Antlitz mit den Händen, unter welchen Thränen des Glücks und der Wonne niedcrrannen. Vergeblich suchte Four- nier sie zu beruhigen; der Ucbergang war zu plötzlich gewesen, und in dem jungen Mädchen wechselte Weinen und Lachen in rascher Reihenfolge. Endlich schien ein Gedanke in ihr auszutauchen. Indem sie zu dem Doktor aufblickte, schlug sie die Hände zusammen und rief mit einem Freudcnausbrnch, der aus ihrem innersten Herzen zu kommen schien:
„Ach, jetzt werden Sie glücklich sein, wie Sie es verdienen."
„Ich?" versetzte Fournier zurücktretend.
„Ja, Sie," entgcgnete Rosa in begeistertem Tone. „Glauben Sie, ich habe nicht bemerkt, wie viele Entbehrungen Sie sich seit ihrem Hiersein auflegen mußten — wie die Sorge stets an Ihrem Innern nagte? Meine eigene Armuth drückte mich weit weniger, als der Gedanke an die Ihrige; ich bin dazu geboren, aber Sic sind nicht an ihrem Platze. Nehmen Sie Alles — eS gehört Ihnen."
Das Mädchen, dessen Augen noch immer in Thränen schwammen, suchte die Kiste zu lüpfen, um sic Fournier zu geben. Erstaunt wehrte dieser sic ab.
„Sie werden mir's doch nicht verweigern? fuhr sie immer dringlicher fort. „Ihnen allein verdanke ich dieses Glück, und ich wünsche, daß Jedermann es erfahre, namentlich aber diejenigen, welche Ihnen die gewöhnlichste Gerechtigkeit versagten."
Wie sehr auch Fournier Einsprache thun wollte, sie hörte nicht auf ihn. Als sie jetzt die'Erben über den Hof kommen sah, wollte sie hinauseilen, um sie herbci- zuruscn. Erschrocken hielt sie der Doktor am Arme zurück.
„Wollen Sie wieder verlieren, was Ihnen das Glück auf eine so eigcnthüm- liche Weise in die Hand gespielt hat?" ries er.
„Verlieren?" entgegnete Rosa, die nicht begriff, was er damit sagen wollte.
„Begreifen Sic denn nicht, daß diese Leute die Kiste zurückverlangen würden?"
„Können sie dies?"
„Sie haben kein bestimmtes Recht au dert Besitz."
Rosa sah den Doktor mit großen Augen an.
„Sic gehört also nicht mir?" sagte sie plötzlich.
„Alles scheint daraus hinzudeuten, daß ihr Pathc sie Ihnen zugedacht hat; aber das Gesetz fordert andere Beweise, als wir bcizubringcn im Stande sind."
„Das Gesetz?" entgegnete das Mädchen. Und muß nicht Jedermann dem Gesetz gehorchen?"
„Wohl, wenn wir der buchstäblichen Beobachtung nicht das Bewußtsein cut- gegenhaltcn können, daß unsere Hand
heißen. Ach, ich hatte dies nicht rechts verstanden. Die Kiste gehört nicht mir, und all' dieses Glück ist nur ein Traum gewesen."
Während sie so sprach, wurde sie leichenblaß; aber weder ihre Stimme, noch der Ansdruck ihres Gesichts vcrrieth ein Schwanken. Ihr wackeres Herz hatte jeden Zweifel überwunden, obschvn der schnelle Wechsel von schöner Hoffnung zur kalten Wirklichkeit aus ihren Körper in einer Weise einwirktc, daß sie einen Sessel nehmen mußte.
Auch in Fournier hatte eine Art Reaktion stattgcsundcn, lind an die Stelle der ersten Aufregung war Bewunderung getreten. Alle die Schcingründe, welche im Lauf der Nacht sein Gehirn beschäftigt, sanken in den Staub vor dieser einfachen Würdigung dessen, was recht war. Der gute Sinn wirkte ansteckend und rief auch seine besseren Gefühle wieder in's Leben.
Ohne ein Wort zu erwidern, ging er hinaus, um die Erben herbeiznrusen: auch schickte er nach einem Notar, dessen Händen er die Kiste überantwortete.
Die Tricots hatten an dem Halse des Verstorbenen einen kleinen Schlüssel gefunden und sich zugeeignet; er öffnete die Kiste, und dein überraschten Auge trat ein Vorrath alten Silbergeschirrs nebst mehreren tausend Goldstücken entgegen.
Der Bauer und sein Weib weinten vor Freude, während Rosa und Fournier ruhig zusahen. Der Notar zählte das Geld, unter dem er auch eine Nolle von Banknoten entdeckte. Das von ihm ausgenommen«: Inventar wies einen Werth von nahezu dreimalhnndcrttausend Franken nach.
Trieot, der halb außer sich war, zog mit nnstäter Hand die Kiste zu sich her, lüpfte sie und stürzte sie um. Ein weiteres Papier, das zwischen dem Holz und der Auskleidung gesteckt hatte, siet heraus.
