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Miszellen.

Ein Verbrecher.

AuS den Aufzeichnungen eines Criminalbeamten.

(Fortsetzung.)

Buchen empfing ihn ous's Freundlichste.

Ein trauriger Fall führt mich zu Jbnen," begann der Richter.

Ich habe vor einer halben Stunde davon gehört," fiel Buchen ein.Und es ist wirklich der Advokat Fernau?"

Er ist eS."

Er war gestern Nachmittag noch bei mir", fuhr Buchen fort.Es ist kaum denkbar unerhört!"

Gerade deßhalb kommeich zu Ihnen," sprach der Richter.Sie können mir viel­leicht noch einiges Nähere angehen. Wann hat Fernau Eie verlassen?"

Es mochte gegen vier Uhr sein; ganz genau weih ich es nicht."

Ging er sofort den Weg zum Walde, als er Sie verlassen hatte?"

Ich habe nicht daraus geachtet", er­widerte Buchen unbefangen.Sie wissen, er war eigentlich mein Gegner. Er kam des Prozesses wegen, wollte mir einige Vorschläge zu einem Vergleiche mache». Ich konnte nicht darauf eingehen. Ich be­gleitete chn deßhalb nicht, als er mich ver­lieh. Wie ich höre, ist Verdacht aus den Waldhüter gefallen."

Er ist dringend verdächtig."

Unbegreiflich," fuhr Buchen fort.Ein bischen Wilddieberei früher abgerechnet, habe ich nie von dem Mann etwas Schlech­tes gehört; ich selbst habe ihn oft beschäftigt."

Ich habe zwei Zehnthalerjcheine bei ihm vorgefundcn", bemerkte der Richter.

»Zwei Zehnthalerscheine?" fiel Buchen ein.Preußische?"

Preußische."

Doch nein!" fuhr Buchen sich gleich­sam selbst beruhigend fort,Thorheiti kann Zufall sein!" s

Bitte, was haben Sie, Herr von Buchen?"

Ich bemerkte gestern zufällig, als Fernau seine Brieftasche hervornahm, um Papiere darin zu suchen, zwei preußische Zehnthaler­scheine darin. Und zwei, sagen Sie. haben Sie bei dem Waldhüter gefunden?"

Er hat einen gestern Abend schon im Wirihshause eingewechselt. Hier sind sie."

Buchen nahm sie in die Hand. schein­bar unwillkürlich. Er betrachtete sie.

Ein preußischer Zednthalerschein sieht wie der andere aus. So sahen auch die aus, welche Fernau bei sich führte; doch eS gibt Tausende davon, ich möchte nicht behaupten, daß es dieselben sind. Nimmer­mehr !"

Er trug sie in einer Brieftasche?"

Ja wohl!"

Bitte, wie sah dieselbe aus?"

Ich habe nicht genau darauf geachtet, ich bemerkte sie nur, als er sie ausschlug. Mir däucht, sie fei von dunklem Leder ge­wesen."

War noch mehr Geld darin enthalten?"

Ich habe keins weiter bemerkt."

Es ist ein eigenthümlicher Fall," fuhr der Richter fort.Die goldene Uhr des

Ermordeten, welche auf den ersten Blick sichtbar an einer goldenen Kette hing, seine Börse mit ungefähr drei Thalern Geld sind unberührt geblieben. Es ist kaum denk­bar, daß der Mörder sie nicht bemerkt haben sollte."

Er hat vielleicht bei der Uhr Ent­deckung gefürchtet.

Aber die Börse, das Geld darin! Auf der einen Seite solche Vorsicht im Augenblicke der That und dann wieder nachher solche Unvorsicht, den Zehnthaler­schein in der Schenke auszugeben, wo es norhwendig aufsallen mußte!"

Das ist in der That unbegreiflich!" bemerkte Buchen.Sie Hallen also Slein- gruber wirklich sür den Mörder?"

Vor der Hand muß ich es. Seine Angaben in Betreff des Geldes waren Ausflüchte er widersprach sich. Seine Verwirrung der ganze Anschein ist da­für, daß er der Mörder ist."

Und Verdachtgründe gegen Andere liegen nicht vor?"

Bis jetzt kein einziger," antwortete der Richter.Der Mann, dem das Beil ge­hört, Karsten, ist unschuldig."

Ja, für dessen Unschuld würde ich mich selbst verbürgen", sagte der Gutsbe-

Der Richter kehrte mit dem Aktuar und dem Arzt zur Stadt zurück. Der Waldhüter wurde von zwei Bauern auch dorthin gebracht und er ging willenlos mit, ohne sein« Frau und Tochter noch einmal vorher gesehen zu haben. Am Nach­mittage kam ei» Wagen aus der Stadt

und holte den Leichnam des Ermordeten. * *

Vierzehn Tage waren verflossen.

