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zum Besuche der Königlichen Familie hier eingetroffen, und nach längerem Verweilen über Lindau und Rosenheim nach Gastein weiter gereist.

Stuttgart, Für Blumenfreunde. Im Stadtgarten blühen eine große Anzahl Malmaiwii-Nelken. eine hier noch seltene Art. Sie sind röthlich weiß, sehr groß uud ganz gefüllt, so daß man sie von fern für Rosen halten könnte. Ihr Dust ist sehr stark; die Besucher des Gartens fin­den sie links vom Eingänge in denselben.

Cannstatt, 20. Juli. Die dies­jährige Plenarversammlung des Volksschul lehrervereins wird erhaltener Zusage zufolge in der Erntevakan; hier statlfinden. Da dies so ziemlich im Mittelpunkte des Landes ist, auch seil 1862 keine Versammlung dieses Vereins in dieser Stadt mehr stattfand, so hofft man auf eine sehr zahlreiche Bethei­ligung. (W. L.)

Nottenburg, 20. Juli. Heute Nachmittag ist Generalvikar Domdekan vr. v. Oehler dahier gestorben.

Böblingen, 21. Juli. Gestern feierten wir in unsrer Gemeinde ein er­hebendes Fest. Es galt, das den im Feld­zug von l870/71 gefallenen hiesigen An> gehörige» von der Gemeinde gestiftete Denk­mal einzuweihen.

F r e u d e n st a d t, 20. Juli. Unter den gegenwärtig so mißlichen Wilterungs- verhältniffen geht die Einheimsung unseres Heues sehr langsam vor sich, ja vieles da von ist kaum zum Streugebrauch »och dienlich. Was Wunder aber auch, wenn, wie aus hiesiger Gegend leider berichtet werden muß, in der ganzen Länge eines halben Jahres nicht 4 schöne Tage hinter einander gefolgt sind; dabei herrscht vielfach eine empfind liche Kälte, die sogar im Monat Juli bis zu dieser Zeit ein beständiges Einheizen nothwendig machte.

Degerloch, 18. Juli. Heute wuxde das mit einem Aufwand von 27,000 vsL neu erbaute Schulhaus, 2 Lehrsäle und 2 Wohnungen enthaltend, festlich eingeweiht.

Reutlingen. Der Einbrecher in der katholischen Kirche in Reutlingen wurde in der Nacht vom Samstag auf Sonntag *i» Tübingen, wo er einen Einbruch in's Sommertheaier machen wollte, verhaftet. Es ist der ledige Bäcker A. L. Rau von Neuenhaus, OA. Nürtingen, ein gefährlicher Verbrecher, der wegen Straßenraubs, sowie schweren Diebstahls schon mehrfach bestraft wurde und in Stuttgart Stadtverbot hat.

Wildbad, 20. Juli. Der Wild­bader Brunnengeist. Der K. Badearzt Geh. Hofralh vr. v. Renz hat in seiner neuesten, schon nach Jahresfrist in 2. Ausl, erschiene­nen Schrift (die Heilkräfte der sog. indiffe­renten Thermen, insbesondere bei Krank heilen des Nervensystems") alles Ernstes den sog.Brunnengeist" in der modernen Form desBäderdunstes" wieder rehabilitier. Er wies nämlich u. A. durch Versuche nach, daß der bloße Aufenthalt im Dunstraume der Bäder, auch wenn letzterer nur eine Temperatur von 14,5" U. z-ige, schon nach 10 Minuten eine Zunahme der Körper­wärme von ca. 1,5o 0. zur Folge habe. Seine Untersuchungen schloß ec mit den Worten: Ich muß es nun den Physiologen von Fach überlaffen, die Frage zu entschei­

den , ob es sich bei diesen Versuchen in letzter Instanz um Reizwirkungeil auf das freilich noch ziemlich ungenau lokalisirte Wärmezeulrum oder auf gewisse Provinzen des Gefäßzeutrums oder aber auf beide Zentren zugleich handle." Ein erster Schritt zur Erklärung der nervösen Reiz­wirkungen dieses modernenBrunnengeistes" scheint nun in jüngster Zeit dem Pros. G. Jäger in Stuttgart gelungen zu sein. Derselbe ersuchte nämlich seinen Studien­freund Renz (sub 15. Juli) um Zusendung von zwei Flaschen Thermalwasser. Schon sub 19. Juli schrieb Jäger an Renz: Meine Vermulhung hat sich bestätigt. Meine Nervenzeit war vor Inhalation im Mittel aus 10 Messungen das erstemal 126,2, nach 10 weiteren Akten 125 Millsek. Nachdem ich 5 Minuten lang den Dunst aus einem gewöhnlichen Trinkglas voll Thermalwassers, auf 30" U. erwärmt, ein- geathmet Halle, betrug meine Nervenzeit noch 89,2. Dies ist erstaunlich hoch, wenn ich erwäge, daß ich mit Champagner-In­halation nie mehr als 103 erzielte. Das Wildbader Wasser wird bis jetzt nur vom Dunst kuhwarmer Milch mit 80 Millsek

übertroffen. Also das Volk hat Recht, der Brunnengeist" ist es. (S.M.)

