Miszellen.

Ein bekehrter Agitator in Amerik a. Bekanntlich findet in Amerika die iozialdemokratische Lehre, zum großen Kummer ihrer Anhänger in Deutschland, un­ter den angelsächsischen Elementen so viel als gar keinen, untcr den irisch-keltischen und selbst unter den germanischen Eingewan- derten nur wenig Anklang. Die Partei besitzt dort bloS etwa 6 Organe in deutscher Sprache, in New Dort, Buffalo. Chicago, Cincinnati und Milwaukee. Letztgenannter Ort, Hauptstadt von WiSkonsin, einem von Deutschen vorzugsweise bevölkerten Unions­staat, war ein Hauplherd der Bewegung. Diese wurde eifrig von einem Deutschen, Joseph Brücker, betrieben, welchen ameri­kanische Blätter als gebildeten und ver­ständigen Mann schildern. Als solcher weist er sich jedenfalls neuerdings aus. Im dortigenBanner" legt er nämlich folgen­des Selbstbekenntnis ab:Ich lerne all mählig einsehen und hoffentlich ist es noch nicht zu spät, daß, wer es im Leben vor­wärts bringen und zum Besten seiner Mit nicnichen wirksam sein will, nicht im Wolken- kukusheim abstrakter Theorien thronen darf, sondern als Mensch unter Menschen wohnen und die Dinge nehmen muß, wie sie sind und nicht, wie sie sein könnte» oder, um in's ausgeklügelte System zu paffen, sein müßten. Bor einem Jahre war ich noch sozialistischer Idealist, heute bin ich liberaler Realist. Damals glaubte ich ein gut Tagwerk voll­bracht zu haben, wenn ich Morgens einen sozialistischen Zeitungsartikel geschrieben, Mittags über Sozialismus gekannegießert, Abends eine sozialistische Rede gehalten halte; heute bin ich nur dann mit mir zufrieden, wenn ich mir Abends sagen kann: Du hast wieder etwas Neues gelernt, bist um Erfahrungen reicher geworden, hast deine Pflicht gelhan."

Das «Cincinnati Volksblatt" bemerkt dazu:Wie viele Genoffen werden wohl das freilich nichts weniger als bequeme Beispiel Brucker's befolgen? Wir glauben antworten zu können: von Brucker's Ge­noffen in Deutschland, den berufsmäßigen Führern, Rednern. Arlikelschreibern läßt sich schwerlich erwarten, daß ein gemäßigter, vernünftigerRealismus" so bald bei ihnen einkehren werde. Die Atmosphäre ist hier noch viel zu sehr mitPhantasterei" er­füllt. Das Gewitter, das über die Partei hereingebrochen ist, hat wohl die Lust ab­gekühlt, nicht aber die Köpfe und das Blut. Dreier Jahrzehnte hat es einst gebraucht, um die Glaubensparteicn in Deutschland zum Frieden zu bringen. Aller menschlichen Berechnung entzieht es sich, wie lange wir auf einen sozialen Friedensschluß zu warten haben werden. Rusen wir uns mittlerweile nur täglich zu, daß weder wir dem Feinde, noch der Feind uns den sozialen Frieden diktiren kann, sondern daß derselbe von allen Parteien ernstlich erarbeitet werden

Nlttß.

Die Feindschaft zweier Könige. In einem Aussatz über Ludwig I., König von Bayern, bringt dieFrankfurter Zei­tung" folgende interessante Reminiscenz: Die Lieblingsschwester des Königs, Char­

lotte (die nachmalige Kaiserin Karolina Auguste von Oesterreich), war bekanntlich zu Rheinbundszeilen au den damaligen Kronprinzen und späteren König Wilhelm von Württemberg verheiratet worden. König Wilhelm hatte sich dem eisernen Gebot des Napoleoniden nur mit Ingrimm und lebhaftestem Widerwillen gegen die aufgedrungene Heirath gefügt und war nicht gewillt ihm mehr als lediglich formell zu folgen. Vielmehr erklärte er Cbarlotle Augusten offen, daß er nur dem Zwang geborche und ihre Ehe als moralisch nichts,; betrachte, und er trennte sich unmittelbar nach der Trauung thatt'ächlich von ihr; sofort nach Bonapartes Sturz ließ er die jungfräuliche Ehe auch rechtlich scheiden. Wegen dieses vermeintlichen, seiner Schwester angethanenSchimpfes" nun ward Lnd- wig Wilhelms Todseino; er forderte ihn znm Zweikampf heraus, der aber durch Wilhelms Ruhe und die Bemühungen der beiden Höfe vermieden wurde; er haßte von da an seinen nächsten Nachbar aufs Bitterste und verkehrte weder mündlich noch schriftlich je wieder mit ihm. Erst wenige Jahre vor Ludwigs Tode trat eine uner­wartete Aenderung ein. Aus einer Durch­reise in Stuttgart setzte sich Ludwig während des mebrstünoigen Aufenthaltes in den Wartesaal dritter Klasse an einen Tisch voll Bauern, die den unscheinbaren alten Herrn, der alsbald mit ihnen über Haus­und Landwirthschast, Politik u. dergl. zu sprechen anfing, wohl für Alles in der Welt eher als für einen König ansehen mochten. Mittlerweile halte sich indeß die Nachricht von Ludwigs Anwesenheit doch verbreitet und war auch König Wilhelm hinterbracht worden. Dieser machte sich, den alten Span vergessend, auf, um seinem hochbetagten Gegner persönlich die Hand zur Versöhnung zu reichen. Er fand ihn in eifriger Unterhaltung mit den biedern Bauern, deren sprachloses Erstaunen über ihre hohe Bekanntschaft man sich leicht vorstellen kann. Dieser Schritt aber brach Ludwigs Hartnäckigkeit und die beiden alten Könige blieben von da an gute Be­kannte."

