232
Kroiiik.
Deutschland.
Der Kaiser hat. wie den preußischen Behörden amtlich eröffnet worden ist. aus Grund der in dem Berliner Vertrage vom 13. Juli vorigen Jahres getroffene» Be stimmungen die politische Unabhängigkeit Serbiens nunmehr anerkannt und demge maß den Generalkonsul in Belgrad, Grasen Bray, zugleich zum Geschäftsträger des deutschen Reichs bei der Regierung des Fürsten von Serbien (welchem in der Ministe- rial-Mittheilung der Titel Hoheit beigelegt ist) ernannt.
Der parlamentarische Kampf über die Wirthschaits- und Steuer Reform hat am gestrige» Tage begonnen. Zwar von einem Kamps ist aus dem Bericht über die gestrige Sitzung nichts zu ersehen; der Reichskanzler präzistrte den Standpunkt der Regierungen zu der Vorlage und suchte die absolute Nothwendigkeit einer Aenderung der bisherigen Steuerpolitik in durchaus maßvoller und klarer Rede nachzuweisen. Er betonte, daß es sich hier nicht um politische, sondern um rein wirthschastliche Fragen handle, welchen Partei- und Frak- tions - Empfindungen fern bleiben sollten. „Ich glaube," sagte der Kanzler am Schluffe seiner Auseinandersetzung, „daß die Ueber- zeugung in den Verhandlungen vorherrschen sollte, daß vor allen Dingen das deutsche Volk Gewißheit über seine wirthschast- liche Zukunft verlangt und daß eine schnelle Ablehnung immer noch günstiger ist, als das Hinziehe» der Ungewißheit, in welcher Niemand weiß, wie die Zukunft sich gestalten soll." Delbrück wandte sich hauptsächlich gegen den Tarjsentwurf und die Motive; ein Fachmann erster Autorität, übte er an demselben eine ernste und, soweit man aus dem telegraphischen Resume zu ersehen vermag, tadelnde Kritik; hiernach wären zahlreiche Aenderungen in den einzelnen Posten nachgerade unerläßlich.
P s s r z h e i m , 2. Mai. Der Sommerfahrplan, welcher bis 15. Mai in Giltigkeit treten wird, bringt uns Pforzhei- mern keine wesentlichen Vecänverungen, nut Ausnahme der früheren Ankunft des Karlsruher Abenszuges, die alsdann schon um 9 Uhr erfolgen wird. (Pf. B.)
Württemberg.
Zum stellvertretenden Bevollmächtigten Württembergs im Bundesrathe wurde — wohl wegen der nunmehr beginnenden Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs betreffend die Regelung des Gülertariiwesens — der Generaldirektor der Verkehrsanstalten Herr Geheinurnth n. Dillenius berufen. (St. Z.)
Die Würtlembergische Negierung hat an ihre Zustimmung zum Bundesrathsbeschluß, zur Ausstellung nach Sydney einen Neichskommiffär ubzusen den, den Wunsch geknüpft, eine Persönlichkeit zu wählen, welche mit dem überseeischen Handel berufsmäßig und praktisch betraut ist. Außerdem hat dieselbe, die Theilnahme der Landesangehörigen an der Ausstellung von Anfang an begünstigend, sich erschloss n, neben dem Neichskommiffär noch einen besonderen V-rtreler „ach Sydney zu entsenden, und zu dieser Mission den Piästdeiilen der Ceutralstelle für Han
del und Gewerbe, Hrn. Dr. v. Steinbeis. ousgemählt.
Vaihingen a. E, 29. April. Am Samstag wurde in der Enz bei Pforzheim in einem Aalkorbe ein A a l von 10'/4 Pfd. gesangcn. Derselbe wurde zu 21 an einen Karlsruher Hotelier verlaust.
Von der Enz. 30. April. Durch ein wundersames Geschick wurde eine Ludwigsburger Familie am Ostermontag vor doppelt drohendem entsetzlichem Unglück bewahrt. Der Valer wurde, als er in Bietigheim das Geleise überschreiten wollte, von dem herannaheiiden Zug erlaßt, aus die Schienen geschleudert und mußte so den ganzen Zug über sich hinfabre» lassen; mit Ausnahme einiger ziemlich schweren Kopfwunden »ahm er mer'würdigerweise keinen Schaden. Und am selben Tag entgingen zwei Kinder desselben, die in Vaihingen bei einem Bekannten auf Besuch waren, nur mit Mühe einer ähnlichen Gefahr. Auf einer Spazierfahrt, die letzterer mit ihnen machte, gelangte man zu einem Eisen bahnübergang, bei wilch.m trotzdem, daß der Zug herannahen sollte, die vordere Barrivre offen stand. Pferd und Wagen standen auf den Schienen still, durch die jenseitige Varrivre gehemmt, als eben der Zug in der That heranbrauete. Rasch besonnen, sprang der Besitzer aus die Erde und riß das Gespann zurück. Das Pferd stürtzte und in diesem Moment fuhr der Zug vorbei und zwar hart an dem Gefährt. Wenige Augenblicke noch — und die Kin der wären wohl unrettbar demselben furchtbaren Tod verfallen gewesen, von dem ihr Vater nur wie durch ein Wunder gerettet wurde. (N. T.)
