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so massenhaft gediehen, baß die Bäume zum Theil unter der Last zusammenbrachen. Etwas Betrübendes aber ist, daß unsere so viel versprechenden Kartoffelfelder nun fast durchweg krank geworden sind, so daß bei den meisten Grundstücken der dritte Theil des Ertrags zu Grunde gehen wird. Man will die Wahrnehmung gemacht haben, daß die weißen Kartoffeln viel leichter als die rothen von der Krankheit ergriffen werden. Die übrigen Herbsterträgnisse,, als Kraut, Rüben, Flachs und Hanf stehen sehr schön, aber ganz besonders wird es viel Oehmd geben. Die Viehpreise sind wieder etwas zurückgegangen. (S. M.)
Ausland.
New-Park, 18. August. Diedurch das gelbe Fieber hervorgerufene Sterblichkeit in den Südstaaten ist in stetem Wachsen begriffen; ganze Familien sind bereits ausgestorben. Die weiße Bevölkerung flüchtet. Ganz besonders heftig tritt die Krankheit in Folge der ungünstigen Witterung in New Orleans, Memphis und Vicksburg auf.
Miszellen.
Die Hochter des Hstftiesen.
Novelle von Emilie Heinrichs.
(Fortsetzung.)
Die Sonne war in's Meer gesunken, graue Dämmerung hüllte den einsamen Wanderer ein. Er blieb stehen und wandte zum ersten Male rückwärts den finstern Blick.
„Theda !" murmelte er, „warum stießest Du mich so kalt von Dir? — Ein zweiter Fiesco wähnte ich mit der Liebe und dem Baterlande ein verwegenes Spiel treiben zu können — wie er habe auch ich mich um alles Glück gespielt. — Verloren! Verloren!"
Er streckte beide Arme aus nach dem stillen Hause, das seinem Blick ganz entschwunden war und stöhnte laut.
„Verschmäht!" fuhr er plötzlich auf und lachte dann wild und bitter. „Von einem Fischermädchen verschmäht und hin- ausgewiesen, das ist dir neu, Adalbert! — Im Pfarrhause also wird man den Sünder aufnehmen, ein köstlicher Gedanke von dieser kleinen Fischerin."
Langsam schritt er weiter, den Blick auf die klare Fluth gerichtet, deren Zauber auch ihn auffällig fesselte und die wilde Aufregung in schmerzliche Wehmuth wandelte.
Theda's reizendes Antlitz schien aus den Wellen emporzutauchen und ihm mit Augen voll hingebender Liebe zu winken. Er blieb stehen, um das gefährliche Spiegelbild zerrinnen zu lassen.
„Wie ich sie liebe," flüsterte er schmerzlich, „der Gedanke an sie ließ mich Alles überwinden. Verfolgung und Kerker, Gefahr und Tod. Oder sollte sie mein Schicksal kennen und mich deshalb von ihrer Schwelle gewiesen haben?"
Er blieb wieder stehen, dieser Gedanke schien ihn mit vernichtender Gewalt zu treffen.
„Dann freilich wäre es mit allen meinen Hoffnungen zu Ende" , fuhr er mit einem
tiefen Athemzuge fort; „könnte sie solches thun, dann hätte sie mich niemals geliebt. — Pah, was will ich auch." philosophirte er im Weiterschreiten, „habe ich sie nicht mit unverichämter Keckheit behandelt, wie ich's gewohnt war mit den vornehmen Bekanntschaften meiner französischen Kreise? Die kleine Fischerin gibt dem stolzen Aristokraten die erste aber härteste Lection — er wird nicht daran sterben, aber doch lange, recht lange daran lerne« muffen, um sie zu vergessen."
So schritt er weiter, immer weiter — auch seinen einsamen Weg beleuchtete der Mond, ohne ihn in seinen Zauberbann zu ziehen, da seine Seele in dem Hause mit den grünen Fensterläden weilte.
Endlich hatte er das benachbarte Fischerdorf. wie Theda es genannt, erreicht und auch bald das kleine Pfarrhaus in der Nähe des Kirchleins gesunden.
Hier schien Alles schon im tiefsten Schlummer zu liegen, nur hinter einem Fenster des Pfarrhauses brannte noch Licht.
Adalbert schritt geräuschlos darauf zu und sah durch das erhellte Fenster zur ebenen Erde einen Greis bei seiner Studirlampe sitzen.
Eine Zeit lang betrachtete er die ehrwürdige Gestalt des Pfarrers, der einen wohlthuenden Eindruck auf sein erregtes Gemülh machte. Dann klopfte er leise an's Fenster.
Der Greis blickte, ohne zu erschrecken aus, legte die Feder hin und trat näher. Als er eine menschliche Gestalt draußen erkannte, öffnete er das Fenster.
