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berge» die Festcantate vor. Dieselbe ist von Frln. Luise Hitz, Schriftstellerin und Komponistin in Mün­chen, gedichtet und komponiert. Die Soli wurden von Frau Schuster (Stuttgart) meisterhaft vorgetragen, aber auch der Kirchenchor that sein Bestes. Es folgte die Predigt von Dekan Zeller, Über 5 Mos. 32, 3 u. 4, welch, die Festgrmeind« zu freudigem Dank, zu gläubigem Vertrauen und zu einem treuen ernsten Gelöbnis aufforderte. Nachmittags 2 Uhr bewegte sich ein stattlicher Zug vom Marktplatz auf den Kien­berg, um dort den errichteten Herzog Fried­richs türm feierlich einzuweihen. DaS Wetter war freilich gerade da sehr unfreundlich, und auf der luftigen Höhe windete und regnete eS ganz ordentlich. Aber man ließ sich die Freude nicht nehmen. Die begeisterte Weiherede des Stadtsch. Hartranft wurde mit großem Beifall ausgenommen. Das geplante Picknick mußte auf günstigere Zeiten verschoben werden. Abends folgte ein Festbankett in der Turnhalle, die j-tzt schöne Räume bietet. Nachdem sie wegen der Kirchenrestauration über 2 Monate dem Gottesdienst gedient hatte, wurde die Turnhalle durch einen schon lange vorbereiteten Anbau erweitert und vergrößert. Erfreulicherweise zeigte sich die Aku­stik in diesem weiten Saal, der heute festlich geschmückt und beleuchtet war, ganz günstig. Für das Bankett stand im Vordergrund die Vorführung der lebenden Bilder, einer Zusammenfassung dessen, was im morgigen Fefizug m einzelnen Stücken und Gruppen am Auge des Beschauers vorbeiziehen wird. Hier wurde dies nun in 6 wirklich wohl gelungenen, vor­trefflich gestellten Bildern zur Anschauung gebracht. Vor jedem Bild wurde ein Prolog gesprochen, der von Präzeptor Kübel hier gedichtet und von Frau Fabrikant Böhringer (Buhlbach) vorgetrogen wurde. Zwischen dir einzelnen Bilder wie zum Beginn des Abends spielte dir Kapelle des Feldartillerieregiments Nr. 29 unter der vortrefflichen Leitung ihres Musik­direktors Schober. Das ganze war durch eine schwung­volle Begrüßung von Etadtschultheiß Hartranft ein­geleitet worden, die in einem Hoch aufWürttembergs geliebten Herrn" auLklang. Mit großer Begeisterung wurde in dieses Hoch eingestimmt, das Allen ouS dem Herzen kam. In der Pause zwischen den beiden Ab­teilungen der lebenden Bilder ergriff Stadtschultheiß Hartranft nochmals das Wort, um den Dank der bürgerlichen Kollegien an Herrn Oberbaurat v. Saut er zu übermitteln, und verlas die feierliche Urkunde, die denselben zum Ehrenbürger von Freudenstadt erklärte. Dekan Zeller brachte den herzliche« Dank der kirch­lichen Gemeinde Frcudenstadt zum Ausdruck, welche zwar keine solche Ehrungen bieten könne, aber doch dem verdienten Baumeister und geschickten Erneuerer der Kirche von Herzen dankbar sei. Das von ihm auf Oberbaurat v. Sauter auögt brachte Hoch fand in der Versammlung lauten Widerhall. Der neue Ehren­bürger dankte für die ihm zuteil geworden» Ehrung, sein Trinkspruch galt dem Stadtvorstand und den bürgerlichen Kollegien. ES folgten noch mehrere Begrüßungen auswärtiger Vertreter: Oberbürgermeister Hegelmaier (Heilbronn), der in früheren Zeiten hier im juristischen Staatsdienst angestellt gewesen war, sprach Namens der württemb. Städte, die durch zahlreich« Abgeordnete ehrenvoll vertreten waren, und rühmte den außerordentlichen Aufschwung, welchen Freudenstadt in den letzten 20 Jahren genommen habe. Für dir badischen Nachbarflädte Karlsruhe, Mannheim,

