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Ausland.

Die Lage in Aegypten hat sich nicht geändert. Die offiziellen Stimmen in London und Paris fahren fort die Ge­mächer zu beschwichtigen, indem sie auf die jetzt herrschende Ruhe in Kairo und Alexandrien Hinweisen, nach den Privat- meldnngcn von dort aber wird dem schein­baren Frieden kein Vertrauen geschenkt, und die Fremden fahren fort, beiden Städten so schleunig wie möglich den Rucken zu kehren. Die Einen eilen nach Suez oder Port Said, Andere begeben sich aus die vor Alexandrien ankernden Schiffe.

Miszellen.

Lin Glückskind.

(Schluß.)

Nun muß die Dame trotz der Senti­mentalität ihrer Zeit schon in der Jugend die Klarheit und rasche Entschlossenheit besessen haben, die wir noch an ihr be­wunderten» denn sie begriff alsbald, daß es ihr unmöglich sein würde, gegen den Willen ihrer Eltern anzukämpfen, und gab ihrer empfindsamen Neigung mit Energie den Abschied. Wie sie erzählte, hatte sie die Nacht durch geweint, daß sie sich schämte, mit ihren rvthen Augen unter die Menschen zu treten; am Morgen aber schrieb sic ihrem Freunde. Dieser kam, sie theilte ihm den Brief ihrer Eltern mit und fügte hinzu: es gebe wohl keine Wahl, ihre Eltern würden niemals zur Ehe der Tochter mit einem Bürgerlichen ihre Zustimmung geben, denn sie seien in anderen Ideen aufgewachsen und alt geworden; sie aber fühle sich nicht stark genug, auf die Liebe und den Segen der Eltern zu verzichten, denen sie von Herzen zugethan und Dank schuldig sei; auch er, ein Thevlog, könne nicht wollen, daß sie mit dem Fluche der Ihrigen zum Altar gehe. Er stimmte ihr mit schwerem Her­zen bei; sie aber sagte, sie wollten auch in Zukunft einander immer in Liebe ge­denken und, was sie selbst nicht erlangt, an den Kindern erleben; ihren Kindern sollten dereinst veraltete Standesvorur- theile nicht mehr ankleben. Beide kamen hierauf überein, sich jedes Jahr wenigstens einmal Nachricht von einander zu geben. Und nun," wie die alte Dame sich aus­drückte,sahen wir uns eine Weile mit Thränen im Auge an und gaben uns znm Tröste den einzigen, ersten und letzten Kuß und nahmen Abschied. Persönlich zusammengetroffen sind wir nicht wieder, aber jedes Jahr ist ein Brief abgegangen und gekomnien, bis Dein Vater starb. Mir suchten die Eltern einen Mann, und zwar einen braven Mann, den ich lieb hatte, aber Deinen Vater habe ich nicht vergessen. Er aber schien sogar ledig bleiben zu wollen und heirathete erst in späten Jahren. Nach seinem Tode ließ ich mir über Dich berichten und ver­abredete endlich heimlich mit Deinem Vormunde, daß Du als Hauslehrer zu uns kommen solltest. Als Du kamst und ich in Dein offenes Gesicht sah, bestimmte ich Dir schon in Gedanken meine Enkelin. In Euch Beiden ist mir nun die Jugend wieder anferstandcn. So sollten die

Enkel immer verwirklichen, was die Eltern und Großeltern noch nicht durchführen konnten, das gäbe eine Welt, daß der Herrgott sich darüber freuen müßte!"

So war denn mein Glück schon ent­schieden, ehe ich es für möglich hielt, und welches Glück!

Anfangs zogen wir zum Onkel Felix. Das junge Paar sollte sich erst cmaneipircn, und er bot wiederholt sein Hans an, das ihm zu einsam werde. Dort hauste ich ein paar Jahre mit meinem Weibchen; wir hatten einen Jungen und ein Mäd­chen, an denen der alte Herr noch seine Freude erlebte, dann starb er, und wir erbten sein schönes Gut. Da vertraute mir Gertrud eines Tages: die Ihrigen lebten jetzt so einsam, Rudolf diente sein Jahr, Hugo studirte sie wünschten sehr, daß wir zu ihnen zögen, aber sie solle mir dies eigentlich noch nicht mit­theilen, sondern nur auskundschaften, was ich darüber denke. So zarte Rücksicht nahmen die gegen mich, denen ich so Un­endliches schuldig war. Es versteht sich von selbst, daß wir dem Wunsche zuvor­kamen, indem wir ihn äußerten. Wir bewohnen das eine Stockwerk, die alten Leute das andere, aber wir sind nur eine Familie, und was sonst so oft zum Un­heile gereicht, wurde uns eine Quelle des schönsten Glücks. Die Landwirthschaft ist uns eine gesunde und segensreiche Be­schäftigung; freie Zeit wird mit wissen­schaftlichen Dingen ausgefüllt; lustige Leibesübungen wechseln mit Borlesen, Musik und Gesang, Schach- und Karten­spiel. Vielfache Sorgen für die Unsrigen, für die Arbeiter, für die Bewohner unserer Herrschaft erhalten uns die Herzen frisch: meine Frau ist, je mehr sie selbst Kinder hat, um so mehr eine Mutter für die Armuth der ganzen Gegend geworden. Wir waren bis jetzt noch keinen Tag ge­trennt, und es ist mir schwer geworden, selbst diese kurze Zeit mich loszureißen. Gern möchte ich, daß ihr sie sehen könntet, die prächtige Frau! Freilich so schön ist sie nicht mehr wie als Mädchen, ihre schlanke Figur ist stark rundlich geworden, aber hübsch genug ist sie noch immer, und ihr köstliches Herz leuchtet aus jedem Blick und schallt aus jedem Wort..."

