Ein neuer Stuck Wildbad.

(Aus dem Schwab. Merkur).

(Fortsetzung.)

Sehr interessant und bei näherer Be­trachtung des Ganzen unschwer zu erkenne», ist die Art und Weise, wie der Baumeister die an sich sehr ungünstigen Terrainver­hältnisse zu besiegen und für den Total eindruck des Ganzen mit außerordentlich günstigem Erfolg zu verwerlhen gewußt hat. Der mittlere Pavillon ist im Grund­risse quadratisch, ebenso seine.Kuppel; nach der Ostseite ist im Achteck ein Anbau an­gesetzt, der für die Produktion der hier erhöht stehenden Kurkapelle bestimmt ist Von besonderem Interesse ist hier das Hauptporial. So formenreich das Haupt- portal an der Trinkhalle ist, so einfach und breit, jedoch mit feinstem Gefühl, an gelegt ist dasjenige am Musikpavillon. Ueber 3 Rundbogen zieht sich ein mächtiger durch­brochener Fries hin; die wirksamste Dekora­tion ist h er das in Löwen und Hirschhorn getheilte Wappen und darunter ein präch­tiger, lebendiger Fries aus Kandelabern, Kränzen, Knaben aus Greisen reitend mit den Emblemen des Wassers (Dreizack und Ruder) der heileren Unterhaltung, der Lustbarkeit, (Thyrsusstab, Füllhorn) aus- gestatlet, auf Kränze von Eichenlaub sich stützend, in welchen Embleme der Musik, der Hygieiue der Bader rc. angebracht sind. Es folgt wieder ein offener Wandelgang mit 7 Traveen und dann schließt der Bau mit dem Pavillon für kaltes Trinkwosser ad. Nicht vertieft, wie bei der warmen Quelle, sondern zu ebener Erde steht eine Brunnenschale in karrarischem Marmor. Als Brunnensäule dient eine Vase ebenfalls in karrarischem Marmor, mit wundervollen klassischeil Ornamenten. Aus 3 Löwen- köpfen ergießt sich das kalte Wasser in das Marmorbecken. Eine Bronzefigur, ein lieb­licher, lebhaft bewegter, beflügelter Knabe, den Delphin im Arme, bekrönt den Auf­satz. Wie der erste und der Musikpavillon, so ist auch dieser verglast und bietet Schutz gegen jede Witterung. Wir lassen uns einen Augenblick nieder und richten unsere Aufmerksamkeit auf das Ornament. Es ist diese Seile eines Bauwerkes in der Regel diejenige, die für den Architekten die gefährlichste Klippe bietet; es ist gar zu leicht möglich, in Monotonste zu ver­fallen. An dieser Trinkhalle ist diese Klippe vollständig und mit dem größten Glück vermieden. Auf der einen Seite ist eine meisterhafte Abstufung der Ornamenten je nach der Bedeutung der Bauglieder durch- gesührt und zwar von der einfachsten Pilaster - Füllung bis zum Medaillon in halb erhabener Arbeit. Sodann sind die charakierisirenden Ornamente alle in Bezieh­ung gebracht zu der Bestimmung des Baues und selbst in den eigenilichen Wandelgängen zwischen den drei Pavillons hat sich der Baukünstlcr nicht mit bloßen aussüllenden Ornamenten begnügt; er hat auch hiernach die Bogenzwickel mit den Emblemen des Handels, der Landwirthschast, der schönen Künste (Malerei, Bildhauerei, Architektur) der Wissenschaft, der Schifffahrt, der Musik, des Handwerks, der Poesie, der Kriegskunst und der Mechanik ausgefüllt und so das Ornament mit den verschiedenen Künsten

160 -»

und Handtirungen des menschlichen Lebens und hierdurch mit den verschiedenen Kur­gästen aller Stände, welche Wildbad be suchen, und sich im Wandelgang ergehen in Beziehung gebracht. Der Baukünstler ist aber noch weiter gegangen. Wenn wir zunächst im Kaltwasserpavillon den Blick nach der auf 8 schlanken Säulchen ruhen den Kuppel richten, so finden wir in den 8 Feldern des Frieses 8 Namen. Der erste ist: I) Hans Folz 1480. Er ist Meistersinger und Verfasser desPüchlei» von ollen Paden" der ältesten deutsch ge schricbenen Balneologie. Von ihm rührt bezüglich des Wildbades das Wort her: Man trinkt das Bad und sitzt darin. 2) Job. Widmann 1513, Badearzt und Schriftsteller (^raetaiu8 äe balueis tdormarum keri nsrum (vulgo Vuilä- dacken). 3) Job. Deucerus 1637 (heilsame und nützliche Badekur deß Wild bad's an der Entz im Herzogthnml Württemberg.) 4) I. I. Moser 1758 (Brauchbare Nachrichten für diejenigen, so sich des sürlrkfflich.n Württ. Wildbades bedienen wollen u. s. w. von einem dank baren Badgaste). 5) Just. Kerner I8I I (Das Wildbad im Königreich W.) 6) I. Fricker 1837 (Die Heilkräfte der warmen Qn-llen zu Wildbad.) Mit 7) Christof Herdegen. Finanzminister, beginnt unter König Wilhelm die neue Zeit für Wstdbad anzubrechen, und 8) Nik. Tbou- re t 1844 ist der Baumeister, der die erste» großen Bauten des Staates ausgeführt (Schluß folgt.)