Freiburg, Baden, Pforzheim brachte der Stadtvorstand Pforzheims. Oberbürgermeister Habermebl, einen herzlichen Glückwunsch dar, der in einem Toast auf die in Freudenstadt j tzt und fernerhin blühenden Bürgertugcnden gipfelte. Noch lange dauerte die ge­mütliche Unterhaltung. Trotz der großen Räume konnten viele Besucher keinen Platz mehr finden.

(Staatsanz.)

Freudenstadt, 26. Sept. Der König kam heute morgen 10 Uhr mit Extrazug von Beben­hausen hier an. In seiner Begleitung befanden sich Oberjägermeister v. Plato, Legationssekretär v. Gem- mingen, die Minister Pischek, Breitling und Zeyer, Graf Rechberg und Vizepräsident vr. Kiene. Am Bahnhof war der Stadtschultheiß und die Bezirks­beamten. Der König überreichte Stadtschultheiß Hart­ranft den Orden der Württembergischen Krone, zwei kleine Mädchen übergaben Sr. Majestät ein Album und ein Bouquet Alsdann fuhr der König nach dem Schwarzwaldhotel und dem Kurhaus Palmenwald.

Freudenstadt, 26. Sept. Bei dem im Hotel zurPost" obgehaltenen Festessen brachte Stadtschultheiß Hartranft den Toast auf den König aus, indem er ihm den Willkommgruß der Gesamt­bürgerschaft auf heimischer Schwarzwaldhöhe in der alten HerzogSfladt Friedrichs, Freudenstadt, entbot. Wie einstens vor 300 Jahren der Herzog Friedrich I. bei Gründung der Stadt sich zu den Zimmerleuten und Arbeitern gesetzt und ihnen leutselig zugesprochen habe, so stehe heute an selbiger Stätte in 12. Regenten- Reihenfolge König Wilhelm II., um seines Ahnen Werk zu weihen. Der heutige Tag gelte darum unserem Fürstenhaus. Durch deS Königs Anwesen­heit sei dem Feste erst der rechte Glanz, die rechte Weihe gegeben. Seine Majestät der König Wilhelm II. von Württemberg, er lebe hoch. Für diese schönen Worte dankte der König herzlich. Es seien tiefbe­wegte Gefühle, die ihn heute beleben, an dem Tage, den er in Freudenstadt erleben durste. Seit sein Ahnherr vor 300 Jahren die Stadt gegründet, sei die Liebe des Fürstenhauses für die Freudenstadt nicht erlahmt. Möge sie ihren Namen verdienen in allen Zeiten, wie sie heute Tausende erquickt habe. Der König brachte zugleich die Wünsche und Grüße der Königin, die daL Fest in der Ferne mit großer Sym­pathie begleite. Gerne wäre sie heute an seiner Seite geweilt. Sie teile mit ihm die wärmsten Wünsche für die Stadt. Möge auch in ferneren Jahrhunderten die Stadt an Entwicklung soviel bringen, wie die bis­herige Zeit. Freudcnfladt hoch!

Berlin, 2b. September. Der Congreß der Impfgcgner ist gestern hier eröffnet worden. Aus ollen Teilen Deutschlands und aus dem Auslande sind Delegirte eingetrvffen, zusammen 241, darunter 38 Aerzte.

Berlin, 26. Sept. Die Hoher zollern mit dem Kaiser an Bord ist gestern abend 10 Uhr von Malmö nach Danzig in See gegangen.

Paris, 26 Sept. Di« heutigen Blätter berichten über einen Zwischenfall, welcher gestern bei der Ueberführung der Leiche Scheurer-Kestner'S sich ereignet hat. Ein Hauptmann in Uniform trat in die Reihe der Leidtragenden auf Picquart zu und sagte zu diesem: Wollen sie mir die Ehre erweisen, Ihnen die Hand drücken zu dürfen. Picquart ant­

wortete recht gern und reichte ihm die Hand, worauf der Hauptmann sich wieder entfernte.