(Blaue Hortensien.) Um den Blüthen der rosenrothen Hortensien eine schöne blaue Färbung zu geben, ist schon vieles versucht worden. Durch Zusatz von Eisen­feilspänen zur Erde oder durch Begießen mit einer Auflösung von Eisenvitriol zeitig im Frühjahre, wenn die Vegetation beginnt, gelingt es zuweilen mehr oder weniger, blaugefürbte Blüthen zu erzeugen. Sicher aber ist die Wirkung nur, wenn die Pflanzen in gewisse Erhärten versetzt werden, welche die Eigenschaft besitzen, die blaue Färbung hcrvorzubringen. Es ist dies vorzugsweise der torf- oder moor­haltige Boden, welcher häufig auch Eisen- bestandtheile enthält Boden, auf dem das Wasser eine brannrothe Färbung an­nimmt, oder einen solchen Niederschlag absetzt. Ob der Torfboden, der keine Eisentheile enthält, was selten der Fall sein wird, dieselbe Wirkung ausübt, ist noch nicht festgcstellt. Es dürfte sich

empfehlen, den Versuch zu machen, Wasser eine Zeitlang über Eisentheilen (Feil- spänen, Hammerschlag, rostigen Eisen- thcilen rc.) stehen zu lassen und die Pflanzen damit zu begießen. (Fdgr.)

(Eine Schulmeister-Familie.) Durch einen Zufall erfährt der H. Cour, heute von der Existenz einer Schulmeister-Fami­lie in Ostpreußen, wie eine gleiche reiner und unverfälschter im ganzen Reiche Wohl kaum zu finden sein dürfte. Eben diese Familie, welche den Namen Mithin trägt und in Gr.-Pcisten bei Landsberg in Ost­preußen wohnt, kann ihren Stammbaum in direeter Folge bis auf das Jahr 1630 zurückleiten, hätte also vor zwei Jahren ihr zweihundertundfünfzigjähriges Jubi­läum feiern können! Und zwar sind die Schullehrer dieses Namens in den 250 Jahren immer auf der Stelle in Peisten geblieben; in ununterbrochener Folge hat der Sohn das Amt des Vaters übernommen. Noch mehr aber: jedem Inhaber der ge­nannten Stelle ist cs auch vergönnt ge­wesen, sowohl sein öOjähriges Dienstjubi­läum als auch seine goldene Hochzeit zu feiern! Der gegenwärtige Stclleninhaber ist 62 Jahre alt, äußerst rüstig und schon 41 Jahre im Amte; sein Vater wurde 85, sein Großvater 95 Jahre alt. Sein Sohn aber ist bereits auf dem Seminar in Karlene und bereitet sich auf den Be­ruf des Jugendbildners vor.

(Berechtigte Empfindlichkeit.) Ein Student findet auf seinem Zimmer einen nicht ansreichend frankirten Geldbrief vor; das Postamt bemerkt deshalb wie üblich auf dem Couvert:reicht nicht." Ganz entrüstet über diese vermeintlich ungehörige Bemerkung begibt er sich zum Postamtc und erklärt: es sei allerdings leider wahr, daß das eingcsandte Geld nicht reiche, er müsse es sich aber ernst­lich verbitten, darüber Bemerkungen zu machen."

(Auch ein kritischer Gesichtspunkt.) In der internationalen Kunst-Ausstellung in Wien besah sich jüngst ein Arbeiter die vielen, oft übergroßen Bilder und rief endlich entrüstet:Es ist ein Scandal, so viel Leinwand zu verderben, während so viele Arme nicht 'mal ein Hemd auf dem Leibe haben!"

Neuenbür g.

Mich- und Nacket-Kefirderung.

Bei dem hiesigen Postamt findet die Beförderung in folgender Weise statt:

In der Richtung nach Pforzheim:

gackele":' ^ Morg. 1." Mitt. 6?5 Abds.

Miefe: ^ Morg. 9?3 Abds.

(Kit Zug 2.^ Aach», stmiei keine Zeförierung ftali.)

In der Richtung nach Wildbad: Mcket« 10Z7Vrm. 4. Nachm. 1Y.19 z^ds.

Miefe: 12." Mitt. 7.S7 Abds.

(Mit Zug Morg. findet keine Beförderung statt; mit Zug 7?? Abds. werden nur Briefe nach Wildbad befördert.)

.Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.