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unserem Schwarzwald sich Herumtreiben, zeigt die kürzlich hier vorgenommene Ver< Haftung von zwei Handwerksburscheu. Es fanden sich bei denselben 7080 sozialistische Schriften verschiedenen Jnbalts vor; einer der Bursche scheint förmlich als Kolporteur seiner Partei zu reisen. Beide ' ld nach Tübingen abgelicfert.

Schweiz.

Solothurn. Die Schulkommission von Hägendorf hat sich genöthigt gesehen, folgenden Beschluß zu fasse» : Der stimmt- liehen Schuljugend wird der Aufenthalt aus der Gasse nach Betzeitläuten, der Be­such von Wirthschasten, Tanzböden und Kegelbahnen, sowie das Rauchen untersagt. Die Orlspolizei ist angewiesen, dafür zu sorgen, daß dieser Beschluß befolgt wird.

Ausland.

Madrid, 22. Okt. Im Zentrum de: Stadt war Donnerstag Vormittag ein leichtes Erdbeben wahrzunehme», welches 6 Sekunden anhielt. Aus Lissabon wird gemeldet: Hier und in Coimbra wurde am Donnerstag Vormittag eine leichte Erd- erichütterung beobachtet, welche auch im ganzen Lande fühlbar gewesen ist.

Buenos-Ayres, 24. Sept. Ein entsetzlicher Schneesturm hat, am 18. d. beginnend, 3 Tage und 3 Rächte hindurch in hiesiger Provinz gewülhet. Gegen 700.000 Kühe, 500,000 Schafe und 250,000 Pferde sollen dabei zu Grunde gegangen sein.

Erinnerungen aus 1870.

XXXIII.

71. Depesche vom Kriegs-Schauplatz. Kinzheim, 24. Okt. Schletistadt heute kapi- lulirt. 2400 Gefangene gemacht, 120 Ge­schütze genommen, von Schmeling.

72. Depesche. Versailles, 25. Oktbr. General von Werder warf den 22. die aus 2 Divisionen bestehende sogenannte Ost- Armee unter General Cambriels, welche sich bei Rio; und Eiuz stellte, in hitzigem G.fechte über den Oignon und aus Auxor- Dessus gegen Blisancon zurück. Diesseits im Gefechte: Brigade Degenfeld, Truppen der Brigade Prinz Wilhelm und Keller, und 2 Bataillone Regiments Nr. 30. Unser Verlust 3 Ossiziere, etwa 100 Mann. Der Feind hatte bedeutendere Verluste, dabei 2 Stabsoffiziere, 13 Offiziere, 180 Mann Gefangene und zog sich in größter Unord­nung zurück, von Podbielski.

Die Hartnäckigkeit der Franzosen, die sich noch immer nicht als besiegt ansehen wollen, bemefft, wie leicht sie auch künftig einen Krieg wieder beginnen würden, wenn Deutschland ihnen die Mittel dazu durch die Ausliefe­rung von Metz in die Hand geben wollte. Die Franzosen würden sich bald genug wie­der für erholt und vorbereitet ansehen, ganz so wie sie es vor dem Ausbruche des gegen- wärllgen Krieges zu sein glaublen. Die Möglichkeit, den Krieg wieder leichtsinnig zu beginnen, wird ihnen nur entzogen, wenn Metz in deutschen Händen bleibt.

MisMen.

Winke für Blumenliebhaber.

Die Zeit ist gekommen, in welcher Blumenliebhaber, denen für die Kultur

ihrer Pflanzen nur ihre Wohnung zur Ver­fügung steht, manche Verluste an ihren Lieblingen zu erleiden haben, ohne daß sie einen Grund dafür erkennen, lind doch gibt es gerade in der bevorstehenden Jahres­zeit so viele verderbliche Einflüße, welche ein Zurückgehe», ja sogar Siechlhum und Absterben mancher Zimmerpflanzen zur Folge haben. Denn nur verschwindend wenig Zimmerpflanzen vertragen alle Nach- lheile der Zimmerkultnr i» so hohem Grade, ohne Schaden zu nehmen, wie die bekannte und viel verbreitete ? 6 t> 0 AM 6 vurieZrUu mit ihren schmal elliptischen und nach bei­den Seilen zuaespiyien harten Blättern, welche so schöne hellgrüne bis weiße Strei­fe» auf dem dunkelgrünen Grunde zeigen. Diese Pflanze begnügt sich mit jeder Be Handlung, kann lange trocken und im Dun­keln sieben, bei einer Temperatur bis zu 0°. verträgt aber andrerseits wieder eine hohe trockene Wärme ohne Nachtheil. So genügsam und hart sind, wie gesagt, die wenigsten Zimmerpflanzen.

Da ist es vor allen Dingen der falsche Standort im Winter, der vielen Pflanzen verderbenbringend wird. Nicht jede Pflanze darf ohne Nachtheil im Wohnzimmer über wintert werden, sondern die meisten von denen, welche uns den Sommer und Herbst über durch ihre Blüthen erfreuen, wollen während des Winters in einem kühlere», irostfreien Zimmer, in welchem die Tempe­ratur 6 bis 8° beträgt, ausruhen, um frische Kraft für den nächsten Frühling zu sam- meln; ja manche wollen sogar einen rich­tigen Winterschlaf halten. So sind es vor allen unsere Fuchsien, Hortensien und Rosen, welche vom Oktober an kühl zu stellen und, nachdem die Blätter gefallen, in einen Keller zu bringen sind, wo sie bis in den März hinein stehen können. Hier­von machen die Rosen nur dann eine Aus­nahme, wenn sie im Herbst noch Knospen haben; dann nämlich stellt man sie in's Wohnzimmer an's Fenster.

