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Herr, der die Liebe ist und sich mit Seinem Kreuz, Wort und Geist bekannt zu Dir durch SO Jadre, Er lasse leuchten über Dir Sein Angesicht und sei Dir gnädig! Der Herr, der unsere Hoffnung ist im Leben und im Sterben und dem, der Treue hält, die Krone des Lebens verheißt, Ec erhebe Sein Angesicht auf Deinen Ausgang und Eingang und gebe Dir Seinen Flieden! Amen. Im Augenblick des Segens wurden im Lustgarten 101 Kanonenschüsse gelöst. Nach dem Austritt aus der Kapelle entließen die Majestäten die Fürstlichkeiten und nahmen im weißen Saale unter dem purpurnen Thronhimmel Platz, um in Defilircour die Glückwünsche der Versammelten entgegen- zuiiehmen. Die Cour eröstnete das diplo­matische Korps, zuerst die Damen, dann die Herren; die Vertreter fremder Mächte empfingen die Majestäten vor dem Throne stehend. Die Cour der Personen von Rang und der hohen Würdenträger begann mit den Gemahlinnen derselben, an der Spize die Fürstin Bismarck. Der Reichskanzler erschien an der Spitze des Slaatsministeriums Auf eine Bewegung des Kaisers trat er näher, um seine Glückwünsche persönlich anzubringen, und wurde vom Kaiser und der Kaiserin mit ausnehmender Huld bedankt. An der Spitze des Vorstandes des Reichs tages richtete Präs. v. Seydewitz an den Kaiser eine der Bedeutung des Tages ent­sprechende Ansprache, dem Hersteller des deutschen Reichs den Dank des deutschen Volkes dardringend. Der Kaiser erwiederte mit kurzen Worten. Als Vertreter der Armee sprach Moltke und erhielt vom Kaffer und der Kaiserin in besonders herzlicher Weise den Dank ausgedrückt. Darauf erfolgte die Einführung der 2l Deputationen der Provinzen, angeführt von den betreffen­den Oberpräsidenlen. Dieselben brachten die Stiftungen dar, deren Urkunden sie dem Kaiser in kostbaren Einbänden überreichten. Die Deputation der Stadt Flatow führte Prinz Karl (der Bruder des Kaisers), als derzeitiger Nutznießer der Sekundogenitur der Herrschaften Flatow und Krojanke. An der Spitze der Deputation der Pommern erschien der Kronprinz, als Statthalter von Pommern. Im Namen der Stadt Berlin ergriff der Bürgermeister Duncker das Wort, für die Berliner Kaufmannschaft Kommer- zienrath Conrad. Duncker erinnerte an die Verbindung der altpreußischen Tugenden mit der deutschen Wissenschaft, welche Friedrich Wilhelm III. inaugurirte durch ewig denkmüroige Thaten, die Preußen befähigten, Deutschlands Einheit zu schaffen, und sein Anrecht an die Kaiserkrone be­gründeten. Auf diese Ansprache erwiederte der Kaffer etwa folgendes: Ich danke Ihnen für die herzlichen Wünsche, denen Sie im Namen der Bürgerschaft Berlins Ausdruck gegeben. Die Bürgerschaft von Berlin kennt mich und meine Gesinnung, denn ich bin ja immer unter Ihnen gewesen und bin hier in Ihrer Mitte zu dieser 'Stufe des Alters vorgeschritten, die mir durch Gottes Gnade vergönnt, ein solches Fest zu feiern. Bringen Sie der Bürgerschaft meinen Dank und seien Sie versichert, daß ich sowohl wie die Kaiserin über Ihre Stiftung einer Aliersversorguugsanstalt uns innig gefreut haben. Unendlicher Jubel wogender Men­

schenmassen erscholl, als die Majestäten darauf in sechsspännigem geschlossenen Gala wagen, aber durch die Fenster Allen sicht- dar, um das Schloß eine Umfahrt hielten. Am Morgen des Festes hatte der Kaiser seiner Gemahlin kostbare Geschenke verehrt, einen Halsschmuck mit einem Kreuze, das, im Geschmack der Renaissance gearbeitet, in der Mitte mit dem Bilde deS Erlösers in einem Kranze von Brillanten geziert ist. Derselbe ist nach einer Zeichnung der Kronprinzessin gearbeitet. Dazu kam »och ein großes Kruzifix von Elfenbein und ein herzförmiger großer Opal mit dem Bilde der Kaiserin. Um 5 Uhr Nachmittags fand bei den Majestäten im k. Palais Familientafel statt. Vormittags hatten die Gesangvereine Berlins auf dem Dönhofplatze ein Jubelkonzert veranstaltet, dessen Pro­gramm einen Choral, sowie Dank- und patriotische Lieder enthielt. Nach Beendi- aung der um 12 Uhr 40 Min. beginnende» Salutschüsse wurden von der Gallerie des Rathhauses Choräle und Lieder geblasen. In allen Schulen fanden feierliche Akte statt, sämmtliche Hospitaliten wurden von der Stadt bewirlhet und mit Geldgeschenken erireut. Zahlreiche Gesellschaften sind beute Abend zu öffentlicher oder geschlossener Feier des Jubeltages versammelt, die eine glän­zende Illumination beschließt.

