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In Cannstatt hat eine Bürgerin der Feuerwehr ein Geschenk von 300 gemacht, von Nennung ihres Namens aber Umgang zu nehmen gebeten.
Tübingen, 15. Mai. Das „Nene Tagbl." berichtet: Der Raubmörder Reich ardt, dessen Begnadigung kürzlich irr- thümlicycrwcise von verschiedenen Blättern gemeldet, wird am Mittwoch früh hinge- richtct. Scharfrichter Schwarz in Och- ringen wurde zur Vollziehung der Todesstrafe telegraphisch berufen.
Neuenbürg, 16. Mai. Am Sonntag waren Mitglieder des Vorstandes des Psorzheimer Verschönerungsvereins hier anwesend, um mit dem Vorstand des hies. Vereins über das auch im Enzthäler schon mehrfach erwähnte Projekt eines Anssichtsthur mS aus der Büchenbronucr Höhe mündliche Unterhaltung zu pflegen, sowie die Anrheilnahmc und das Entgegenkommen Neuenbürgs für diese in na- tnrfreundlichcr Beziehung so willkommene und schätzbare Idee zu gewinnen. Es wurde dabei das Projekt des Näheren erläutert, woraus zu entnehmen, daß der Thurm wenige Schritte von der württ. Grenze zu stehen kommen solle und die Absicht ist, den hübschen Punkt durch einen Fußweg über die Sügmühlen im Größel- thal mit dem nach Neuenbürg führenden Buchwaldwcg in Verbindung zu bringen und zugänglich zu machen; anderseits habe die Gemeinde Engclsbrand bezüglich eines Weganschlusscs sich bereitwillig gezeigt. — Der hiesige Bcrcinsvorstand glaubte den Psorzheimer Herren jetzt schon sagen zu können, daß das Projekt sympathische Aufnahme in Neuenbürg gefunden habe, freilich bedauernd, daß die eigenen, kaum für die nächsten Bedürfnisse ausreichenden Ber- einsmittel ein materielles Mitwirken vorerst nicht gestatten; es werde jedoch in einer demnächst anzuberaumenden Generalversammlung das gemeinnützige Unternehmen der freundnachbarlichen und moralischen Unterstützung Neuenbürgs und der loyalen Würdigung seitens seiner Interessenten ancmpsohlen werden.
Neuenbürg, 17. Mai. Die Witterung ist seit gestern nicht ganz günstig; die Temperatur in vorangcgangcner Nacht brachte, wie aus einigen Ämtsorten berichtet wird, starken Reif, welcher Umschlag nichts Gutes ahnen läßt.
Miszellen.
Lin Hlückskind.
(Fortsetzung.)
Zwei Jahre waren also verlausen, und folglich waren meine Zöglinge dreizehn und vierzehn, Gertrud siebenzehn, ich vierundzwanzig Jahre geworden. Gertrud's Gestalt, vom schönsten Ebenmaß, hatte sich vor meinen Augen entwickelt, die Jugend glühte in ihr in der lebendigen Fülle aller Gaben : ihr reiches blondes Lockenhaar verschmähte, als wür's unzähmbar, den Zopf, ihr regelmäßiges Gesicht blühte in den frischesten und zartesten Farben, ein kleiner üppiger Mund, meist halb geöffnet, verkündete mit seiner Geberdcnsprachc das lebhafte Temperament, die großen blauen Augen, in der Regel von den langen Wimpern halb
j verdeckt, strahlten in Momenten höherer Erregung mit wundervollem Glanze. Wie ein Kobold konnte das Mädchen ausgelassen sein und um die Wette mit den Brüdern nmhertoben, aber im nächsten Augenblicke tag wieder ans ihrem Gesicht und in ihrer Haltung ein Ausdruck von sinniger Ucberlegsamkcit, andächtigem Ernst und schwärmerischer Demnth. Ich meinte, cs könne nichts Schöneres auf der Welt geben. Und dazu war sie bei aller Lust am Leben im höchsten Grade einfach und anspruchslos, uud blieb auch als Fräulein kindlich gefällig, und ihr Dichten uud Trachten hatte sich merkwürdig nach dem — des Hauslehrers gemodelt. Wenn ich beobachtete, wie sie sprach oder handelte, so glaubte ich, mich selbst, nur verschönert, abgcspicgelt zu finden. Natürlich sah ich mich sehr gern in diesem vortheilhaftcn Spiegel und blickte folglich sehr oft hinein. Je mehr ich meine Augen aus Gertrud richtete, desto öfter gewahrte ich, daß die ihrigen nach mir blickten; ich überraschte sic dabei, daß sic träumerisch auf mir ruhten ; ich mußte bemerken, wie sie sich plötzlich von mir abwandten, wenn sich Gertrud überrascht sah; in jedem kretischen Moment richteten sie sich wie fragend nach mir hin. Und nun gewahrte ich weiter mancherlei Auffallendes. Die beständige Scheu Gertrud's, ihr Erröthen und Erbleichen entsprang nicht wie früher ans mädchenhafter Schüchternheit, sondern aus jungfräulicher Befangenheit, denn woher kam sonst der beständige Wechsel zwischen muthwilligcm Uebcrmuth und den Anzeichen gepreßten Herzens? Bisweilen glaubte ich ja auch Seufzer und selbst verstohlene Thräncn wahrzunehmen.
