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derselbe heute Vormittag unter der Beschuldigung, au der Ermordung seiner Frau Theil gehabt zu haben, eingesteckt werden würde, so hätte ich mich natürlich dafür bedankt. Aber Du kennst ja mein altes Pech. Es sollte mich gar nicht wundern, wenn ich als Zeuge vorgeladen werden müßte, und zu erklären gezwungen wäre, in welcher Gesellschaft ich den gestrigen Abend zugebracht habe. Das wird eine schone Geschichte werden! Meine Braut! Meine Braut! Und meine künftige Schwiegermutter! Sie kratzt mir die Augen aus. Und es war wahrhaftig so unschuldig. Sie Sache war nämlich so: Ich sitze auf der Terrasse und langweile mich. Da sehe ich an einem kleinen Tische neben mir die nette kleine Mademoiselle Rose mit unserer ersten Liebhaberin, Fräulein Dorn, und einem Herrn, mit dem ich in den letzten Tagen bei der Table d'hote in der Rcichskrone verschiedene Male zusammen gegessen habe. Wir hatten uns einige Tage vorher bekannt gemacht — es ist ein Lieutenant von Dambach, und aus dummer Gutmüthigkeit, wahrhaftig ans dummer Gutmüthigkeit, halte ich es für meine Ritterpflicht, ihm die Sorge um zwei Damen etwas zu erleichtern. Ich begrüße ihn also, er bietet mir einen Stuhl an, ich setze mich zu ihnen, wir schwatzen dummes Zeug, und diese kleine Mademoiselle Rose, die immer Hunger hat, kommt auf den unglücklichen Gedanken, zu soupircn, Fräulein Dorn secundirt, Dambach aceeptirt, und nun frage ich Dich, was soll ich machen? Ich werde also zu diesem Souper gepreßt und werde sogar beauftragt, dasselbe vorher zu bestellen, Zu meinem Entsetzen hängt sich Mademoiselle Rose gleich an meinen Arm, und ich habe daS Vergnügen, vor dem versammelten Publikum durch die halbe Stadt mit dieser mir vollständig fremden Dame am Arme zur Reichskrone zu pilgern."
Der Untersuchungsrichter Hocker vergaß seine Würde so weit, daß er lächelte.
„Du hast gut lachen", sprach Reinhard, „Du hast keine Schwiegermutter und keine Braut. Aber versetze Dich einmal in meine Situation, und dann wirst Du Dir vorstellen können, welches Vergnügen ich empfand, als ich mit der fremden Dame am Arme nach der Reichs- kronc pilgerte. Wenn mich, den solidesten aller Bräutigams, irgend Einer meiner Bekanntschaft gesehen hätte, ich wäre ein Kind des Todes gewesen. Ich behauptete deswegen auch, daß ich an Zahnschmerzen litte, um auf irgend eine plausible Weise mir die Hälfte des Gesichts mit dem Taschentuche bedecken zu können. Na, es ging noch Alles gut. In der Reichs- kronc wurde das Souper bestellt. Nach einer halben Stunde ungefähr kamen mein hinterlistiger Lieutenant mit Fräulein Dorn und etwas später ein anderer Herr, auf dessen Erscheinen Herr von Dambach uns schon vorbereitet hatte. Es war ein alter Bekannter von ihm, der uns als Herr von Klattau vorgestellt wurde."
(Fortsetzung folgt.)
j Kairo.
(Fortsetzung.)
Niemand kann die Farbenpracht, die weißen, rothen, grünen Turbans, die gelben, braunen, blauen, rothen und weißen Gewänder, die prachtvollen bunt- seidenen Kopf- und Halstücher (Küssten), die gold- und silbergestickten Jacken und Burnusse, die goldenen Hals-, Arm-, und Ohrgehänge der Frauen, auch oft der unscheinbarsten Fellah-Weiber, Niemand endlich den alles verschönernden Glanz ägyptischen Sonnenlichts beschreiben, die so wesentlich in diesem Bilde Mitwirken, Niemand endlich aber auch eine Vorstellung geben von dem unaufhörlichen Geschrei, das dieses Gedränge belebt. Der Araber kann nicht leben, ohne seine Stimme zu üben. Selbst die einfachste Unterhaltung führt er meist in so lautem und ausdrucksvollen Tone, daß, wer die Unterredenden nicht sieht und die Sprache nicht versteht, allemal glaubt: man streite sich auf's Heftigste. So gebraucht er denn auch seine Lunge auf der Straße unaufhörlich, um sich den Weg zu bahnen. Alle Augenblicke ertönt hinter oder vor einem der Ruf „Schemalak!" (zu deiner Rechten), „Diminak!" (zu deiner Linken), „Riglak!" (dein Bein), „Guarda!" (Achtung) w., womit die oft in schnellem Trab durch dieses Gedränge fahrenden Kutscher oder ihre Vorläufer (Sais), die den Weg bahnen müssen, oder Esclsjungen und anderes Volk sich Platz verschaffen und dem Begegnenden sagen, nach welcher Seite er ausweichen soll. Dieser Sitte verdankt man es wohl hauptsächlich, daß, trotz der engen Gassen und des ungeheuren Verkehrs, in Kairo Unglücksfälle fast nicht Vorkommen. Dem Europäer freilich wird es im Anfang angst und bange in dem Gedränge, weil er alle Augenblicke meint: da müsse einer von einem Wagen gestreift, oder dort von einem Pferd überritten, oder von einem beladenen Esel umgestoßen werden. In Kurzem aber gewinnt man das Gefühl völliger Sicherheit und befindet sich sehr wohl in dem Gedräng, indem man den verschiedenartigsten Warnungsrufen genau Folge leistet. Was dieses Straßenleben so angenehm macht, ist einmal die ungemeine Gewandtheit, mit welcher Kutscher und Reitthiere den Weg auch durch das dichteste Gedränge finden, vor dem ein Europäer hoffnungslos die Segel streichen würde, und dann die große Gutmüthigkeit und Gefälligkeit, welche die weit überwiegende Mehrzahl der Passanten, insbesondere die Araber, zeigen, so daß man selbst bei kleineren Zusammenstößen nicht leicht ein böses Wort hören, selbst im größten Gedränge willig Platz finden wird.