„Noch eine Zugabe zu dem verborgenen Schatz!" rief der Bauer hocherfreut, indem er das Blatt auffing und dem Notar cinhändigtc. Dieser entfaltete es, überflog den Inhalt und machte eine Ge- berdc des Staunens.
„Es ist ein Testament," sagte er.
„Ein Testament?" riefen alle Anwesenden wie aus Einem Munde.
„In welchem Herr Duret seine ganze Habe seinem Pathenkind, Mademoiselle Rosa Flcnriste, vermacht."
Riffe der Ucbcrraschung und des Schreckens folgten ans diese Ankündigung. Tricot wollte sich des Papiers bemächtigen; der Notar, der seine Absicht merkte, nahm es sogleich in Verwahrung. Es war nvth- wcndig, das in seinen Hoffnungen so schwer getäuschte Ehepaar mit Gewalt auszutreibeu; sie entfernten sich unter Drohungen und Verwünschungen.
Der Notar Leblanc, zu welchem der
langen vor unserem Gewissen recht und s Bauer und die Bäuerin setzt ihre Zuflucht gerecht sind." jnahmen, hatte Nvth, ihnen begreiflich zu
„Nein, nein," versetzte Rosa. „Das! machen, daß ihr Unglück nicht wieder gut Gewissen kann uns wohl hindern, ausizu machen und kein Advokat der Welt im allen unfern Rechten Vortheil zu ziehen,! Stande sei, ihnen zur Hinterlassenschaft entbindet uns aber nie unserer Pflichten;! des Vaters Duret zu verhelfen. — es darf unsere Bedenklichkeiten steigern,' Was Fournier betrifft, so können sich doch nicht uns leicht darüber hinweggehen j unsere Leser denken, daß er bald nachher
der glückliche Gatte Rvsa's wurde. Für Beide war cs stets eine Quelle seliger Beruhigung, sich sagen zu können, daß sie der Stimme des Versuchers Widerstand geleistet und durch strenges Festhalten an dem Pfade der Rechtschaffenheit und Tugenden sich die Achtung und Liebe Aller gewonnen hatten, die ihre Geschichte kannten.
(Aerztc in China.) Die chinesische Obrigkeit in Shangai erließ kürzlich ein Ediet, worin den Aerzten eingcschärst wird, ihre Wissenschaft lediglich zu Gunsten ihrer Patienten anzuwenden und keine zu hohen Gebühren zu fordern. Die Doktoren, sagt das Edict, haben die üble Angewohnheit, ihre Patienten nicht vor 1 Uhr Nachmittags zu besuchen; einige rauchen sogar Opium und trinken bis zum späten Abend Thee. Das sind Mißbräuche, welche die Obrigkeit unter keinen Umständen gestatten wird. Doktoren müssen ihre Patienten zu allen Zeiten besuchen; sie müssen sie, wenn es nvthwendig ist, täglich mehrere Male besuchen; sie müssen mehr an sie und weniger an ihre Gebühren denken. Es wird demnach zur Kenntnis; aller Beamten und des Publikums gebracht, daß ein Arzt, der nicht sofort kommt, wenn er gerufen wird, nur aus eine Hälfte seiner Gebühren und Auslagen Anspruch hat. „Wenn ihr Aerzte", so schließt der Ukas, „eure Besuche verzögert, so zeigt ihr Gottlosigkeit und sündigt gegen euch selber."
«Eine ganz neue Verfälschung.) Ein New-?)orker Blatt berichtet die unerwartete Thatsache, daß in Amerika eine große Zahl Fabriken existirt, welche eigens für die Verfälschung der Sardinen eingerichtet sind. Die Küste von New-Aork besitzt für sich allein deren 22, wo sämmtliche in Büchsen verpackte Sardinen nichts als gemeine Häringe sind. Die kleinsten dieser Fische werden ansgeschieden; man schneidet ihnen den Kopf und Schwanz ab, sodann richtet man sie in zinnenen, mit französischen Aufschriften versehenen Büchsen her. Das verwendete, als Olivenöl erster Qualität ausgegebene Conservirungsöl ist ganz einfach Banmwollöl. Die größten Häringe, gesondert in einförmige Büchsen- gebracht, werden unter der Aufschrift: „Seeforellen" verkauft. Was die wcggeworfencn Thcile anbetrifft, so werden dieselben gekocht und gepreßt, um Oel, Leberthran genannt, daraus zu gewinnen; der Rückstand endlich wird als Dünger verkauft.
(Warum eine Patientin nicht zahlen will.) Der praktische Arzt Dr. Berthold Glattauer in Wien verklagte die Schlvsser- meistersgattin Johanna Schwarz und deren Gatten bei dem Bezirksgerichte Levpold- stadt. Dr. Glattauer verlangt für die ärztliche Behandlung der Frau Johanna Schwarz zehn Gulden. Da von Seite der verklagten Partei Niemand erschienen ist, will der Richter eben die Contumaeirnng vornehmen, als die Relation einläuft: Diese Klage konnte der Verklagten nicht 'zugestellt werden, weil dieselbe nach Be- «Handlung des Arztes gestorben ist.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.