Zuletzt konnte ich nicht mehr daran zweifeln, daß mir Gertrud ebenso zuge- than war als ich ihr.
Wie ich vorhin sagte, war es nicht meine Sache, mich mit unnützen Serupeln zu plagen; wollten sic doch einmal lästig fallen, so warf ich sie geschwind über Bord. Aber jetzt kam auch für mich eine Zeit, wo mir die Bedenken über den Kopf wuchsen. Wer liebt, der sorgt; ich hätte meine Liebe selbst mit aus dem Herzen reißen müssen, um der Sorge los zu werden. Im beständigen Zusammensein mit Gertrud stand ich unter der Herrschaft meiner Leidenschaft und vermochte keinen Entschluß zu fasten. Es war mir deshalb sehr gelegen, als schöne Sommertage zu einem Ausflüge auffordcrten. Ich begab mich mit meinen Zöglingen auf eine größere Fußtour und hoffte, dabei freier über ineine Lage denken zu lernen.
(Fortsetzung folgt.)
Wichtig für Biertrinker. Die bevorstehende warme Jahreszeit veranlaßt uns, die Biertrinker vor den zersetzenden Wirkungen des Sonnenlichts auf den Gerstensaft zu warnen. Die bayrische Sitte, das Bier aus Krügen zu trinken, ist hauptsächlich darauf zurückznführen, daß der Inhalt dieser Trinkgcfäße vor den Sonnenstrahlen geschützt bleibt. Wir Norddeutsche trinken unser Bier aus durchsichtigen Flaschen und ahnen oft nicht, daß, wenn sich dasselbe als eine übel- schmeckendc harzig bittere Flüssigkeit er
weist, wir selbst an diesem Uebelstande schuld sind, weil wir das Bier den Sonnenstrahlen ausgesetzt haben. Wünschenswertst wäre es, wenn die Brauereien durch Warnungen hierauf aufmerksam machten. Die Holstenbrauerci hat damit den Anfang gemacht, indem sie ähre Flaschenbier- Erzeugnisse mit der Warnung: „Bor Sonnenstrahlen zu schützen", versehen läßt.
(Ans einem Fisch bauch.) Ein guter Magen kann Alles vertragen, sofern nämlich sein glücklicher Besitzer ein währschafter Salm ist. Zn diesem tiefsinnigen Ansspruche hat uns Hr. Fischhändler Friedr. Wihl, Glaser in Basel verholfcn, indem demselben am Samstag morgen die gewiß noch nie dagcwesene Merkwürdigkeit passirte, daß er im Magen eines aus der Ostsee stammenden Salinen ein offenes Taschenmesser von 19 Zentimeter Länge und 73 Gramm Gewicht vorfand. Der betreffende Salm, ein gesunder, acht Kilo schwerer Bursche von der Länge eines Meters muß jenes Messer bei dessen Niedersinkcn in's Meer aufgeschnappt und ohne Beschwerden hinuntergewürgt haben. Das Messer das ein eisernes, hübsch gearbeitetes Heft besitzt, hat wahrscheinlich einem Fischer gehört. Der hiesige Physiologe und Naturforscher, Hr. Professor Micscher-Rüsch, ist über die große Kraftlcistung seiner Lieblingsthiere höchst erfreut.
(Aus den Kriegsjahren.) Ein merkwürdiger Fund ist vor einigen Tagen in der Seine bei Paris gemacht worden. Man förderte nämlich durch einen Zufall eine Kassette aus Zink an den Tag, welche 430 Briefe enthielt. Diese Briefe waren, wie sich feststellen ließ, im Jahre 1871 während der Belagerung in Moulins nach Paris zur Post gegeben, konnten aber wegen der deutschen Cernirungsarmee nicht in die Hauptstadt gelangen. Da die Namen der Adressaten noch völlig erkenntlich waren, so beschloß die Postbehörde, sie an die betreffenden Personen aushändigen zu lassen.
Zwei Dienstmädchen klagten einander ihre Noch, und die eine nannte ihre Herrin einen bösen Satan, welcher den ganzen Tag über tobe und schimpfe. — „Na", meinte die andere, „so viel ist je- wiß, die kommt och nich in den Himmel!" — „Die nich in den Himmel?" erwiderte die Erste, „die kommt erst recht hin! Die muß mit donnern helfen!"
Auflösung der Rechenaufgabe in Nr. 75.
Man heiße die gesuchte Zahl x, so hat der erste x -ff 1
wenn der erste vom zweiten eine Nuß erhält, so hat
der zweite x — 1
der erste x -ff 2
und der zweite x — 2
oder der erste zweimal so viel als der zweite
also Gleichung x-ff2 — 2x — 4 — x-ff4 — 2x — x 6 x
also der Erste x -ff 1 — 7 und der zweite x — 1 — 5.
SL» Wegen des Himmelfahrtsfestes fällt das Samstagsblatt aus.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.