Carpentras, 25. Sept. Der Gesundheits­zustand DreyfuS' hat sich infolge der letzten Auf­regung, besonders durch das Wiedersehen seiner Kinder verschlimmert. Er muß das Bett hüten. Infolge seines ungünstigen Zustandes wurden die Besuche von Traiieux, Picquart sowie einiger Delegirter der Dreyfusionsten sofort abbestellt.

Moskau, 26. Sept. Die reiche Gräfin Sumarokow ist während der Fahrt auf der Moskau- KurSker Eisenbahn in einem Waggon erster Klaffe durch Einschläferungsmittel betäubt und ihrer Reise­tasche, in welcher Juwelen im Werte von 50,000 Rubel und 5 000 Rubel in Creditbrüfen sich befanden, beraubt worden. Der That verdächtig sind 2 elegant gekleidete Damen, angeblich Gutsbesitzerinnen, welche in demselben Wagen fuhren und vor dem Erwachen der Gräfin verschwanden.

Charkow, 25. Sept. Im Kohlenbergwerk Derewnaja fand eine Explosion schlagender Wetter statt. Bisher wurden 21 Leichen herausge­bracht. 41 Bergleute werden noch vermißt und sind wahrscheinlich ebenfalls tot.

Belgrad, 25. Sept. Da» Urteil im Hoch­verrats-Prozeß ist heute früh gefällt worden. Der Attentäter Knesevic wurde zum Tode, acht An­geklagte zu je 20 jährigem schweren Kerker in schweren Ketten und zwar als Mitschuldige, welche wußten, daß an Hochverrat gearbeitet wurde, es aber der Be­hörde nicht anzeigten, verurteilt. 9 Angeklagte dar­unter Pafic erhielten je 9 Jahre Gefängnis. Die übrigen Angeklagten wurden freigesprochen. Nach der Publikation deS Urteils rief der zu 20 Jahren Kerker verurteilte Zsivkovic: Es lebe König Alexander, doch Gott schütze ihn vor solchen Freunden, wobei er mit der Hand auf die Richter deutete. Die Hinrich­tung Knesevic sollte heute Nachmittag 4 Uhr bereits erfolgen. Der König begnadigte Pasic, welcher tele­graphisch seinen Dank auSdrückte.

Belgrad, 26. Sept. Gestern nachmittag 4 Uhr wurde der Attentäter Knesevic auf dem Karaburma-Felde hingerichtet. Bei der Beichte vor dem ofstnen Grabe erzählte er nochmals, daß Oberst Nikolic, ferner Dimic und Kovacsevic unschuldig feien. Diese wurden aber schon nachmittags in Sträflingskleidern nach der Festung gebracht.

Kalkutta, 26. Sept. In Dartschilling hat -in Erdbeben mit heftigen Regengüssen flattge- funden. Ueber hundert Personen, darunter mehrere Europäer sind ums Leben gekommen. Große Plantagen wurden vernichtet.

Herbstrrachrichten.

Calw, 25. Sept. Ein Wagen Mostbirnen wurde zu 5 ^ 50 per Ztr. verkauft.

Stammheim, 26. Sept. In den letzten Tagen wurden weitere Partieen Hopfen zu 7075 Mark per Ztr. verkauft. In Erwartung einer Stei­gerung fordern dir Produzenten nun 8090 ; eS

kam ober kein Kauf in dieser Preislage zu stand«.

