Auf dem Volksgefangfest.
von E. K.
Der Trieb zur Geselligkeit äußert sich bei den Menschen aus verschiedene Weise. Es gibt Leute, die sich nur in politischen Vereinen glücklich fühlen, andere genießen die höchsten Momente irdischer Glückseligkeit am Spieltisch, bei wissenschaftlichen Zusammenkünften, Gerichtsverhandlungen, auf Auktionen und Märkten, Brunnenpro menaden oder Spazierfahrten, bei Paraden und Straßenausläufen; ich habe mich von jeher unter Sängern wohl gefühlt. Soll ich aber die Wahrheit sagen, so lockt mich weniger ihr musikalisches Talent an, als der besondere Umstand, daß das Lebe» und Treibe» der Sänger, mann sie sich in große rer Anzahl versammeln, reich an Ereignissen ist, und ein, wenn auch nur eintägiger Aufenthalt in ihrer Mitte, stets einen dankbaren Stoff abwirft.
Demgemäß entschloß ich mich denn wieder, nach mehrjähriger Unterbrechung, einem solchen Gesangsfeste in N. beizu- wohnen.
Wer an den Wohlthaten der Extrazüge theilnehmen will, welche zu Gunsten der Sänger an solchen Tagen zu ermäßigten Preisen von den Eisenbahndirektionen an geordnet werden, darf vor gewissen Unannehmlichkeiten und Strapazen nicht zurück schr.cken. Er muß Abends vorher sich einer Drotschke versichern, die ihn früh morgens quer durch die ganze Stadt nach dem Bahnhofe fährt, von dem aus die Sängerzüge obgehe», das wilde Getümmel vor der Kaffe darf ihn nicht verwirren, er mache sich dann auf einen Kampf um seinen Platz im Waggon gefaßt. Im Ganzen ist es für jedes Individuum, welches nicht die Schnelligkeit des Hirsches mit der Stärke des Elephantcn vereint, ralhsam, ein Billet zweiter Klaffe zu lösen, denn der „Sänger" als Festtourist verhehlt nicht seine Vorliebe für dritte Klaffe und drängt sich massenhaft in die Wagen derselben.
Dank den getroffenen Vorsichtsmaßregeln war ich am bestimmten Tage allen Gefahren entgangen und saß geborgen im Coups, der endlos lange Zug rollte langsam ins freie Feld hinaus, und nach einiger Erholung von den Anstrengungen des Sturmlanses und Handgemenges um die Plätze, hatte ich so viele Unbefangenheit und Ruhe wiedererlangt, um meine Blicke von den zahlreichen Sprößlingen des arbeitsamen Viertels , welche von den Erdaufwürfen über Gehege und Barrieren, den abfahrenden Sängern scheelsüchtig nachsahcn, auf die Insassen des Coupss zu richten. Natur lich waren alle Sitze belegt, und ein sparsames Ehepaar hatte sogar die beiden jüngsten Llüthen seiner Zärtlichkeit auf den Schoos genommen, um ohne Verstöße gegen den Tarif, die Kosten der Fahrlaxe zu vermindern. Unser nach Abzug der beiden Minorennen aus Erwachsenen bestehendes Octett bot nichts Interessantes, so große Mühe sich auch Einzelne gaben, ihrem Frohsinn einen lauten Ausdruck zu verleihen ; nur zwei Damen, denen gegenüber es mir gelungen war, einen Platz zu finden, zeichneten sich durch ihre Toilette, den nachdenklichen, beinahe trüben Ernst ihrer Mie-
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nen, und eine, im Vergleich mit dem Be tragen ihrer Nachbarn befremdende Schweigsamkeit ans.
