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121,052,599 «4L; diedeutsche Lebensver-d ficherungsgeseUschaftzu Lübeck": 110,989,084 «4L Bei diesen 6 größten Anstatten waren also zusammen mehr als 1 Milliarde «-/L versichert.

Kwnik.

Heidelberg, 24. Okt. Vor eini­gen Tagen wurde mitgetheilt, daß eine hiesige Familie durch Dritte die Nachricht erhielt, ihre mit einer englischen Familie nach Frankreich gereiste Tochter befinde sich in einem Kloster zu Paris; nun wird derN. Frks. Presse" von hier geschrieben, daß von Seite der Familie bereits eine Vorstellung an de» Reichskanzler abgegan­gen ist, um mit seiner Hilfe den Namen des Klosters ausfindig zu machen und de» Eltern den sicheren und direkten Verkehr mit ihrem Kinde zu ermöglichen.

Langen, 21. Okt. Eine entsetzliche Kunde durchfliegt unser Städtchen. Die Ehefrau des großh. Landgerichtsassessors Amendt befand sich im Wochenbett. Der günflige Verlauf desselben wurde durch einen vorige Woche in der Nähe der Woh nung ausgebrochenen Brand derart gestört, daß nach einigen Tagen die Aerzte nicht nur die Hoffnung einer Rettung gänzlich aufgaben, sondern der Unglücklichen nur noch eine sehr kurze LcbcnSfrist voraus­sagten. Dieselbe lag in den furchtbarsten Schmerzen und soll ihren darob verzweifel­ten Mann, mit dem sie in glücklichster Ehe lebte, um eine rasche Erlösung angeflehl haben. Dieser, heißt es, habe jene Schmerzen nicht länger mit ansehen können, eine Schuß­waffe ergriffen und seiner Ehefrau eine Kugel durch die Schläfe geschossen. Die Leiche wurde bereits verflossene» Sonntag zu Darmstadt beerdigt, während Landge­richtsassessor Amendt in seiner Wohnung in vorläufiger Haft gehalten wird. Es sollen Anzeichen von einem geistigen Ge­störtsein des bedauernswerthen Mannes vorliegen, aus welche dessen tadelloses Vor­leben und die ganze Natur seiner That an sich schon Hinweisen müssen.

Württemberg.

* Wildbad, 27. Okt. Gestern feierten wir den Abschied unseres gemüthvollen Hrn. Stadtschullheißen Mittler in ent­sprechend würdiger und herzlicher Weise. Hr. Geh. Hofrath vr. v. Renz, mit der Festrede betraut, löste seine Aufgabe nach Form und Inhalt meisterhaft und auf's gelungenste. Da seine Worte in Herz und Sinn der Anwesenden sympathischen Wie derhall fanden und bei den abwesenden Freunden und Bekannten des scheidenden liebenswürdigen Beamten dasselbe der Fall, ihnen darum willkommen sein dürfte, lassen wir die Rede möglich annähernd in ihrem Wortlaut folgen, wodurch wir zugleich es ist darin alles gesagt, was zu sagen ist weiteres beizusügen uns enthalten können:

Geehrteste Herrn!

Nachdem der Herr Stadtschultheiß Mittler über ein Menschenalter lang der hiesigen Stadt vorgestanden, schickt er sich an, dieselbe zu verlassen und sich zur Ruhe zu setzen.

Die Betheiligüng, welche unsere heutige Feier persönlich und durch Zuschriften der

larn Erscheinen Verhinderten, insbesondere auch von auswärts findet, ist ein beredtes Zeugniß daiür, daß mit Herrn Mittler einer der beliebtesten und geachtetsten Männer aus dem Enzthale scheidet. Und in der Thal ein braver, ein rechtschaffener, ein Ehrenmann, ein hervorragend geselliger, ein lieber Mann und eine liebe Familie, reich an idealen Gütern, verlassen mit Hrn. Mittler und seiner Familie das Thal. Wir werden die große Lücke, die ihr Scheiden bei uns verursacht, noch oft und viel schmerz­lich empfinden, namentlich in einer Zeit, die, wie die unsrige, in herzlosem Egoismus und im einseitigen Jagen nach materiellen Gütern sich erschrecklich tief unter den ge- müthlichen Nullpunkt abzukühlen droht.

Und doch wollen wir dem vom Alter gebleichten, verdienten Manne die so nölhige Ruhe von Herzen gönnen, denn seine A»ts- sührung hatte ihre ganz besonderen Schwie­rigkeiten.