Möttlingen, 26. Sept. In Hopfen wurden mehrere Käufe zu 70 ^ per Ztr. abgeschlossen.

hatte mit ihm ein« lange Unterredung. Spät Abend war's schon, als Haide- röSchen endlich ihr Stübchen im Schloß erreichte, das sie heute, wie sie sich fest vorgenommen, zu letzten Mal betreten wollte, um diejenigen Sachen, welche ihr Eigentum waren, einzupacken. Bevor sie sich auf ihr Lager warf, kniete sie nieder, und ein inbrünstiges Gebet stieg aus der Tief« ihrer Seele zu dem all­mächtigen Herrscher deS Weltalls empor. Mit dem Vertrauen, daß Gott den geliebten Bruder auS seiner traurigen Lage frei und glücklich hervorgehen lassen werde, schlief sie endlich ein, und freundliche Bilder von reinem Familienglück zauberte die Phantasie vor ihre Seele.

7. Vor dem Untersuchungsrichter.

Früh am Morgen sah man einen Trupp Soldaten, von einem jungen Offizier geführt, die Landstraße entlang marschiren, welche nach den Karlsberg- ischen Forsten führte.

Die grünen Waffenröcke, die kleinen Lederhelme und die hirschfängerartigen Säbel, welche die Uniform bildeten, ließen erkennen, daß sie zu der Waffen­gattung der Jäger gehörten, von dmen ein Regiment in der Stadt garnisonirt war.

Lautlos zog der Trupp auf der noch von dem letzten Regen durchweichten Landstraße fort. Kein fröhlicher Gesang tönte wie sonst aus den Reihen der jungen Leute hervor. Ein gewisser Ernst gab sich in ihren Zügen zu erkennen, eS war, als zögen sie in eine Schlacht, und als wisse Niemand, ob er unverletzt aus dem Kampfe hervorgehe oder nicht.

Al» man die ersten Schonungen erreicht hatte, welch« gewissermaßen den Vortrab der hochstämmigen Rieseneichen, Buchen, Birken und Nadelholzbäum« des Walde« bildeten, ließ der Premierlieutenant, welcher di« Compagnie führte, den Zug halten. Die Gewehre wurde zusammengesetzt, und nur eine kleine Ab­teilung von ungefähr 16 Mann schwenkte in einen links abführenden Weg hinein,

welcher direkt nach dem Försterhause führte. Der Secondlieutenant begab sich darauf in'S Haus, und einige Minuten später sah man den Förster und zwei Jäger in vollständiger Uniform heraustreten. Die Jägerburschen wurden ab­geschickt, um auch die Förster der benachbarten Reviere zu benachrichtigen, und in Zeit von einer Stunde war die ganze Waldstrecke umzingelt, welche der Aufsicht deS Försters Rose anvertraut war. Die Soldaten ließen keinen Strauch, keinen Graben, selbst keinen hohlen Stamm undurchsucht. Als einer der Unteroffiziere plötzlich an eine Stelle kam, wo sich ein von allerlei Gestrüpp und Unkraut über­wucherter, zerfallener Backofen erhob, an welchem ein Schlammgraben vorüber­führte, rief er einen der Jäger herbei und fragte:

Was ist das für ein sonderbares Ding?"

Ein alter Backofen," sagte der Jäger,der längst nicht mehr benutzt wird; er gehört zu den Ländereien eines Gasthofbesitzers auS dem benachbarten Dorfe. Alles, was jenseits dieser Hagedornhecke liegt, geht uns nichts mehr an."

In diesem Augenblick sprang einer der Hunde mit einem gewaltigen Satze über die Heck«, flog auf den Backofen los und fing an, laut zu bellen. Kaum gewahrten dies die übrigen Hunde, als die ganze Meute mit voller Wucht her­vorbrach und, dem Beispiele des Anführers folgend, über die Hecke setzte. Im nächsten Augenblick war der Backofen von Hunden umstellt, und daS wütende Gekläff der aufgeregten Schaar tönte weithin durch den Wald und rief die mehr oder weniger wett entfernten Genossen herbei.

Der junge Offizier war aufmerksam geworden, der Jäger war es in noch höherem Grade.

Wenn mich nicht Alles täuscht," sagte der Letztere, so stehen wir hier vor der Lösung des Rätsels. Lassen Sie die Spaten und Hacken herbeiholen, Herr Leutnant, um das Ding aufzuwühlen." (Forts, folgt.)