210
Seufzend wog er den Brief in der Hand.
„Wie lang mag d e r wieder sein! Wieder eine Wiese voll Redeblumen, damil ich armes Schaf da grase nach Herzenslust!"
Er nahm ein Federmesser aus der Tasche und riß den Rand des Couverts auf.
„Aber was ist denn das ? „Uebermorgen sind wir bei Dir. Der Vater hat es eben beschlossen." — Das ist der erste gescheidte Brief, den sie schreibt. Kurz und bündig Ihren Namen hätte sie freilich hinzufügen können. Auf der Rückseite noch was? „Eine Robe zu dreißig Thaler — getollter Unterrock 10 Thaler — Pariser Handschuhe"
-— falsche Zöpfe sind Gott sei dank nicht dabei. Eine Modistenrechnung als Brief- bogen. Das ist doch nett. Also mehr bin ich nicht mehr merth. Früher gab's Nosapapier mit Wohlgeruch, und jetzt aut einmal — oho, Modepüppchen! Das können mir auch! Heda! Wirthschast! Wo steckst du, sprachkundiger Schenke des Land- manns?"
Der Wirth stürzte heraus.
,Oui! 8i! Vos!" —
„Habt Ihr keine alte Rechnung über Bier, Schnaps oder dergleichen?" —
„Rechnung? V/Pll. In Auswahl, voila! Nach Belieben, mein Herr!"
Der Wirth zog einige Papiere aus den Westentaschen und bot sie dem Offizier, der sie durch die Finger laufen ließ und eins zurückbehielt.
„Dies kann ich brauchen. Jetzt schickt mir den Pommer mit einem Couvert heraus !" —
„Auf Windesflügel, mein Edelmann! Schon mehr Merkur, mein Heros!" —
Der junge Offizier las die Rechnung.
„Zwei Tonnen Bairisch. 60 Flaschen Rheinwein g. 7Vr Sgr." —
Er besichtigte die Etiquette der auf dem Tisch stehenden Flasche.
„Rüdesheimer Auslese einen Thaler? Hallunke! Item: 10 Quart Nordhäuser, 4 Quart irrere cks 6oa. Item: 20 wills Cigarren a 10 Thaler — Brrr! muß ein prächtiges Kraut sein. Aber A denke, für eine Garyonrechnung reicht das aus. Ans die andre Seite wollen wir unfern Aries schreiben — mein Crayon ist gut genug dazu, kurz und bündig. So endet dieser Briefwechsel. Oesiuib iu xiseoru — oder wie der Vers heißt. Der Assessor würde sich daraus besinnen können." —
Während er am Tische Platz genommen hatte und den Crayon zu spitzen anfing, erschien eine Prozession aus der Schenke. Voran der Wirth, eine leere Weinflasche nach oben gekehrt als Scepter tragend, hinter ihm Lampe, der mit emporgerichleten Vorderarmen ein Couvert trug. Der Wirth mochte ihn wohl so instruirt haben.
„Verstehen Sie, Herr?"- erklärte der Wirth, mit dem Daumen über die Achsel weisend.
„EineAllegorie,eineAnspielung. Mercur ist abgesetzt, degradirt. Er führt keine Götter mehr, er führt schmerwandelndes Hornvieh. Oeffne deine Klaue" — fuhr er herumgewendet fort — „daß ich das Couvert fasse mit zartem Finger und es unter dem Beistände der Grazien und gleichzeitig xropitu LIinorva meinem Gönner darbiete!" —
„Gelefln. Arthur!" schrieb der Offizier so eben rasch auf die Rechnung. „So! fügte er befriedigt hinzu, und nun kein Wort weiter. Her mit dem Couvert. Zu geleimt. Amen! Da! bring diesen Brief in die Hände Deines gnädigen Fräuleins Ich will unterdessen einen Spaziergang in die Felder machen." —
Arthur von Hofft ging nach der Land straße zu, sich im Gehen eine Cigarrette anzündend. Der Wirth stand mit gespreizten Beinen vor dem Pommer und schlug ihn auf die Schulter.
„Ehrlicher Obotrit und Hinterwäldler, sag mir doch, hast DuMon mal nachge dacht über die BestimmungMs Menschen ?"— „Nä, Herr!." war die Antwort des Grinsenden.
„Hast Dich nie mit Philosophie abgegeben?"
„Mit dat Kammermägen? Nä Herr, sei is mir tau sürnehm." —
„Armer unwissender roher Bursch! Er kennt wohl auch weiter nichts als sein Plattdeutsch?" —
„Bruck nix anners!" —
„Was willst Du aber machen, Herr usillus, wenn Dich Jemand auf Lateinisch einen Esel hieße?" —
„Antwurl' ich pommersch!" war die Erwivernng, wobei der Bursche dem gelehrten Wirihe die Faust unter die Nase streckte, daß dieser erschrocken zurückfuhr.
„Ungebildete Manier zu antworten!" rief er entrüstet aus. „Da schau mich mal an. Ich spreche 10 Sprachen, russisch mit eingerechnet. Paschol! Weiter bringt es kein Mensch. Außerdem bin ich Leibesdoktor und Seelendoktor. Ich speise den Magen der Menschen mit den Gaben der Ceres und ihre Seele mit himmlischer Poesie. Für Dich Hab' ich Spiritus in der Flasche, für meine Mäcene im Kopfe. Bin ich nicht zu beneiden?