Von Seiten einer fachmän­nischen Autorität geht derBonner Ztg." folgende Mittheilung zu:Daß der Goldregen, OxtiLus Oaburnum, der wegen seiner schönen Blüthen in unfern Gärten so beliebte Strauch oder Baum, ein un- gemein gefährliches Gewächs ist, scheint dem größern Publikum nicht bekannt zu sein. Er ist aber eine Giftpflanze ersten Ranges; denn alle seine Theile, Blüthen, Blätter, Schoten, selbst die Wurzel ent­halten das von Hnsemanu und Marme 1864 entdeckte Cytifi», das schon in einer Dosis von 3 Gramm, unter die Haut ge­spritzt, Hunde und Katzen sofort tödtet. Seit der ersten Beobachtung einer Ver gistung eines Menschen durch Christison 1843 (ein Knecht halte aus Scherz einer Köchin ein Stück Goldregenrinde in die Suppe gelegt) sind in der medizinischen Literatur mehr als hundert Vergiftungen durch Cylisin »iedekgelegt, und von diesen endete eine große Zahl tödtlich. Es waren hauptsächlich Kinder, die von den Schoten

den Samen (zehn der kleinen Böhnchen genügen zur Vergiftung eines Kindes) ge­gessen hatten; aber auch Erwachsene, dis durch Verwechselung der Goldreaenblütheii mit Akazienblüthen elftere zu Thee ver­wendeten oder sonstwie von Theilen des Goldregens genossen hatten. Wie viel Cylisin - Vergiftungen mögen schon vorge­kommen sein, die als solche nicht anerkannt wurden oder anerkannt werden konnten?! Die Erscheinungen sind nämlich sehr weniz charakteristisch; sie bestehen in Erbrechen, Durchfällen, Krämpfen, und baldigem Ver­fall der Kräfte. Ein Gegenmittel gibt es nicht. Unter solchen Umständen dürste es rathsam sein, den Goldregen überhaupt aus den Gärten zu verbannen.

(Ein wunderbarer Fischzug.) Man schreibt von Eichmald: Unserem Rheinbsu- Oberaussehr wurde kürzlich ein außerordent­liches Glück zu Theil. Er begegnete in seinem Nachen einem ca. 30 K>lo schweren Lachs, der in einer vorher überschwemmte» Niederung war und den er glücklicherweise auffing. Beim Oeffnen des Fisches zeigte sich aber etwas ganz seltsames. Der Lachs hatte einen fast 2 Kilo schweren Hecht, der Hecht eine ansehnliche Forelle veischlucki, während man in den Eingeweide,! der letzteren ein roch erkennbaares Fischchen vorfand. Bei dieser Gelegenheit wollen wir erwähnen, daß vor einigen Tagen von der kaiserlichen Fischzuchtanftalt in Hüningen 356,000 junge Lachse in den Rhein gesetzt worden sind.

Wie es in Amerika aussieht, mag aus der folgenden Notiz, welche wir einer amerikanischen größeren Zeitung entnommen haben, hervorgehen. Dieselbe enthält wört­lich :Wenn die Ver. Staaten gesäubert werden könnten von Muckern, Temperenz- heuchlern, Fanatikern, Weiberstimmrechtlern, Nichtswiffern, Verbrechern, professionellen Landstreichern, Corruptionisten, Geldaristo- kralen, Sozialisten, Schwindlern und ande­rem Gelichter, dann würde ein Mann ge« nngen, die Volkszählung in 1880 in einer Woche zu beenden."

Monolog Garibald i's.

Ob er wohl kommen wird, der Sohn meines über Alles geliebten Viktor Ema- nuels, der gottbegnadigte König des durch mich geeinten Landes, der herrliche Umberto, der Tyrann, der Volkspeiniger, der Unter- lhanendedrücker? Werden meine Augen noch einmal verklärt zu ihm aufblicke» dürfen, zu dem göttlichen Staatenlenker, dem jugend­lichen Halbgott, dem Abgott meiner Seele, dem Steuersauger, dem Militarismussröhner, dem Baalsknechte? Ha, da ist er!

(Der König tritt ein.)

Majestät, ich bewillkommne, segne, preise, verwünsche und verabscheue Sie, gestatten Sie einen unterthänigsten Kuß auf diese Hand, die berufen ist, so viel Wohlthun auszuüben und so hart aus Italien zu laste» . zu drücken. Diese Stunde ist die glücklichste und miserabelste meines Lebens. Ich bitte Sie. den allerunterthänigsten Fluch ihres allerloyalsten Nevolutionairs mitzunehmen. (B. W.)

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.