Wildbad, den 21. Juli. Graf Schuwaloff ist heute Morgen zum Kurgedrauch im Hotel Bellevue abgestiegen.

Fürst Gortschakoff ist bis Ende dieses Monats angesagt. Unser Theater erfreut sich unter der vorzüglichen Direktion des Herrn Grösser aus Karlsruhe, wel­cher die besten Kräfte des Karlsruher und Darmstädter Hoftheaters zu gewinnen wußte, eines sehr lebhaften Besuchs.

Schweiz.

Bern, 19. Juli. Der Gotthardtbahn- Bauunternehmer Favre ist heute im Tunnel am Herzschlage gestorben.

Ausland.

Prinz Jerome Napoleon ist aus dem Hintergrund, in dem er sich bisher verborgen hielt, hervorgetreten, hat in­zwischen der Kaiserin geschrieben und sich einer bonapartistischen Deputation gegenüber auch ausgesprochen, dies Alles aber geschah in so vorsichtigen Wendungen, daß die Regierung der Republik nicht wohl in die Lage versetzt werden kann, ihn als einen Prätendenten zu behandeln.

Miszellen.

Vater und Sohn.

Eriminal-Novelle v. August Schräder.

(Fortsetzung.)

Gertrud versuchte zu lächeln, obgleich ihr der Gedanke, sie müsse als eine des Mordes verdächtige Person Furcht einflößen, die Brust fast zersprengte. Wie unglück­lich kam sie sich dieser Leidenden gegenüber vor. Zwar war ihr Gewissen rein, aber die Macht der äußeren Verhältnisse trat anklagend in die Schranken.

Sie wollen gehen, ohne mir den Grund ihres Besuches gesagt zu haben? 'ragte sie mit zitternder Stimme. Zwar bin ich arm, und vielleicht noch beklagens- werther als Sie, die Sie zu leiden scheinen; aber halten Sie sich versichert, daß ich gern helfe, wenn ich kann. Flöße ich Ihnen

denn Furcht ein? fügte sie hinzu, indem auch ihr die Thränen in die Augen traten.

Louise schien wieder Muth zu fassen.

Ich habe lange mir mir gekämpft, ehe ich mich zu dem Schritte entschloß, Sie aufzusuchen; aber an wenn sollte ich mich denn in meiner Noth wenden Anselm Dirk war ein Freund Ihres Mannes

Ja, das war er! Und mein Mann hing in aufrichtiger Freundschaft an ihm.

Anselm sprach stets mit großer Achtung und Liebe von ihm.

Mein Gott, wie können Sie das wissen?

Ein Thränenstrom überfluthete die bleichen Wangen Louisen's; sie verhüllte ihr Gesicht mit dem weißen Tuche, das sie in der Hand hielt und weinte einige Augen« blicke bitterlich vor sich hin.

Sie sollen es wissen, Madame, sagte ie dann in gewaltsam errungener Fassung : ich bin die Braut des unglücklichen Anselm wir sind vor Gott, wenn auch nicht vor den Menschen, verlobt. Die Well sieht meine Trauer, aber sie ahnt nicht, wem sie gilt.

Gertrud hatte die Hände gefaltet.

Wehe dem, flüsterte sie unwillkür- ich, der die Schuld an diesem Verbrechen trägt! Er häuft des Unglücks so viel auf chuldlose Menschen, daß ihm Gott nicht verzeihen kann! Ich weine und klage mit Ihnen, denn auch mich hat man meines Gatten, und mein Kind des Vaters beraubt. Sie sind, mir gegenüber noch zu beneiden, denn Sie haben nur den Schmerz um den zerben Verlust zu tragen auf meinem Haupte aber ruhen noch Schmach und Schande. Als Sie kamen, erschraken sie vor mir und die Furcht trieb Sie wieder ort das ist ein schwerer Fluch der mich trifft die Menschen meiden mich, weil 'ie mich fürchte». Ich errathe den Grund Ihres Besuches. Sprechen Sie ihn nur aus, er überrascht mich nicht!

Madame, fragte Louise dringend, was denken Sie von dem Verschwinden Anselm's?

Meine Denkkraft ist erlahmt. Ich müßte den Vater meines Kindes für einen Mörder halten, wollte ich glauben, daß der Verschwundene mit der Wechselfälschung, die mein Mann verübt haben soll, in Ver­bindung steht. Franz Wiemann ist un­schuldig! Niemand als Anselm Diek kann seine Unschuld beweisen ich gäbe einen Theil meines Lebens darum, könnte ich den Verschwundenen zur Stelle schaffen.

Grober Gott! rief Louise überrascht.

Mein Kind, sagen Sie mir aufrichtig, wer sendet Sie?

Niemand, Niemand! Mich treibt eine leise Hoffnung

Daß Anselm noch lebt?

Vereinigen wir uns, dieses Dunkel aufzuhellen. Ihnen will ich jetzt Alles an­vertrauen, ich habe ja keine Seele auf dieser Welt, der ich meine Befürchtungen und Hoffnungen mittheilen kann. Wir haben gleiches Interesse zu wirken und zu schweigen.

(Fortsetzung folgt.)

Goldkurs drr Staatskassrnverwaltung

vom 15. Juli 1879.

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