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Neuenbürg, 25. April. Im Lause der Woche haben im untern Amte und hier di« Früh- und Kirschbäume zu blühen begonnen. Die Bäume sind vielversprechend und haben, so viel bis jetzt bemerkbar, in dem langen Winter keinen Schaden erlitten. Wenn demnächst wärmere Temperatur eintritt, können wir bei einem Gang durch die ergrünten Fluren uns an einem Blüthenmeer ergötzen.

Schweiz.

Rorschach, 19. April. Die am Charfreitag durch den württemb. Dampser- kapitän Gagg vom Ertrinkungstode gerette­ten fünf Herren von St. Gallen überreichte» am vergangenen Sonntag aus dankbarer Anerkennung eigenhändig ihrem edlen Le­bensretter einen silbernen Pokal mit ihren eingravirten Namen.

Ausland.

Frameries, !8. April. Ueber die furchtbare Explosion in den belgischen Kohlen­gruben von Agrappe schreibt dieJndep. Beige" : In demselben Bergwerk wurden schon vor 30 Jahren 750 Bergleute ver­schüttet (von denen die Hälfe umkam) und sind am 12. Dezember 1875 122 Personen zu Grunde gegangen. Mehr als 300000 Fr. Hot es gekostet, denn vor drei Jahren augerichleten Schaden wieder gut zu machen unv wenn eine Reparatur auf dem gegen­wärtigen Boden überhaupt möglich ist, dürfte jetzt die doppelte Summe nölhig sei», im ungünstigsten Falle aber schätzt man den Verlust auf eine Million. Seit drei Monaten erst waren die Arbeiten im vollen Gange. Es befanden sich 2 > 2 Perso nen in der Grude, und zwar veriheilt in drei Etagen derselben, deren eine 520 Meter, die andere 550 Meter und die dritte 610 Meter tief unter der Erdoberfläche eiugetrieben sind. Im Ganzen sind 92 Personen gerettet worden, die übrigen sind einem entsetzlichen Tode durch Verbrennen oder Ersticken verfallen.

Miszellen.

Der Bierkvnsum im Deutschen Reiche. der Durst im ganzen Deut­schen Reiche einheitlich ist, wie die Reichs- Währung, das hat die Statistik noch nicht ermittelt, das aber ist durch diese vielseitige Zahlenwissenschaft schon sestgeftellt worden, daß die Mittel, den Durst zu löschen, in den verschiedenen Theilen des Reiches durch­aus nicht in gleichem Grade Verwendung finden. Es kommt z. B. von dem edlen Gerstensafte in Elsaß . Lothringen auf den Kopf der Bevölkerung ein jährlicher Kon sum von 43 Ltr., darunter 37,98 einhei misches Gebräu, in der Biersteuer-Gemein schaft, das ist das ganze Reich mit Aus schluß der Reichslande, Badens, Württem bergs und des rechtsrheinischen Bayerlan des, kommt auf den Kopf ein Jahresver brauch von 65 Ltr., worunter 63,30 ein heimisches Bier. Der Durchschnitts-Badenser verlangt jährlich 78 Ltr., worunter nur 7,86 Ltr. importirten Stoffs; der Würt- emberger beansprucht schon 203 Ltr. per Kopf, und beweist seine Zufriedenheit mit dem Landesprodukt dadurch, daß er vom Auslande durchschnittlich nur 1,48 Ltr. bestellt; der bierburstigste Deutsche ist der

rechtsrheinische Bayer und sein Durst hat auch den meisten allerdings auch den meistberechtigten Lokalpatriotismus, der rechtsrheinische Bayer trinkt nämlich jähr­lich im Durchschnitt 262 Ltr. und davon ist noch nicht einmal ein halbes Liter im voriirt.

Ist Kaffee Gift? Mehrere lebens lustige Chambregarnisten saßen gemüthlich plaudernd beisammen, als man auch auf die Schädlichkeit des Kaffees zu sprechen kam. Während die Einen die Unschädlich keit des edlen Mocca behaupteten, meinten die Anderen, daß der Trank sogar tövtlich wirklich könne. Der Streit sollte bald ent schieden werden, indem einer der Anwesen­den, ein Architekt S., sich bereit erklärte, die Unschädlichkeit des Kaffees sowrt an sich selbst zu prüfen und zu beweisen. In Gegenwart aller Freunde bereitete man aus einem halben Pfund besten, gemahlenen Kaffee eine kleine Portionslasse voll Mocca Extract, die S. denn auch mit sichtlichem Wohlbehagen in einem Zuge leerte. Un­gefähr 10 Minuten später stellten sich bei S. die ersten Symptome einer Vergiftung ei». Zunächst erfolgte heftiges Erbreche», hiercust quollen die Augen aus den weit- geöffneten Augenhöhlen, Schaum bedeckt» die blau gewordenen L ppe», der ganze Körper verfiel in krampfhafte Zuckungen, wobei der Angstschweiß in Hellen Tropfen aus den Poren floß. Der sofort herbei- gerusene Arzt erklärt den Zustand für einen äußerst gefährlichen, da jeden Augenblick ein Schlagfluß zu befürchten stand. Erst nach mehrstündiger Anstrengung gelang es unter Anwendung starker Gegengifte den Kranken der Todesgefahr zu entreißen, doch dürften noch Wochen vergehen, bevor der­selbe völlig wieder hergestellt ist. (B. T.)