Alan muß überhaupt den Araber im gewöhnlichen Leben und in seinen ursprünglichen Verhältnissen kennen lernen, um ihm gerecht zu werden. Cultur freilich fehlt diesem Volke fast durchaus. Aber es hat darum doch seine guten Eigenschaften. Fremde zwar lernen es meist von sehr unangenehmer Seite kennen. Die Zudringlichkeit dieses Volkes an den Pyramiden oder bei der Ankunft im Hafen
jvon Alexandria, und auch sonst häufig, ist meistens über alle Vorstellung und wird nur noch durch die wahrhaft heroische Unverschämtheit ihrer Forderungen übertroffen.
(Fortsetzung folgt.)
Die Unruhen in Aegypten haben, da auch Kairo von ihnen stark berührt wird, vielen Hundert kranken Personen die Unterbrechung ihrer dortigen Kur zur Pflicht gemacht, was verhüngnißvoll für sie werden kann. Kairo ist seit langer Zeit der Zufluchtsort Brustkranker und Schwindsüchtiger, und so mancher Todeskandidat verdankt dem wunderbaren ägyptischen Klima Leben und Gesundheit. Das stärkste Contingent der Patienten stellte England und Rußland; von den deutschen Aerzten schickten mit Vorliebe Schönlcin und Traube ihre schwersten Patienten nach Kairo.
(Briefvcrschluß.) Die Vorschriften der Postordnung, wonach zum Verschlüsse von Briefen, welche nach Gegenden unter heißen Himmelsstrichen gerichtet sind, Siegellack oder ein anderer, durch Wärme sich auflösender Stoff nicht benützt werden soll, bleibt vielfach unbeachtet. Da bei Verwendung derartiger Stoffe leicht ein Schmelzen der Siegel und in Folge dessen ein Zusammcnkleben verschiedener Sendungen eintritt, hierdurch aber Fehlleitungen, Beschädigungen bezw. Verluste von Briefschaften entstehen, so wird im eigenen Interesse der Absender auf die vorbezeichnete Bestimmung wiederholt aufmerksam gemacht.
(Entrüstung.) „Diese Frechheit, schreibt mir der Musikdirektor Keiler, er habe mich kürzlich bei Kommerzienrath Lustmann singen hören und meine Stimme außerordentlich schön gefunden; er bitte mich deßhalb, Mitglied seines „Gemischten Chors" zu werden. Ich, — die Frau des Assessors von Rohreck, geborne von Falkenklau, Mitglied einer gemischten Gesellschaft!" (Fl. Bl.)
Bataillonsarzt (beim Jmpfappell): Wo ist denn der Gefreite Müller?
Gefreiter Schulze: Für drei Tage beurlaubt; ich habe alles Dienstliche für ihn übernommen und soll mich auch für ihn mitimpfen lassen. (I. Z.)
Goldkurs der StaatSkasscnvrrwallung
vom 15. Juli 1882. 20-Frankenstücke . . . 16 22
Frankfurter Course vom 19. Juli 1882.
Geldsortcn. ^
20-Frankenstücke.16 25 20
Englische Souvereigns .... 20 38 43
Ruß. Imperiales.16 80
Dukaten. 49 61 66
Dollars in Gold.16 16 20
Aufträge für den „Ensthäler" vermitteln: in Wtkdvad: Hr. Schovert; in Pforzheim: Hr. Htto AteLer; in Stuttgart und Ilrankfurt a. W>:
HH. Kaafenffei« L Aogker;
Hr. Audokf Waffe.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.