Die ältere der beiden Damen wies alle besonderen Kennzeichen des begüterten Witlwenstanves auf: das schwere braun seidene Kleid, die gewichtige goldene Uhrkette, eine zuversichtliche Haltung, fette, last aus den Glaces platzende Hände, ein nicht mißzudentendes Frühstücksglühen auf Wangen und Nase, schließlich eine schwarze Haarlour, die ursprünglich vom Schopfe einer Südländerin geschnitten sein mochte, abersichtlich den Stolz ihrer gegenwärtigen Trägerin dilvele. Das jüngere Wese» neben ihr mar unzweifelhaft die Tochter. Ans ihrer Toilette erhellte zwar auch das Bestreben, vor aller Welt Zeugniß abzulegen von den Mitteln, die ihr zur Verfügung siandeu, sie hatte jedoch nicht die Exceffe ihrer Mutter gegen den guten Geschmack begangen. Stoffe und Farben waren, die für eine Landpartie unpassende Gediegen heit abgerechnet, wohl gewählt, und paßten zu der Gesichts und Haarfarbe der Dame. Ohne den auffallenden Ausdruck von Ver stimmung, der ihren Zügen einige unziem lich scharfe Linie» cingegraben hatte, wäre 'ie hübsch zu nenneu gewesen, obgleich sie die Jahre der ersten jugendlichen Anmulh bereits zurückgelegt haben mochte. Die Schöne war von den meisten Illusionen dieses trügerischen Daseins zurückgekomme»; das las man in ihren Mienen. Bei der Nachdenklichkeit beider Damen schien es kaum passend, eine Unterhaltung anzuknüpfen. Die frische und regnerische Morgenluft gab endlich Gelegenheit zu einigen einleitenden Worten. Ich nahm den Damen die Mühe ab, das Fenster des Waggons in die Höhe zu ziehen, und fügte einige Worte des Bedauerns über ihre Toilette hinzu, die bei dem wahrscheinlich bauernd unfreundlichen Weiter des Ta^es, durch die Be- theiligung an dem F-stzuge und den Aufenthalt im Walde leiden würde. —
„Wir fahren nicht des Gesangiestes wegen nach N. !" sagte die ältere Dame, bei aller Höflichkeit der Gebärden, durch welche sie mir für die geleistete Hilfe dankte, doch etwas gereizt. Da ich versicherte: Dieses sei auch mein Fall, ich liebte die 'türkende Landluft, suchte in größerem Menschengewühl nach angestrengter Arbeit nichts als heilsame Zerstreuung, und nähme die zahlreichen Gejaiigsübungen als unver meidliche Zuthat mit in Kauf, schien ich einen Stein im Brette der Damen gewonnen zu haben. Das Gespräch gerieth in Gang, wir tauschten unsere Ansichten über das wenig einladende Weiter aus, ich gab den Damen einige wohlgemeinte Nathschläge im Punkte des Unterkommens und der Verpflegung, und erwarb durch meine Mit thcilsamkeit binnen zebn Minuten ihr Ver trauen. Mutter und Tochter tauschten einige fragende und antworlende Blicke aus, verständigten sich endlich durch ein kurzes flüsternd geführtes Gespräch, und wandten sich dann mit der Frage an mich, ob ich geneigt sei, ihnen bei meiner Kenntniß des Ortes, in N. meine Unterstützung angedeihen zu lassen. Da ich mich auf die verbindlichste Weise ihnen zur Verfügung stellte, aab sich mir die Aeltere als Madame
Pfeffer, Rentiere und Eigenthümerin mehrerer in guten Stadtgegenden gelegener Häuser in F. zu erkennen.
„Sie haben etwas Väterliches und lösen uns die Zunge!" sagte die Jüngere und suchte mich durch einen huldigende» Blick für sich und ihre Sache zu gewinnen. Die Intervention ihrer Mutter verhinderte sie jedoch, ihre Worte zu bewahrheiten, Mad. Pfeffer rief mit großer Lebhaftigkeit.- Schweig', mein Kind, ich werde den Herrn in unsere prekäre Situation einweihen. Für Dich als junges Mädchen würde sich eine solche Erörterung nicht ziemen. Du darfst Dich keiner Mißdeutung Deines Charakters anssetzen. Denken Sie von uns nicht gering, mein Herr, wenn ich Ihnen offen gestehe, daß der einzige Zweck unserer Reise nach N. nur darin besteht, uns von der Anwesenheit eines Herrn zu überzeugen!"
Ich verbeugte mich verbindlich und wartete auf fernere Erklärungen. Es war gefährlich Mad. Pfeffer durch höilicheRedens- arten entgegenzukommen. Weshalb beabsichtigte sie, sich von der Anwesenheit „eines Herrn" in N. zu überzeugen? Halte dieser Herr länger laufende pecuniäre Berpflich- lungen gegen sie, und wollte sie sich meiner Hilfe nach älterer Damen Art nnr bedienen , um ohne eigene» Aufwand an Zeit und Kräften einen Hallefest herbeizuschaffen und sich des Herrn zu bemächtigen? Die besorgten Mienen der Tochter beruhigten mich, es handelte sich nicht um schnöden Mammon, nur um Lieb e.
(Fortsetzung folgt.)
(Der Geräucherte). Doktor: „Hier stelle ich Ihnen den ältesten Mann unserer Stadt vor; er zählt 80 Jahre und ist Schornsteinfeger." — Professor: „Kein Wunder, geräucherte Waare hält sich immer lange."
(Vertreibung der Motten.) Die Blüte des Hanfes, frisch gelrocknet und in die zu schützenden Gegenstände vertheilt, hält die Motten sicher ad. Die Verwaltung der badischen Slaatsbahnen laßt dieses Mittel zur Abhaltung der Motten von den Polstern der Koups's anwenden, indem eine Handvoll Hansblüte unter das Polstermaterial gemengt wird.
General Türr und Garibaldi. Türr. Alter Freund, Du hast gefachten Für Italien, hast befreit Wie ein Held die Unterjochten.
Eins noch blieb Dir übrig heut.
Noch von einem Feind erlöse Rasch Dein Land, dann gönn' Dir Ruh'. Garibaldi. Sprich, wer ist es?
Türr. Sei nicht böse,
Lieber Freund, der Feind bist Du.
(B. W.)
Goldkurs der StaatLkaffenverwaltung
vom 8. Mai 1879.
20-Frankenslücke . . 16 18 ^
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