Ausland.

London, 35. März. DerTimes" zufolge bat ein Erdbeben im, blichen Persie n am 22. und 23. d. mehrere Ortschaften arg beschädigt und zwei Dörfer :anz z-rslört. Nahezu 110 0 Menschen leien dabei umgekvmmen.

Dem Attentate auf den General Drentele » war ein politischer Mord in Moskau vorausgegangen und es wurdtii in Folge davon zahlreiche Ver Haltungen vorgenommen. War nun, so tragt man sich, der Schuß auf Dr-ntelen die Antwort auf jene Verhaftungen? Alle Blätt-r stimmen darin überein, daß das Anwachsen der nihilistischen Propaganda eine schwere Gefahr für Rußland in sich berge. Es scheint uns ein vergebliches Bemühen, sagt z. B. dieK. Ztg. die Mordthaten der Nihilisten auf ein kleines Häuflein verbrecherischer Menschen zurück- führen zu wollen, wie es in den russischen Blättern gern versucht wird. Durch das ganze Reich, von Odessa bis Petersburg, hat der Nihilismus seine Fäden ausge­sponnen , und bei jedem verübten Ver­brechen zeigt es sich auf das Klarste, daß mehrere Personen an demselben betheiligt gewesen sind.

MisMen. Zn Kußland.

Zeit-Novelle von August Schräder.

(Fortsetzung.)

Vortrefflich, Graf! sagte der Fürst, der sich noch an ihrer Seite befand. Ihnen vertraue ich meine kostbare Perle an. Sorgen Sie datür, daß Fräulein Amely sich in unserer Mille heimisch fühle. Ich fordere

sie von Ihnen zurück, wenn ich einige Freunde begrüßt haben werde.

Der viel beschäftigte Fürst ging.

Die Paare traten zum Tanze a». Auch Feodor und Amely erschienen. Die Gräfin die sich neben der Fürstin niedergelassen nickte ihrem Sohne Beifall zu; sie war erfreut, daß er sich den Zerstreuungen des Festes hingab. Was würde die alte Daine gesagt haben, die auf Feodor einen großen Plan baute, wenn sie die wahren Motive seiner Betheiligung an dem Tanze gekannt halte!

Der Walzer war noch nicht zu Ende als Amely über Erschöpfung klagte.

Nehm-n Sie eine Erfrischung. Mademoiselle!

Verzeihung, ich bedarf nur der Ruhe, flüsterte sie.

Feodor führte seine Dame in eines der prachtvollen Seitengemächer, die durch Vorhänge von rother Seide von dem Saals geschieh, ii waren. Bei dem Beginn eines Balles ist die Tauzlust noch sehr rege, Alles drängt sich in de» Saal; Feodor "esaud sich zu seiner großen Geuugthumig mit seiner Dame allein in dem reizenden, iraulichen Gemache, das wie zum heimlichen Geplauder geschaffen schien. Die wirklich erschöpfte Amely warf sich auf ein Polster.

Erlauben Sie mir , daß ich dem Auflrage des Fürsten Nachkomme, begann Feodor. Er hat mich mit der Sorge für ihre Unterhaltung beehrt.

Der Fürst ist so gnädig und lieb­reich gegen mich.

Weil Sie in jeder Beziehung sein Fest verherrlichen. Alle Gäste sind Ihnen um marinsten Danke verpflichtet. Ich weiß, daß man mich um den Vorzug be­neidet . . .

Amely sah den jungen Offizier an, als ob sie durch diese Schmeichelei ver­letzt würde. Sie zuckie leicht zusammen, beim jetzt erst erkannle sie den Mann wie­der , dem sie nach dem Begegnen in der Kirche und in dem Parke des Katharinen- boies zu Danke verpflichtet war. Wie anders sah er heute aus. S,m Gesicht ivar nicht mehr bleich und hager, alle seine Bewegungen verrielhen Kraft und Gesund­heit.

Amely flüsterte, nachdem sie einen Augen­blick schweigend vor sich hingesehen hatte:

Ich vergesse nicht, daß ich Ihre Schuldnerin bin.

O, Mademoiselle, erinnern Sie sich doch eines Unfalles nicht, der Ihnen die Freude des Festes trübt! bat Feodor.

Ach, Verzeihung, mein Herr, Sie erblickten mich in einer Situation . . .

Ich habe Sie um Verzeihung zu bitten, unterbrach sie Feodor rasch. Jener alte Herr, der sich Ihnen so insolent näherte, Halle wahrlich nicht die Absicht, Sie zu kränken. (Fortsetzung folgt.)

Stuttgart den 28. März, I l Uhr 30 Min. Vorm. (Telegramm.) London. Slandardmeldung: Calculta 27. März Cavagnari zeigte dem Vicekönige an, daß die Friedens - Verhandlungen mit Jacub gescheitert seien. Soiorliger Truppenvor- marsch gegen Kabul ist angeordnet.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh, Neuenbürg.