zu proklamiren, und 1823 fand sich ein vorurtheilsfreier Senator in Wurzen, der Freunden und Verwandten in derselben Weise die Geburt des siebenten Söhnchens anzeigte. Welcher Wechsel seitdem in dem kurzen Zeitraum von sechzig Jahren! Heut zu Tage muß man den Freunden und Verwandten gegenüber besondere Rechtfertigungsgründe haben, wenn man ein Familiencreigniß nicht durch die Blätter veröffentlicht.
(Bei der Aufstellung zur Parade.) Sergeant: „Brandl zieh':: S' halt in drei Teufels Namen Ihr Sturmband besser an!" — Brandl: „Dann kann ich nicht mehr schnaufen, Herr Sergeant!" — Sergeant: „Braucht's net, — jetzt wird überhaupt net geschnauft. (Fl. Bl.)
(In der Güterhalle.) „Werfe' Se' mol des Kistche' do 'ruinier, wo „Piano" druffstcht." (Fl. Bl.)
Aus dem Fragekasten des W. Wochenblatts für Landwirthschaft theilen wir folgendes mit:
Frage: Welches ist das beste Mittel gegen Schwaben in Küchenräumen, wenn Hausmittel und Schwabenpulver vergebens angewendet wurden?
Antwort: 1) Wenn die Löcher sichtbar oder erreichbar sind, in welchen sie sich bei Tage aufhalten, so bläst man mittelst eines Röhrchens echtes persisches Insektenpulver hinein und verstreicht die Löcher sofort mit etwas Gyps. 2) Ist dieses nicht auszuführen, so wendet man Ködermittel an, namentlich mit Bier angefeuchtete Lappen, unter diesen sammeln sie sich massenhaft, und man kann sie, wenn man flink ist, hier leicht todttreten oder schlagen. Die Hauptjagdzeit beginnt um 11 Uhr Nachts und muß man sie mehrere Male wiederholen. Auch mit Syrup angemachte Phosphorpasten, die man Abends legt und Morgens wieder beseitigt, sind wirksam.
Küchenkaknder über Wild u. Fische. August.
Empfehlenswert
und daher gesetzlich erlaubt: Hirschwildpret. Rchwildpret vom Bock.
Wildenten.
Vom 15. August ab:
Hasen. Fasanen. Rebhühner. Wachteln. Salm. Rothfisch. Forellen u. Aeschen. Aal. Karpfen. Barben. Hecht. Barsche. Krebse.
Ungesund oder unzeitgemäß und deßhalb verboten:
Wildpret von Hirschkühen und Rehgaiscn.
jklK» Für die Monate August und September nehmen sämmtliche Poststellen, unmittelbar oder durch die Postboten
Wellungen auf den Enchiiler
zu ^ des Quartalpreises an.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.