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Erinnerungen aus 1870.

XXXII.

70. Depesche vom Kriegs . Schauplatz. Versailles, 21.Okt. Der Königin Augusta in Homburg. Ich komme soeben von einem kleinen Gefechte bei La Malmaiion; 12 Bataillone waren von Mont-Valerien mit 40 Geschützen ausgefallen und wurden nach dreistündigem Gefechte zurückgeworfen. Wir sahen von dem Marly - Viadukte dem Ge- fechte zu. Ganz Versailles wurde allarmirt. Wilhelm.Versailles, 21.Okl. Am 21. Okt. 1 Uhr Mittags französischer Ausfall mit bedeutenden Kräften vom Mont > Valerien ans, wobei etwa 40 Feldgeschütze, durch die vorderen Abtheilungen der 9. und 10. Infanterie-Division, sowie des 1. Garde- Landwehr Regiments, zuletzt unterstützt durch Artilleriefeuer des vierten Korps vom rechten Seineufer unter den Augen Seiner Maje­stät des Königs siegreich zurückgeschlagen. Bis jetzt konstalirt: über 100 Gefangene und 2 Feldgeschütze in unseren Händen. Diesseitiger Verlust verhältnißmäßg gering. Wenn über dieses Gefecht, wie nicht zu bezweifeln, ein neuer französischer Sieges­bericht erscheint, so wird dies der beste Be­weis für die außerordentliche Genügsamkeit unserer Gegner sein. v. Podbielski. Reims, 21. Okt. In Soissons sind in Ge­fangenschaft gerathen: 99 Offiziere, 4633 Mann. Erbeutet wurden: 128 Geschütze, 70000 Granaten, 3000 Zentner Pulver, eine Kriegskasse von 92000 Frcs., ein reich ausgestattetes Magazin für eine Division auf 3 Monate, sehr viel Bekleidungs-Gegen­stände rc. v. Krenski.

Calw. Die hiesige Amtsversammlung hat nach dem Vorgang anderer Corporatio- nen zur Unterstützung der in der Nähe des Kriegsschauplatzes befindlichen und eben des­halb am schwersten heimgesuchten deutschen Aheinprovinzen, zur Linderung des daselbst herrschenden unsäglichen Elends, im dank­baren Gefühle der gnädigen Bewahrung vor den Verwüstungen und Greueln des schrecklichen Krieges einen Beitrag von 1500 fl. aus den Mitteln der Amlskor- poration verwilligt, ein Beschluß, dem ge­wiß die Bewohner von Stadt und Amt von Herzen zustimmen werden.

MisMen.

sZur Geschichte der Nadel.j Die Nadel, dieser so überaus nützliche und weitver­breitete Gegenstand, von dem man glauben sollte, das erste Weib habe ihn erfunden, stammt erst aus dem 15. Jahrhundert. Erst um 1410 begannen die Nadeln die Dorn­stacheln zu verdrängen, deren sich arme Leute zum Befestigen ihrer Gewänder be­dienten, und die silbernen und goldenen Stiite, welche dis Reichen zu gleichem Zwecke anwandten. Der Eifinder der Nadel war ein Drahtzieher in Paris, Tourangcnau mit Namen, der von der Begierde gestachelt, schnell reich zu werden, Tag und Nacht darauf sann, sein Hand­werk zu vervollkommnen. Die Schwierig­keit der Herstellung machte anfänglich die Nadeln zu seltenen und kostbaren Dingen; und ihres hohen Preises halber waren sie ein Gegenstand, dem man sonst nur aus

fürstlichen Toilettentischen begegnete. So -ungirte eine Büchse mit Nadeln unter den Gaben, welche die Frau von Beaujeu, Tochter Ludwig IX. von Frankreich, bei ihrer Vermählung als Mitgift erhielt, und der bis auf unsere Tage gekommene Aus­druckNadelgeld" weist schon darauf hin, wie dieser heute so ordinäre Gegenstand eine besondere und stets mit hohen Zahlen angesetzte Rubrik in der Summe der einer Frau ousgesetzten Gelder bildete. In England blieb die Nadel dis zur Regierung Heinrich VIII. unbekannt. Zu dieser Zeit brachte sie die schöne und später so un­glückliche Anna Boleyn mit aus Frankreich, und ohne Zweifel ist das noch im Volke verbreitete Vorurtheil, es bringe Unglück Jemandem eine Nadel zu schenken, den» dieselbesteche die Liebe ab," auf jene bejammernswerthe Fürstin zurückzuführen.