Aus allen Theilen Deutschlands kommen Berichte über die durchaus den Charakter herzlicher und inniger Theilnahme tragende estliche Begehung des Ehrentages des Kaiserpaares. In demselben Augenblick, wo von den rebenbekränzten Hügeln der Rheinlande Freudenfeuer aufloderten, wur den ferne im Osten, der Wiege Preußens, Lichter angezündet und erglänzten in Süd- deutschland prächtige Gärten in malerische» Beleuchtungen. Der Tag war in schönem Sinne auch ein Fest des Volkes, so weit die deutsche Zunge klingt.

Württemberg.

Wie wir veinehmen, wird am künftigen Sonntag den 15. d. Mts. des Ehejubiläums Seiner Majestät des deutschen Kaisers in sämmtliche» evangelischen und katholischen Kirchen des Landes im Kirchengebete in Dank und Fürbitte gedacht werden.

(Sl.-Anz.)

Stuttgart war zur Feier des Ta ges festlich beflaggt. Von den Thürmen aller Kirchen, den Kgl. Schlössern und Palais, allen Staats- und städtischen Ge­bäuden und den meisten Häusern der Haupt­straßen wehten württembergische und deutsche Fahnen. Im Hotel, Marquardt fand ein solennes Festdiner statt, das der königlich preußische Gesandte am hiesigen Hofe, Herr v. Heydebrand und der Lasa gab. Eine recht ansprechende Feier war im Institut Rauscher durch einen Festschulakt veranstal­tet worden. Von Abends 5 Uhr ab fand im Stadtgarten unter ungeheurem Andrangs des Publikums Konzert durch die Carl'sche Kapelle statt. Mit einbrechender Dunkelheit wurden die Tausende von bunten Lampen und Lichtern angezündet, welche dem Gar­ten das bekannte märchenhafte Aussehen geben. Erst nach 11 Uhr leerte sich der Garten, die Illumination aber währte bis gegen Mitternacht. Auch in anderen Gär­ten und Sälen landen zur Feier des Ta

ges Konzerte statt. Während im K. Hof- thealer Meyerbeers majestätischerProphet" gegeben wurde, hatten die Sommertheater in Cannstatt und Berg ebenfalls sehr an­sprechende Festfeiern veranstaltet.

Stuttgart. Mit Genehmigung S r. Majestät des Königs wird im Laufe des Oktober zugleich mit der Ein­weihung des neuen Flügels des Poly­technikums die Feier des fünfzigjährigen Jubiläums dieser Anstalt begangen werden. Insbesondere soll in den neuen Räumen eine Ausstellung von Arbeiten früherer und jetziger Polytechniker stattfinden; wegen der näheren Bedingungen für Beschickung dieser Ausstellung wird auf die Bekanntmachung der Direktion in Nr. 131 des Staats­anzeigers (vom Sonntag den 8. Juni) hingewiesen.

Stuttgart, 9. Juni. In der ver­flossenen Woche war der Bopserwald hier von gefährlichem Gesindel sehr frequeniirt, so daß anständige Leute es kaum wogen konnten, daselbst spazieren zu gehen. Vor einigen Tagen wurde dort an einem ältern Mann vom Lande durch 2 dieser Indi­viduen ein Naubversuch gemacht. Um de» Platz zu säubern, hat die Fahndungspolizei mit einem Theil der Feldwächter und Schutzmannschaft am Samstag Nachmittag daselbst eine Razzia vorgennmmen und dabei nicht weniger als 31 Vagabunden und Strohmer znsammengeirieben und fest­genommen. (St. Anz)

Von der oberen Nagold, 8. Juni. Die Stadtgemeinde Nagold verkaufte jüngst ein größeres Quantum Brennholz, wobei der Durchschnittserlös pro Klafter auf nur 47 Prozent des Nagolder Revierpreises sich stellte. Einen ähnlichen Verlauf nehmen die meisten Holzversteigerungen, auch die des Langholzes, und wirkt diese längst nicht mehr dagewesene Herabdrückung der Holz­preise in bedauerlicher Weise auf die Ge- meindekassen, welche zur Bestreitung der ständigen Ausgaben rein auf die Holzerlöse angewiesen sind.

Wildbad, II. Juni. Seitens der bürgerlichen Collegien ist anläßlich der goldenen Hochzeitfeier des Kaiserpaares ein Glückwunsch-Telegramm folgenden Inhalts nach Berlin abgegangen:

Die Stadt Wildbad erlaubt sich zum heutigen Allerhöchsten Freudentage ehr­furchtsvolle Glückwünsche vor Ihren Kaiser­lichen Majestäten in Unterthänigkeit nieder­zulegen".

* Neuenbürg, 13. Juni. Wie uns ein Augenzeuge berichtet, ist in dem Garten des Herrn Fabrikanten Herrmann in Pforz­heim außer einer größeren Anzahl herrlicher Alpenpflanzen auch schon mehrere Jahre blühendes Edelweiß in mehreren Exemplaren zu sehen.

Ein W e l t e r k u n d i g e r schreibt: Anknüpfend an im vorigen Jahre von mir gemachte Witterungsnotizen sagt meine lang­jährige Erfahrung, daß vom 9. bis 18. Juni das Wetter sich dermaßen gestaltet, daß am 9,, 11., 12., 13., 14., 15., 16., 17. und 18. Juni mehr over weniger Ge­witter mit obligaten Niederschlägen statt-

Rednktion, Druck und Verlag von I a k. Meeh in Nerenbürg.

Wit einer Menage,

die theilwcise morgen folgt.