Wer nicht als Privatmann bloß, son­dern als Ortsvorsteher in einer größeren Gemeinde die gewaltigste und größte poli­tische Epoche unseres Jahrhunderts die Auferstehung des deutschen Reiches mit­erlebt hat, wer es miterlebt hat, wie nach 2 revolutionären Katastrophen der Re­volution von Unten im Jahre 1848 und der Revolution van Oben im Jahr 1866 die deutschen Stämme und Fürsten endlich im Jahre 1870, wo es mit einem über- müthigen Feinde den Kampf ums Dasein galt, in der wie ein Blitz uns Alle durch­zuckenden Vaterlandsliebe das iebenerwe- ckende und lebenerhaltende Element für ein einig:s Deutschland erkannt haben und so die Lösung des ganzen Räthsels von Kaiser und Reich mit einem Male gefun den war; Wer sage ich nicht als Privatmann bloß, sondern als Ortsvor­steher dieses phänomenale Dölkerereigniß mit seinen Vor- und Nachläufen, für die ei» Verwaltungs-Edikt" nicht vorgesehen sein konnte, durchlebt hat, der hatte nicht bloß selbst sich mit den stürmischen Zeitläufen ausein­anderzusetzen, der hatte unter allen Bürgern der Erste, den Anprall der gährenden Ele­mente innerhalb der eigenen Gemeinde aus­zuhalten, der hatte in oft athemloser Hast sich hineinzuarbeiten und hineinzuleben in den Umschwung der Rechtsanschauungen und in den Wechsel der Gesetze, welche mitunter in fast überproduktiver Fülle die Scenerie des öffentlichen Lebens zu ver­ändern bestimmt waren und zum T heil noch bestimmt find.

Solche Amts-Jahre m. HHrn. reiben mit der Zeit den kräftigsten Mann auf, zumal dann, wenn des Lebens Hochebene längst überschritten ist.

Und dazu kamen noch ganz spezifische Orts-Verhältnisse. Ich kann und darf ihn ja nicht unerwähnt lassen, den Mrechtig- keitswald, den der Staat der Stadt ein zalbeS Menschenalter vor Mittlers Amts- Antritt abgetreten hat. Ohne die Absicht deL Staates ist derselbe zum Eris-Apfel geworden, der innerhalb der Gemeinde einen oft sehr erbitterten Krieg der Par­teien von jetzt fünfmal längerer Dauer, als der trojanische, hervorgerusen hat. Möge das Palladium des Friedens, das unser scheidender Freund einMittle r"

nicht nur dem Namen, sondern dem Wesen nach trotz vieler Verkennungen stets hochhielt, endlich einmal je bälder desto besser wieder eine dauernde Heimstätte in unserem geliebten Wildbade finden. Möge und damit glaube ich noch ganz besonders im Sinne unseres scheidenden Freundes zu reden namentlich jene votks- mirthschaftlich ungesunde und darum ge­fährliche Norm, wonach hier schon der ju­gendkräftige Bürger eine öffentliche Rente genießt, die er sich nicht erst im Schweiß- seines Angesichtes durch solide Arbeit zu verdienen braucht, möge diese abnorme Norm und die zunehmende Sucht, diese Rente möglichst zu vergrößern, nicht (wie in manchen andern Gemeinden, wo gleiche falls faules Geld zur Gemächlichkeit an­reizt,) nicht die geistige Spannkraft der Gemeindeglieder lähmen und außer der Arbeitslust auch das Verstandniß für ge­diegenen Fortschritt im Gemeinde-Ganzen je länger je mehr aus dem öffentlichen Gewissen verdrängen!

Haben wir doch ein Gemeinwesen, das nicht nur unserem eigenen Gutdünken und Dafürhalten, nicht nur der Prüfung der Landesbehörden, nicht nur der Beurtheilung von ein paar hundert schwäbischen Bad­gästen, sondern der Kritik von Tausenden von Menschen aus den gebildeten Nationen der ganzen Welt ausgesetzl ist. Unsere Stadt ist ja nicht nur ein Schwarzwälder Marktflecken (zu welchem sie jeweils im Winter naturgemäß herabsinkl,) sie birgt ja nicht mehr bloß, wie ehedem, ein Provinzialbad, nein! sie ist ebensallS während Mittlers Zeiten zur weltbe­kanntesten und im Sommer auch wellbe­suchtesten Stadt unseres lieben Württem­bergs geworden. Wir dürfen es ohne Selbstüberhebung aussprechen: das Wild­bad wird in Zungen und Weltgegenden genannt, wo man ein Stuttgart kaum kennt oder bald wieder vergessen hat.

Auch nach dieser Richtung hin waren die Forderungen, welche das Leben sage der im Beispiel voraneilende Staat sowohl, als die zuströmende Gäste Welt an den Stadtschultheißen von Wildbad an unfern Mittler, machte, viel andere und weiter­gehende, als sie der Z 73 der Badordnung von 1828 vorsehen konnte. Wurde und wird auch vielfach und wir dürfen es ja offen sagen: nicht eben mit Unrecht über das langsame Tempo geklagt, in welchem die Stadt ver fortschreitenden Zeit nach­gehinkt ist und noch nachhinkt, so dürfen wir es aber auch mit Genugthuung kon- statiren, daß der Grund hievon nicht sowohl in der ursprünglichen Naturanlage und dem Mangel an gutem Willen seitens unseres schei­denden Freundes, dem es bis in die letzten Jahre an disponibler geistiger Schwung­kraft nicht gebrach, sondern in jener bereits berührten öffentlichen Erschlaffungs Vor­richtung zu suchen sei, welche hier, wie an so manchen Orten, die Federkraft des Ge­meinde-Uhrwerks herabmindert und eine Verspätung in der Gemeindezeit herbeiführt.

Trotzdem ist aber doch Vieles geschehen. Ich erinnere an die heute noch nicht ver­schmerzten Opfer, welche für die Eisenbahn zu bringen waren. Ich erinnere an die mancherlei OrtSstalute und Ordnungen, die