sRattenfalleZ Auf dem Gute Ringels- bruch bei Paderborn ist seit mehreren Iah ren eine Rattenfalle eingeführt, welche sehr leicht herzustellen und dabei sehr wirksam ist ui-o auch anderwärts nachgeahmt zu werden verdient. Man schlägt aus starke» Brettern einen Kasten zusammen, dessen Größenverhältniß ganz dem Raume, wo er aufg stellt werden soll, angepaßl werden kann. Derselbe kann z. B. 35 Fuß lang, 22'/- Fuß breit und 912 Zoll hoch sein. Den Deckel schraubt man mit 34 Zoll starken Schrauben an, so daß er sich leicht abschrauben läßt. An den beiden kürzeren Seiten des Kastens schnei­det man eine weite Eingangsöffnung aus, die durch einen Schieber geschlossen werden kann, so daß die Ratten bequem durch den Kasten hindurchlaufcn können. Im Innern des Kastens bringt man abwechselnd von der einen und andern Seite Querbretter an, welche kürzer sind als die Breite des Kastens, so daß also der Weg durch den Kasten ein gewundener wird und im Innern eine Anzahl halboffener Kammern entstehe». Man versieht nun den Kasten mit etwas Stroh und and-rem weichen Material, stellt ihn mit geöffneten Schiebern in eine ruhige dunkle Ecke im Schweinestall oder an einen Ort, wo die Ratten Hausen, und deckt ihn mit Stroh zu. Dieser Kasten wird bald ein Licblingsaufenthalt der Rattey, die darin ihre Nester machen. Nach einigen Wochen wird man schon aus dem Quieken erkennen, ob Ratten darin sind, oder man schließt auf's gerathewohl die Schieber, trägt den Kasten hinaus und schraubt den Deckel ab. Bei einer solchen Revision fanden sich einmal 40 junge und alte Ratten in einem Kasten, und thatsäch- lich liefern die Revisionen nicht nur häufig eine gute Ausbeute, sondern tragen auch wesentlich zur Verminderung und fast gänzlichen Beseitigung der Rattenplage bei.

^Dauerhafte Ofenschwärze.s Zur Genüge bekannt ist der Uebelstand, daß bei der allgemein beliebten Methode des Schwärzens eiserner Oefen durch das Aufträgen einer dünnen Schicht von mit Wasser angerühr tem Graphit, (sogenanntem Wasserblei) und nachheriges Glänzendbürsten die der Hitze am meisten ausgesetzten Stellen des Oiens

gewöhnlich schon nach einigen Stunden sowohl Schwärze als auch Glanz eiubüße», an deren Statt dann ein äußerst miß, iarbiger rothbrauner Farbenton dem Auge sichtbar wird. Die Ofenlacke dauern wohl etwas länger an, allein der äußerst bran­dige Geruch des durch die Ofeuhitze sich langsam verkohlende» Lackes belästigt die Zimmerbewohner Wochen lang in arger Weise. Dagegen kann man dem Ofen für iebr lange Zeit eine geruchlose Schwärze auf folgende Art erlheilen: Man rühre Kienruß uno Wasserglas von Syrupkonsi» stenz zu einem Brei an, trage diesen ver­mittelst einer Bürste dünn und gleichmäßig auf die Osenwende auf und lasse 24 Sluudeu trockne». Sodann w>rd Graphit- mehl und Gummiwasser hinlänglich dick angerührt und auf die beschriebene Art als zweiter Anstrich aufgetragen, welcher vor dem vollkommenen Emtrocknen glänzend gebürstet wird.

sHänschen-Allerlei oder deutsche Mixed- Pickles.j Ein sehr wohlschmeckender Salat, der besonders in der Jahreszeit sehr an­genehm ist, wo es kein frisches Gemüse giebt, da man ihn lange aufheben kann, wird nach der Nd. K. folgendermaßen zubereitet. Man putzt einige Kohlrabiköpfe, Kohlrüben, gelbe Rüben und Sellerieköpfe, schneidet sie in Scheibe», sticht mit einem Blechförmchen oder mit dem Messer allerlei Figuren davon aus, siedet sie in Salz, ivasser weich, läßt sie ablausen und auf einem Siebe oder einer flachen Schüße! ausgebreitet möglichst abtrocknen. Ebenso schneidet man zarte Wirsingköpfe und weiße Kohlköpfe in beliebige Theile und macht es ebenso damit, endlich Blumenkohl; wenn dies olles fertig ist, so mischt man noch eingemachte kleine Essiggurken, dergl. Boh­nen und Perlzmiebeln darunter, rangirt das ganze Gemisch in einen Steintopf, streut Lorbeerblätter, Pfefferkörner und Nelken dazwischen, kocht endlich Weinessig mit diesen Gewürzen ab, gießt ihn erkaltet auf das Ganze, so daß er übersteht, deckt oder bindet es fest zu und bewahrt eS auf.

fChlorkalk als Mittel zur Reinigung von Fußböden.j Das gewöhnliche Ver­fahren bei Reinigung der Dielen ist Scheuern mit Sand und in wohlgehallenen Zimmern dürfte es auch vollkommen aus­reichend sein. An vernachlässigten Fuß­böden jedoch, deren lang verjährte Flecke den Bemühungen der ordnungsliebenden Hausfrau nicht so leicht weichen, ist Chlor­kalk als wirksames Mittel zu empfehlen. Man bestreicht den durch Dinten- oder andere Flecke verunreinigten Fußboden mit einem Brei von Chlorkalk und läßt ihn die Nacht über wirken. Am andern Tage überstreicht man diese Chlordecke vermittelst eines starken Pinsels mit verdünnter Salz­säure und läßt am folgenden Tage das Zimmer mit warmem Wasser scheuern. Die Schärfe des Chlors hat dann den Dielen ihre ursprüngliche Weiße wieder­gegeben und alle Flecke vertilgt, an denen die Kraft von mancherlei Seifen und Laugen vergebens erprobt wurde.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.