(Deutlich bezeichnet.) Ein kürzlich in Arnstadt zur Post gelieferter Brief trug, wie dieDeutsch. Verkehrs-Zlg." von dort mitgetheilt wird, folgende Aufschrift:An Herrn Lewe Albert N. ... er ist bei Kn. und Pl. (Namen sind ausgeschrieben) und ist mein Freint und nennt mich Du und weiß von wem der Brief kommt und drinkd gerne Gaffee und hat gewehnlich franzesche Stiefeln an mit so breiten Sohlen und wohnt in Cassel an der Fülle."

(Eine überraschte Tänzerin.) Ei» ele­ganter Herr:Das ist heute Abend schon das zweite Mal, meine Gnädige, daß ich das Vergnügen habe. Sie zu sehen." Die Dame:Ah! Und wo haben Sie mich das erste Mal gesehen, wenn ich bitten darf? Der Herr:Wie, Sie erinnern sich meiner nicht? Ich war es ja, der Sie heute Abend vor dem Balle srisirt hat."

Iie große Hanne öei Keuenöürg.

Ihrem treuen Hüter, Herrn Stadtförster Gauß in Neuenbürg gewidmet von Th. Lutz.

II.

Zur Herbstzeit war's, am Hellen Himmel Beginnt die Sonne ihren Lauf Und scheucht der Wolken grau's Gewimmel ^iu s kurzem S chlaf zur Wandrung auf.

Und wie sie so vorübertreiben Begrüßen sie den Lannenbaum:

Ach, daß du festgebannt mußt bleiben In deiner Heimath engem Raum.

Viel schöner ist es doch, im Blauen Hoch über'm ganzen Weltrund hin,

Deß Wunder alle wir nur schauen,

Zn froher Wanderlust zu ziehn.

Komm mit uns; von des Eismeers Borden Weht schon heran ein kalter Gruß Und bald bedrängt der Gast aus Norden Dich selbst mit seinem eif'gen Kuß.

Indessen ziehen wir nach Süden Bis unsre Wanderlust gestillt Und endlich aus den Wandermüden Der Balsam für die Erde quillt.

Hah! ruft die Tanne: Glück zur Reise, Doch euer Wort mich nimmer trügt,

Ein Jedes freut sich seiner Weise Und ich, ich lebe stillvergnügt.

O daß der Blick bei eurem Rennen Nur auf die Oberfläche fällt.

Sonst lerntet ihr wohl auch erkennen Die Freuden meiner kleinen Welt.

O schöner Traum, deß zartes Weben So zauberkläftig mich umspann,

Daß mir fürwahr ein langes Lebe»

Wie eine Stunde nur verrann.

Im Frühling, welch' ein Blüh',, und Sprossen Und Jubiliren allerwärts,

Bis jede Blüthe sich erschlossen Und jedes Voglems liebend Herz.

Der Sommer bringt mir stolze Gäste,

Denn flüchtig vor der Sonne Gluth Das Wild im Schatten meiner Äste Zur Mittagszeit behaglich ruht.

Und wenn im Herbst die Blätter fallen Erblickt ihr grünend nur noch mich,

Drum sind die Andern nur Vasallen Und ihre Königin bin ich!

Doch auch den kalten Wintertagen Seh' ich entgegen lusterfüllt;

Wie gern will ich das Schneekleid trogen, In das der rauhe Freund mich hüllt.

Ich darf ja einstens rauschend wecken Was ringsum schläft den Wintertraum,

Da werd' ich stolzer noch mich recken Zum Himmel auf als Weihnnchtsbaum.

Da werd' ich erst recht freudig grüßen Das Thal, drinn sich das Flüßchen wiegt Und kindlich zu der Berge Füßen Die kleine schmucke Stadt sich schmiegt.

Sie kennt mich wohl feit alten Zeiten Und zeigt mit Stolz herauf zu mir Und nennt mich ohne Widerstreiten Des ganzen Waldes schönste Zier.

Gar viele jüngere Genossen Nahm sie mir weg, ins Thal hinab Und ich, obwohl sie mir entsprossen,

Den Festschmuck ihr mit Freuden gab.

Wenn dann vom Thal her meine Kinder Mit tausend Augen nach mir späh'n.

So sehen sie mich auch nicht minder Geschmückt auf meinem Posten stehn.

Es schaut ja zwischen meinen Zweigen Ins Thal hinunter Stern an Stern O sagt, wo könnet ivr wohl zeigen Solch einen Baum noch nah und fern?

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh, Neuenbürg.

(Mit einer Aetlage.)