„Ick weit nich, Herr!" war die Ant- Liyr t des Pommern, dessen Mienen sich lälig zur Heldenlhat einer satirischen Grimasse emporarbeileten. „Aber ick möl woll uni' Inspektor seggen, dat hei fick inricht' mit de Kurnsaat. Denn wenn de Staarmatzen so lull pfeifen, dann gift dal Regen. —
Mit souveräner Verachtung
ah der Wir>Mem Abgehenden nach.
„Staarmatz?" rief er mit stoischer Würde. „Aber Du kannst mich gar nicht beleidigen, warum sollt' ich Dich züchtigen?" — In diesem Augenblicke ließ sich in der Ferne nach den Feldern zu ein Geschrei vernehme». Der Wirth blickte in dieser Richtung. Man sah einen reiterlosen Gaul über die Getreidefelder galoppiren, von einem großen schwarzen Hunde bellend verfolgt, nach welchem der Gaul öfter ausschlug. Das Geschrei kam von Feldarbeitern, die dem Pferde nachlisfen, und darein mischte sich der Ruf einer Damenstimme: „Hektor! Hektar!"
„Das Drama entwickelt sich. Sollte die Katastrophe schon eintreten?" meinte der Wirth kopfschüttelnd. „Das ist ja der Hund des Obersten, der schwarze Hektor. Da sieht man: post eriuiteiu. Hinter dem Reiter die schwarze Sorge!" —
Einige Minuten darauf brachten die Feldarbeiter aus einigen Heugabeln einen ohnmächtigen Mann. An den Schläfen klaffte eine Wunde, die das Gesicht mit Blut überströmt'halte. Arthur von Hösfl schritt nebenher.
„Wasser, Herr Wirth!" schrie der Offizier von ferne.
„Wasser, Katharine!" schrie der Wirth nach dem Hause zu, denn seine Neugier erlaubte ihm nicht vom Platze zu gehen. Eine Magd, die vorher durch den Lärni an die Thür gelockt war, erschien bald darauf mit einer Schüssel voll Wasser und Handtuch.
„Ist die Sache gefährlich? Was ist passirt, Herr?"
Die Situation war ernst genug, um den Wirth seine Sprachenvirluosität vergessen zu lassen.
„Hab' ich ihn nicht gewarnt?" ries Arthur von Höfft. „Er hat wahrscheinlich den Gaul nicht kurz genug in die Zügel genommen. Die Arbeiter haben mir erzählt, daß beim Erlenbruch, wo die beiden Damen vom Gutshof spazieren gegangen, der schwarze Hektor plötzlich hervor nach dem Feldwege gestürmt und den Reiter angefallen habe. Das Pferd habe mit einem Satze zur Seite den Reiter abgeworfen und dieser sei beim Sturze mit dem Kopfe gegen eine Pappel geschlagen. Wo ist Fräulein von Rave» geblieben?" fragte er plötzlich einen der Arbeiter, welche die Trage gebracht halten.
(Fortsetzung folgt.)
Zur neuen Orthographie berichtet die „Dorszeitung": Ein Rittergutsbesitzer in P. schreibt eine Hauslehrerstelle für seine Kinder aus. Ein Eauä. tlitzvl. in Berlin, dem die 1000 vtL mit freier Station gefallen, meldet sich nnd glaubt sich beim zukünftigen Herrn Patron nicht besser empfehlen zu können, als indem er die neue Orthographie nach Puttkamer in seinem Bewerbungsschreiben anwendet. Wie groß war sein Erstaunen, als er mit nächster Post zur Antwort bekommt, es fli im höchsten Grade anmaßend von ihm, sich um eine solche Stelle zu bewerben, da er ja nicht einmal orthographisch schreiben könne!
Von den Jagdpferden, welche die Kaiserin von Oesterreich in Irland kürzlich ange- kaust hatte, ist ein gut Theil um die Hälfte des Kaufpreises wieder losgeschlagen worden. Der Jagdausflug von Wien nach Irland war überhaupt eines der kostspieligsten Vergnügen, das sich eine gekrönte Pferdelieb- haberin jemals erlaubt haben mag.
Zur Abschreckungstheorie.
Mit Bezug auf die Hinrichtung in Raab.
Zwar der Verbrecher nicht, der das Gesetz beleidigt
Und hofft, er bleibe unentdcckt,
So Mancher aber, der die Todesstraf Verth e i d i g t.
Ward jetzt gehörig abgeschreckt.
" kB. W.)
Goldkurs der Staatskassenverwaltung
vom 23. April 1880. 20-Frankenstücke . . . 16 16 L
Redaktion, Druck und Verlag von I ak. M e e h in Neuenbürg.
Anz
Nr. 52.
Erscheint Di mn bei der
L
Ueber d rich Bück wurde, de' Folge, am Uhr das 5 Der
Gerichts» ist zum K Konku Mai 188' Es w Wahl eine die Befiel und einlr der Konk stände un Fordern« Don!
vor dem R
Termin > Allen kursmasse ooer zur wird auf schuidner auch die Besitze de für welä Befriedig Konkursi Anzeige Ner
Nlldel-
Aus
Längenh
kommen
Sl
Morgen Hardt z> 530 IV. ( Fm. Sägh
sür das in Dob
Holz ist