In dem Dorfe war d<r ganze Vorfall noch nicht vergessen. Im Gegentheil sprach man noch viel davon; denn sowohl der Schulz wie der Wirth, des Waldhüters Frau, seine Tochter und selbst jene beiden Männer, welche an jenem Abende mit ihm im Wirthshouse gesessen und getrunken, mußten wiederholt vor das Gericht und ihre frühere Aussagen und Wahrnehmungen beschwören.

Der Waldhüter war fest bei seiner Be­hauptung , das Geld gefunden zu haben, geblieben. Seine Angst, seinen Schrecken beim Anblick des BeileS des Ermordeten suchte er auf verschiedene, sich zum Theil widersprechende Weise zu rechtfertigen. Er gab vor, an dem Morgen in Folge des zu reichlich getrunkenen Branntweins sich unwohl gefühlt zu haben. Er habe ge-

sitzer.Ich glaube, der Mann ist nicht! daß es strafbar sei, gefundenes Geld einmal im Stande, einen Hasen todtzu- ^li-n

zuschlagen."

Der Richter erhob sich, um sich zu ent­fernen.Entschuldigen Sie, daß ich Sie belästigt habe," sprach er verbindlich,aber Sie wissen die Pflicht."

Bitte bitte," unterbrach ihn Buchen. Es ist mir angenehm gewesen. Sie end­lich einmal bei mir zu sehen. Wir kennen uns so lange und ich habe bis jetzt ver­gebens aus das Vergnügen Ihres Besuches gewartet. Erst ein Mord mußte geschehen," fügte er lächelnd hinzu.Mich dauert der arme Fernau wirklich herzlich. Er schien gestern noch so unbefangen, so arg­los! Gott, hätte ich eine Ahnung davon haben können nicht aus dem Hause hätte ich ihn gelaffen."

Wer konnte daran denken!" sprach der Richter.Ich mag nicht an den Schmerz seiner Frau und Kinder denken! Schrecklich schrecklich! Auf so entsetzliche Weise aus ihrem Kreise gerissen!"

Und der paar Thaler wegen!" fügte Buchen hinzu.Er würde hundertmal so viel und noch mehr darum gegeben haben, wäre ihm das Leben geschenkt!"

Der Richter schwieg. Er griff na4 seinem Hut.Herr von Buchen", sprach er,wenn Ihnen irgend etwas zu Ohren oder zu Gesichte kommen sollt«, was auf die nähere und sichere Spur des Mörders führen könnte, was überhaupt mit dem Morde in Verbindung steht, und ist es auch nur eine scheinbare Geringfügigkeit, so wür­den Sie mich verpflichten, wenn Sie es mir mittheilen wollten."

Verlassen Sie sich darauf," versicherte Buchen, indem er die dargereichte Hand warm drückte.Fernau war mein Gegner in meinem Prozesse; ich muß indeß gestehen, daß er ein anständiger Gegner war; mir selbst liegt daran, daß der Mörder entdeckt und bestraft wird."

Redaktion, Druck und Verlag von Jaf. Me eh, Neuenbürg.

an sich zu behalten.

Den Advokat Fernau behauptete er nie gesehen zu haben. Es wurde ihm nachge­wiesen, daß er sogar einmal als Bote zu ihm gesandt worden sei und mit ihm ge­sprochen habe. Von einer Brieftasche wollte er nichts wissen, das Geld nicht in einer solchen gefunden haben, und doch halte Buchen eine Brieftasche bei Fernau erblickt und unter seinen Sachen in seiner Wohnung fehlte sie.

Noch ein anderer, nicht weniger graviren- der Umstand war Hinzugekommen. Es war in mehreren Zeitungen die Aufforderung erlassen, daß Derjenige, welcher in der be­treffenden Gegend zwei Zehnthalersckeine verloren habe, sich melden möge. Diese Aufforderung war mehrere Mal wiederholt Niemand hatte sich gemeldet.

Dann halte man am Aermel seines Hemdes einen mäßig großen Blutflecken entdeckt. Er gab an, daß derselbe vom AuSweldcn eines Haien herrühre. Das mit Blut getränkte Stückchen Leinwand war aus dem Aermel geschnitten, ausgelöst in Wasser und die Auslösung unter dem Mikroskop untersucht. Es hatte sich mit Bestimmtheit herausgestellt, daß die Blut­körperchen von menschlichem Blute her- rührten.

Steingruber hatte nun behauptet, an einem Dorn sich gestochen zu haben. Sein Arm zeigte eine kaum bemerkbare, äußerst geringe Verwundung, davon konnte der Blutflecken nach Aussage von Sachverstän­digen kaum herrühren.

Es war auch unwahrscheinlich. Und weßhalb die sich widersprechenden Aussagen? Ueberhaupt widersprach sich der Waldhüter in den verschiedenen Verhören wiederholt, nur in Allem, was den Ermordeten betraf, blieb er bei entschiedener Weigerung.

(Fortsetzung folgt.) _