(Fortsetzung folgt.)

Kero und Leander in der Schweiz.

Nach einer wirklichen Begebenheit erzählt von C. Senars.

I.

Hero und Leander in der Schweiz? höre ich den alterthumskundigen Leser fragen; und eine wahre Geschichte? Sollte etwa das hellespontische Liebespaar in die Schweiz gekommen sein wie der römische Landpfleger Pontius Pilatus, der nach der Soge in der Tiefe des Pilatusberges wohnt und, wenn er gestört wird, die dunklen Wasser des Bergsees zum Schrecken der Ruhestörer wie der Umgend beunruhigt und austrelen läßt?

Nein, dem ist nicht so; die kleine Be­gebenheit, die hier erzählt wird, ist kein Mythus, sondern Thaksache. Freilich ist die Heldin keine priesterliche Hero, sondern ein einfaches Landmädchen, ihr Leander kein kunstbegeisterter Grieche, sondern ein mack- rer Schwyzer Jüngling ; statt der klassischen Meerenge breitet hier der weniger unbarm­herzige Zuger See seinen blauen Spiegel aus, und anstatt der Tausende von Jahren, dis verflossen sind seit dem Zeitpunkte, dem jenes unsterbliche Gedicht seine Entstehung

verdankt, greifen wir hier kaum um zwei Generationen zurück.

Wer je die innere Schweiz und ihren kleinsten Bundesstaat, de» Kanton Zug, be­reist hat, a» den lieblichen Usern des Sees, aus dem die Rigi pyranudalisch austaucht, hingewandelt ist, der wird sich des schönen Dorfes Walchweil erinnern, durch dessen mildes Klima sich der beschauliche Wande­rer beinahe nach Italien versetzt wähnt, um so mehr, da sein Auge bald ganzen Gruppen von Kaftameiibäumen begegnet, bald diesen Sohn des Südens vereinzelt anlrifft, wo er dann, in kräftigem schönem Wuchs, seine Aeste gleich einer Eiche aus- breitet. Hübsche, freundliche Bauernhäuser blicken wohnlich zwischen den Bäumen her­aus, und die an Landen gezogenen Wein­reben, die gleich grünen Netzen um die Häuser ranken, vermehren den angenehmen Eindruck des reizenden LandschaflSbildes.

Vor einem dieser Hauser stand zur Zeit, da unsere Geschichte beginnt, ein junges, hübsches Mädchen an einem lausenden Brun­nen und war in mirthschastliche Geschäfte verliest. Augenscheinlich war sie die Toch­ter eines recht wohlyabenden Bauers, denn die kleidsame Landestracht, welche sie trug, war von besserem Stoff als man gewöhnlich sah, und sowohl der Pfeil, welcher die schweren kastanienbraunen Flechten zusam- mendieli, als die Hasten des Miede,rs waren von Silber. Das Antlitz mit seinen hell­braune», lachenden Augen , seiner frischen, von der Sonne nur wenig gebräunte Farbe zeigte beinahe regelmäßige Formen und einen Ausdruck von Lebhaftigkeit und Naturwüch­sigkeit , gemildert von einem gewissen Ernst, der den Bäuerinnen der Niederungen selten eigen. bei den Kindern der Berge aber einen charakteristischen Zug bildet.Denn," sagte ein französischer Hauplmann einmal zu einem Graubündner,Ihr Schweizer seid alle ernst, ernst wie eure Berge."

Auch das Mädchen mar es , wie gesagt, und vielleicht siel der sinnige Ausdruck der Stirne besonders auf, als sie, wie träu­mend ^uf den im Sonnenlicht schimmernden Seehtnausblickeiid, mit metallheller Stimme die weiche, wehmüthige Weise eines Volks­liedes sang, dessen Strophen folgenderma­ßen lauteten:

Es stehet ein Mädchen an Sees Rand,

Es winket hinüber mlt weißer Hand:

Wie thuts mir im Herzen so weh .

Mein Liebster wohnt drüben am See. j

Ich stehe und schau fast die Augen aus.

Ich sehe hinüber nach seinem Haus,

Dort blinkt es so weiß wie der Schnee,

Mein Liebster wohnt drüben am See.

Doch weilt er nicht drin, es zieht ihn hinaus, Wo der Bergbach stürtzt mit wildem Gebraus, Und äset das schüchterne Reh,

Mein Liebster wohnt drüben am See.

Es eilet die Gemse, vom Jäger gehetzt,

Hat sie über Fels und Klüfte gesetzt;

Mit Tod droht der Lawine Schnee;

Mein Liebster wohnt drüben am See.

Nicht immer kehrt sich's vom Jagen zurück,

Es lächelt nicht immer ein holdes Glück.

Wie thut's mir im Herze» so weh,

Mein Liebster wohnt drüben am See.

(Fortsetzung folgt.)

Goldkurs der StaatSkasscnverwaltung

vom 15. Oklober 1880. 20-Frankenstücke . . . lv 12 «

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.