Ludwigsburg, I. Mai. Die Herren Walcker und Comp., welche bekanntlich das Orgelwerk in die Votivkirche nach Wien geliefert, haben vom Herrn Erzherzog Karl Ludwig ein schmeichelhaftes Schreibe» vom 22. o. M. aus Wien erhalten, des Inhalts: „Der bevorstehende Abschluß
der Bauarbeiten und die feierliche Eröff nung der Votivkirche veranlassen mich als Protektor dieses Kirchenboues, Ihnen in Belr>ff Ihrer erfolgreichen künstlerischen Mitwirkung bei der Ausschmückung dieser Arche meinen verbindlichsten Dank und meine vollste Anerkennung ansznsprechen." Auch ist an die Herren Walcker von Seite des Festkomites eine besondere Einladung zur Theilnahme an der Eröffnungsfeierlichkeit ergangen, worauf einer der Brüder Walcker nach Wien abgereist ist. (N.T.)
Hi Wildbad, 3. Mai. Wergestern und heute Wildbad gesehen, der glaubte sich versetzt in einen Feengarlen, galt es doch Seine Majestät unfern vielgeliebten König K a r l zu empfangen. Die Tannen waren herabgestiegen von ihren Höhen und batten in den Straßen und Gaffen Posto gefaßt, dem hohen Gaste Spaliere bildend und balsamische Düste ausströmend. Guir- landen, Kränze und ein Meer von Flagge» in den würtlembergischen und deutschen Farbe» schmückten die Häuser; überhaupt wetteiferte die Gesammieinwohnerschast, ihre» Landesvaler würdig zu empfangen. Der Krieger- und Militärverein hatte sich vor dem Absteigequartier dem Klg. Badhotel mit Fahne und Schärpen in militärischer Ordnung aufgestellt und brachte der Vor
stand desselben bei der um '/-5 Uhr erfolgen Ankunft ein Hoch ans auf Se. Majestät, welches sowohl von dem Verein, als anch von der Einwohnerschaft und den hier anwesenden Kurgästen begeistert aufgenomme» und vom Kur-Orchester inlonirt wurde. Der König passirte hierauf die Front des Vereins, erkundigte sich bet dem Vorstände nach dem Stand desselben und dankte für die dargebrachte Huldigung. Abends fand ein von der freiwilligen Feuerwehr arrangir- ter Fackelzua, an welchem sich die Vereine und sonstige Bürgerschaft bethciligte», statt. Derselbe setzte sich vom Feuerwehrma azi» aus i» Bewegung und nahm auf dem Kurplätze vor den Wohn-Gelaffen Sr. Majestät Aufstellung. Se. Majestät erschien hierauf aus dem Balkon, der Sladtvorstand hielt eine kurze Ansprache, worin er hauptsächlich betonte, wie dankbar Wrlobad seinem Landesvaler für das von ihm stets bewiesene Wohlwollen und den Allerhöchsten Besuch sei und endigte mit einem dreifachen Hoch, weiches von Allen begeistert ausgenommen wurde. Die Kurkapelle spielte die Königsbymne, der Liederkranz trug einige Lieder vor, worunter das von Kübirer kom- ponirte Würltemberger Lied: „O Württemberg du schöner Garten n. i. w. und mit Siolz dürfen wir sagen: „O Württemberg du schöner Garten", denn unser schönes Schwabenland, welches wir auch schon den Garien Deutschlands mit seinen gemüthlichen Einwohnern nennen hörten, erfreut sich unter seinem vielgeliebten König Karl Segnungen, welche wir mit Dank gegen Gott und der schuldigen Ehrfurcht vor unserem Könige gerne anerkennen; es walten rn Württemberg Gerechtigkeit, Friede, Sicherheit, Zufriedenheit und wir fühlen unter seiner weise» Negierung wenig von den religiösen und socialen Wirre», welche dem großen deutschen Vaterland so schwere Wunden schlugen, aber auch unser König kann heute noch von seinen Unterlhanen wie einst Eber- Hardt im Bart sagen:
„Doch ein Kleinod hält's verborgen, Daß in Wäldern noch so groß Ich mein Haupt kann kühnlich legen Jedem Untcrthan' in' Schoß." —
Auf Allerhöchsten Wunsch wurden vom Stadtoorstand die Vereinsvorstände vorgestellt, welchen Se. Majestät für den schönen Empfang dankte. Andern Tags besichtigte Se. Majestät in Begleitung des Generallieutenants v. Spitzemberg, deS König!. Bad Kommissärs Früheren Wilhelm König o. Königshofen, des Kgl. Bad-ArM und des Stadtvorstandcs die Anlagen, dir neu erbaute Trinkhalle, das Kgl. Katharinen» stist und die Stadt eingehend. Mittags fand im Kgl. Bad Hotel ei» Diner statt, zu welchem die weltlichen und geistlichen Beamlen beigezoqen wurden. Gegen 2 Uhr stellte sich der Krieger-Verein vordem Portal auf, das Kur Orchester begann das Württemberger Lied und unter Hochrufen aller Anwesenden verließ Se. Majestät die Stadt, um mittelst Extrazuges 2 Uhr 40 Min. wieder »ach Stuttgart zurückzukehren. Wir Wildbader aber, die mir so treu und warm an unserem Königshause hängen, hoffen, daß uns Se. Majestät mit Seiner Hohen Gemahlin bald wieder mit einem längeren Besuche beehren werden.