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rechts-Vollzieher, welches Institut der 12. Diel des Neichsgerichtsoerfassungsgesetzes, 8Z. 155 und 156, für den Umfang des ganzen deutschen Reiches ins Leben ruft. Berichterstatter ist Khuen.

Nach Art. 28 der Regierungsvorlage sollen in den Gemeinden, wo kein Gerichts­sitz sich befindet, die Ortsvorsteher je für ihren Gemeindebezirk die ZusteUungsbeam- ten (Gerichtsvollzieher) für Zustellungen sein, welche innerhalb des Gemeindebezirks mittelst Behäudigung durch einen Gerichts« Vollzieher bewirkt werden sollen. In anderen Fällen sind eigene Zustellungsbeamte auf­zustellen. Mit Zustimmung der bürgerlichen Kollegien sollen die OrlSvorsteher die Heber- nähme oder Ausführung des Gerichlsvoll zieherdienstes ablehnen können. Nach dem Kommissionsantrag soll dem Ortsvorsteher überdies gegen die Versagung dieser Zu­stimmung die Beschwerde an das Oberamt offen stehe«.

Schon in der Kommission batte sich über diesen Gegenstand ein prinzipieller Meinungsunterschied ergeben, indem der Abgeordnete Beutler, der übrigens verein­zelt blieb, die Verbindung des Gerichts­vollzieherdienstes mit dem Orlsoorsteberdienst nur als fakultative wollte. Staaisgerichts- vollzieher, wie sie i» Bayern und in anderen Staaten bestehen, will auch Beutler nicht, sondern er hält an Gemeindegerichlsvoll- ziehern fest. Sein Antrag. den er heute in der Kammer wieder einbringt, gehr da hin, zu sagen:

Die Wahl des Gerichtsvollziehers hat in jeder Gemeinde der Gemeindxrath aus­zuüben; mehrere Gemeinden können sich zur gemeinsamen Aufstellung nur eines Ge­richtsvollziehers vereinigen; und endlich, der Ortsvorsteher kann, wenn die Wahl aus ihn fallt, diese ablehnen."

Aus Vorschlag des Präsidenten wird eine Generaldebatte eröffnet.

Ministerpräsident v. Mittnacht bezeich­net als eine der schwierigsten Ausgaben für die Justizverwaltung die Einführung des bei uns neuen, bisher völlig unbekannten Instituts der Gerichtsvollzieher. Zwar habe das Reich de» Einzelstaaten keine Vorschrif­ten gegeben, sondern völlig freien Spiel­raum gelaffen, aber die neue Schöpfung muffe im Einklang mit dem Geiste der Justizgesetze des deutschen Reiches stehen. Da man in Württemberg die neuen Ein­richtungen dem altbewährten, bestehenden Organismus möglichst anzupaffen bestrebt fei, womit die Regierung nur dem Wunsch des Landes und eurem in dieser Richtung früher gefaßten Kammerbeschluß (vom Jahr 1876) Nachkomme, so sei der Weg, welche: eingeschlagen werden müsse, klar vorgezeichnet gewesen. Man habe die Funktionen der Gerichtsvollzieher einfach den Ortsvorstehern zu übertragen beschlossen, einmal weil diese die meisten Garantien für die richtige Aus- führung dieses so wichtigen Dienstes bieten und dann, weil man das Land mit keinem neuen Beamlenheer habe belasten wollen durch Bestellung sogenannter Staats-Ge- richtsvollzieher. Eure andere Frage, ob die von der Regierung vorgeschlagene Einrich tung für die Dauer haltbar sei, müsse die Zukunft lehren. Es sei der Regierungs-

Vorschlag eben eine Probe, wie so Manches, das in Folge der totalen Umänderung unserer bestehenden Gerichtsverfassung in Vorschlag gebracht sei. Erfahrungen, wie sich die Vorschläge bewähren, müssen eben erst gemacht werden, wen« die neuen Gesetze in Kraft getreten sein werden. Auf die weitere Entwicklung des neue» Instituts werde die Justizverwaltung ein aufmerksames Auge baden.

Beutter macht zunächst auf die Wichtig­keit der Vorlage aufmerksam. Der Ent wurf enthalte tief einschneidende Bestim mungen, die er Redner nicht in einem roseinarbigen Lichte anzusehen vermöge. Wir werden unsere bewährten Institutionen in der Hauptsache verlieren, nichts Besseres wohl aber Tdeueres dafür erhalten. Wenn das materielle Recht sich mehr an das be stehende anaeschloffen hätte, wenn die Ge richtsbarkeit im Schuldklagwesen auch künftig beim Ortsvorsteher ruhen würde, er nicht zum bloßen Vollzieher eines Befehls des Vollstreckungsgerichts oder des Auftrags sogar einer Parthie degradirt wäre, erschiene die Vorlage der K. Regierung noch annehmbar. So aber vermöge er nicht zuzustimmen.