„Guten Abend, Herr Pfarrer!" sprach der junge Mann, „ich bin fremd und ohne Obdach —"
„Sie können dasselbe in meinem Hause finden," unterbrach ihn der Pfarrer freundlich, ohne seine Bitte erst anzuhören, „verweilen Sie nur einen Augenblick, mein Herr!"
Er schloß das Fenster und verließ das Stübchen, um bald darauf die Hausthür zu öffnen und seinen späten Gast herein- zulaffen.
„Ich werde sogleich für einen Imbiß sorgen," sprach er, als er Adalbert in sein Studirstübchen geleitet hatte.
Dieser aber hielt ihn zurück und versicherte, durchaus keinen Hunger zu verspüren.
„Wasser sehe ich auf diesem Tischchen," setzte er lächelnd hinzu, „es reicht aus, meinen brennenden Durst zu stillen."
„Ei, für diesen Fall besitze ich noch eine Flasche guten Wein", meinte der Pfarrer.
„Sie sollen sogleich Ihren Durst stillen, mein lieber junger Herr!"
Nach wenigen Minuten stieß Adalbert mit dem Greise auf den Frieden der ganzen Menschheit an und fühlte sich zum ersten Male nach vielen, vielen Jahren wieder von einem göttlichen Geiste umweht. Es war ihm, als sei er von dem wilden Meere des Lebens urplötzlich auf ein einsam stilles Eiland verschlagen worden und fühlte endlich einmal wieder das süße Glück eines festen Bodens, einen himmlischen Frieden in sich, wie das Kind es empfindet, welches
vom Mutterauge bewacht, und süß und selig entschlummert.
Der Pfarrer war ein sehr gebildeter Mann von klarem Geiste und reichem Wisse».
„Wie lange sind Sie in diesem Dorfe, Herr Pfarrer?" fragte ihn Adalbert.
„Schon seit dreißig Jahren", lautete die Antwort.
„Wie haben Sie ein halbes Menschen» leben in dieser Einsamkeit bei einer rohen oder mindestens doch sehr einfachen Bevölkerung zudrmgen können?"
„Das mag dem Weltmanns, der gewohnt ist, sein Leben zwischen Zerstreuungen und Langweile zu theilen, seltsam genug Vorkommen," versetzte der Greis mit einem feinen Lächeln, „wer das Glück oder die Zufriedenheit, was so ziemlich gleichbedeutend sein mag, in sich selber und in dem Wohl seiner Brüder sucht, dem ist die Scholle, wohin ihn Gottes Hand führt, gleichgültig, da er überall diesem Streben Nachkommen kann und um so nachhaltiger und sicherer, je einfacher die Menschen sind und je einsamer das Plätzchen ist, wohin ihn sein Wirken gewiesen. Ich möchte dieses stille Dorf und den Anblick des Meeres nicht mit der Kasterstadt vertauschen und würde dieselbe mir alle Genüsse der Welt bieten.
„Ich glaube Ihnen, Herr Pfarrer!" erwiederte Adalbert, trübe vor sich hinblickend. „Sie würden auch nichts dadurch gewinnen, im Gegcntheil, Ihr Verlust dürfte unersetzlich sein. Wie mögen Sie wohl mit diesen Fischersamilien verbunden, wie eng mit ihren Schicksalen verwebt sein?"
„Nun, freilich, was seit dreißig Jahren an Freud und Leid in ihrer Milte geschehen, ich hab's mit tragen helfen, habe mit den Fröhlichen gelacht, mit den Traurigen geweint, es hat sich hier auchzuweilen etwas Außergewöhnliches ereignet, allerdings nur selten, aber es kam doch."
(Fortsetzung folgt.)
Danzig, 8. August. Vor einigen Tagen kam eine erblindete Pilgerin aus Posen zur Dittrichswalder Heilquelle ge» reist, und kaum, daß sie daselbst mit dem Wunderwasser ihre Augen genetzt hatte, konnte sie sehen. Unter. Jubel durchfliegt die Wundermär die im Orte anwesenden Pilgerschaaren. Die Genesene wird umdrängt von der staunenden Menge und jeder beeilt sich, ihr ein Almosen einzuhändigen. Und eben ist die Frau auf dem besten Wege, eine reiche Geldernte zu halten, da ertönt eine Frauenstimme: „Was, die soll blind gewesen sein ? Erst vorgestern reisten wir zusammen hieher, da war sie nicht blind, sie hat im Gegentheil bessere Augen als ich selbst." Der Betrug erregte die peinlichste Aufregung.
Lösung des Buchstabenriithsels in Nr. 98:
GLAS
LAUT
AUGE
STEG
Goldkurs der Staatskafscnverwaltung
vom 16. August 1878. 20-Frsnkenftücke . . 16 ^ 22
Redaktion, Druck Berlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.