Redner wendet sich nun gegen die ein­zelnen Bestimmungen der Regierungsvorlage, seine Vorschläge empfehlend und rechtferti­gend. Es wird sich, führt Redner aus, allerdings darum handeln, das Neue dem Bestehenden möglichst anzupaffen; darum ist auch er nicht f ü r Eiusührung der Staats-Gerichtsvollzieher. Aber die Orts­oorsteher sollen damit verschont bleiben, gegen ihren Willen Gerichtsvollzieher wer­den zu müssen. Die Stellung eines Orts­vorstehers sei unvereinbar mit dem unter­geordneten Schergendienste eines Gerichts­vollziehers; den Ortsvorsteher mit den Diensten eines GcrichtsdienerS belasten, sei unvereinbar mit seinem Amte. Der Dienst des Gerichtsvollziehers nöthigt den Orts­vorsteher, seinen amlsunlergebenen Orts- ongehörigen mit Ladungen u. s. w. ins Haus zu lause» und dieselben in Stall und Scheuer aufzusuchen. Daß die Auto­rität des OrtSvorstehers mit solchen Funk­tionen bedroht werde, bedürfe wohl keines Beweises. Was seither durch Amts- und Polizeidiener besorgt worden, müsse künftig der Ortsvorsteher in eigener Person aus- sühren. Redner kommt nun auf das Voll­streckungsverfahren, welches dem Gerichts­vollzieherebenfalls obliege, zu sprechen und stellt Vergleichungen an zwischen dem Neuen und Alte«, die natürlich keineswegs zu Gunsten der neuen Einrichtung ausfallen. Das Vollstreckungsverfahren werde dcN Ortsvorsteher in seinem Ansehen aufs Tiefste schädigen. Nach seitherigem Rechte habe der Ortsvorsteher im Falle einer Mobiliar- psändung den gepfändeten Gegenstand in der Verwahrung des Schuldners belas­sen können bis zum Verkauf, wenn es überhaupt zu einem solchen gekommen sei. Diese Schonung könne der Gerichtsvollzie­her nimmermehr, auch wenn er der Orts­vorsteher sei, eintreten lassen; er sei viel­mehr gezwungen, das Gepfändete sofort an sich und mit sich, beziehungsweise weg­zunehmen und in eigener Verwahrung zu

-halten. Daß. der Ortsvorsteher das thun müsse, weil er Gerichtsvollzieher sei, werden die Leute einfach nicht begreifen, nicht glauben. Für seine Ortsangehörigen könne der Ortsvorsteher als Gerichtsvoll­zieher absolut nichts mehr thun, er kann auch nicht mehr auf den Gläubiger einwir­ke», weil dieser an den gepfändeten Gegen­stand ein Faustplandsrecht hat. Würde er es auch versuchen, dem Gläubiger zum Abstand zu rathen, so werde das ziemlich erfolglos sein, weil der Gläubiger befürch­ten werde, schon der nächste Tag könne die Anmeldung einer neuen Forderung zur Vollstreckung bringen, von welcher der OrlSvorsteher möglicherweise gar keine Ahn­ung haben könne. Es sei eben ein altbe­währtes Sprichwort, da, wo der Geldbeutel anfange, höre die Gemüthlichkeit auf. Red­ner kommt nun auf eine in Heilbronn ab­gehaltene Versammlung von Orisvorstehern zu sprechen, welche sich in ihrer Mehrheit für das Gesetz ausgesprochen, also konstatirt habe, daß das Amt des Gecichtsvollziehers mit dem Orisvorsteheramte wohl vereinbar sei. Redner bemängelt die in dieser Ver­sammlung gefaßten Beschlüsse als zu Stande gekommen, ohne daß die Versammelten ge­hörige und nähere Kenntniß von dem Ge­setzentwurf gehabt haben. Sein (Redners) Bezirk zähle 35 Ortsvorsteher und von diesen hätten sich 34 gegen das Gesetz ausgesprochen. N-dner fährt fort, die weiteren nachtheiligen Folgen auszuzählen, welche der Gerichts­vollzieherdienst für de» Ortsvorsteher habe. Der Ortsvorsteher, welcher Gerichtsvollzieher sei, könne künftighin nicht mehr als Schöffe oder Geschworener sunklioniren (Z. 34 Ziff. 6 des Reichsgerichtsverfassungs - Gesetzes.) Das im Gesetzentwurf Artikel 30 vorgesehene Ablehnungsrecht, dessen sich di« Ortsvor­steher bedienen können, hält Redner für illusorisch, weil es an die Zustimmung der bürgerlichen Kellegien geknüpft sei. Redner bittet um Ablehnung der Kommisstonsan- lräge und Annahme seines Antrages.

(Schluß folgt.)

O e st e r r e i ch.

Wien den 29. Nov. Das Fremden­blatt meldet von verläßlichster, volles Ver­trauen verdienender Seite, die anläßlich des Attentates auf den König Humbert in verschiedenen Hauptstädten gepflogenen Untersuchungen lieferten schwer­wiegende Anhaltspunkts für das Bestehen eines internationalen Komplots zur Ermordung der gekrönten Häupter Europa's. Offizielle Stellen bestätigen die Richtigkeit hievon.

Für den Monat Dezember nehmen sämmtliche Poststellen, im Bezirk auch durch die Postboten, Be­stellungen auf

den Enzthäler

zu '!, des Quartalpreises an.

Goldkurs der Staatskafscnverwaltung

vom 1. Dezember 1878. 20-Frankenstücke . . 16 16 ^

Redaktion, Druck und Vertag von Jak. Me r h in Neuenbürg.