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sten Augenblick fiel ein zweiter Schuß, welcher den Kaiser erheblich verwundete. Der Monarch wurde von zahlreichen Schrot­körnern getroffen, welche Helm und Mantel durchlöcherten und zum Theil in de» Körper eindrangen. Der Kaiser behielt vollkommen Nutze und Bewußtsein und gab Befehl zum Umkehren des Wagens. Der Jäger sprang in den Wagen und unter stützte den Kaiser, den nun die Kräfte zu verlassen schienen. Fünf Minuten nach der Abfahrt kehrte somit der Wagen bereits wieder in das Palais zurück, und nun wurde der Kaiser von dem Jäger und den herbeieilenden Dienern die Treppe hinauf- oetragen. Man eilte schnell nach Aerzten, Der Kaiser war angegriffen, namentlich durch den starken Blutverlust, dessen zahl­reiche Spure» man im Innern des Wagens bemerken konnte. Jedoch verlor der hohe Herr das Bewußtsein keinen Augenblick. Die Aerzte legten thätig Hand au, um die zahlreichen eingedrungenen Schrotkörner zu entfernen. Doch konnte das ganze schmerz­hafte Werk des Blutverlusts und der Schmerzen wegen nicht sofort vollendet werden. Der Kaiser bewies eine außeror­dentliche Kaltblüligk-it und Standhaftigkeit, Einstweilen ging man an die Verhaft­ung des Mörders. Dieser batte die Thüre verrammelt. Sie wurde indeß sofort einge­treten. Den ersten der Hereinstürmenden, den Wirlh des Lindenhotels, Holtfeuer, schoß der Mörder mit einem Revolver durch Unterkiefer und Hals. Der Mann ist sehr gefährlich getroffen, der Unterkiefer zer­schmettert; doch hofft man ihn zu retten. Nach diesem Schuß richtete Nobiling die. selbe Waffe auf sich selbst und schoß sich zwei Kugeln in den Kopf. Einer der Nach- dringenden, Offizier Wilhelmy vom 83. Infanterieregiment, sch ug dem Mörder die Waffe aus der Hand und nun erst be­mächtigte man sich seiner.

Nicht das ist das Aergste, daß sich zum zweiten Male eine Hand fand, auf das ehrwürdige Haupt zu zielen; auch das noch nicht, daß der Mörder abermals den Na­men eines Deutschen trug. Daß es ein Mensch von Erziehung und Bildung, ein Mensch aus den beste» Kreisen der Gesell schüft, von klarem Verstände und g setzten, Weien, daß es eine bis dahin geachtete, durch nichts kompromittirte Persönlichkeit war darin liegt das furchtbar Unheim liche dieses Verbrechens, liegt zugleich der Gipfel der Schande, die eS auf unsere Nation gehäuft.

Wer hätte angesichts des rührenden Bildes herzinniger Eintracht zwischen Kaisei und Volk, das mir in den letzten Wochen geschaut, für möglich gehalten, daß jemglc- wieder in deutschen Landen der Bube siä fände, roh genug es einem Hödel gseich- zuthun! Wer hätte angesichts des, hochber zigen Vertrauens, mit welchem Kaiser Wil Helm nach dem Mordversuche vom 11. Mai seine Person unter den Schutz seines treuen Volkes stellte, für möglich gehulten, daß jemals wieder der Schurke sich fände, ehr. los genug, dies Vertrauen zu betrügen!

Alles, was Behörden thun können, sind äuß'lliche Schutzvorrichtungen. Besserung der sittlichen Zustände, unter denen die

unerhörten Thaten des Flaschnergesellen s zu Sich auf die Villa beschießen und dem-

und des gelehrten Landwirths reisen konnten, muß von innen kommen. Familie, Kirche, Schule, Gemeinde und Staat müssen zn- sammenhelfen, ein Bürger muß den andern unterstützen, daß nirgends Zuchtlosigkeit geduldet werde, die Parteien und die Klassen müssen von der giftigen gegenseitigen Be fehdung lassen, Maß und Anstand sollen die Presse und jede öffentliche Elörtcrnng beherrsche». Dazu bedarf es gemeinsamer, unablässiger Anstrengung aller Gutgesinnten. Wer aber wollte nicht gerne mitbelien, daß endlich em so tief trauriges Kapitel der deutschen Geschichte geschloffen werde? Das wäre eine edle Art, dem am Abend eines ehren- und ruhmvollen Lebens so schmutzig gekränkten, so häßlich gelohnten Wiederhersteller unserer Macht und Größe eine Genugthuung von Seilen seines Volks zu bereiten?

Der N. Franks. Pr. wird ans Berlin geschrieben: Dem Oberstaatsanwalt Tessen- dorf sind Mittheilungen gemacht worden, die aus eine» weitgehenden Zusammenhang mit ausländischen soeialistischen Kreisen schließen lassen. Nobiling war in den Dresdener und Berliner Volksversamm­lungen nicht unbekannt und es dürften ihm vielleicht in diesem Augenblicke schon seine Beziehungen zu den Kopenhagener Socialisten klar bewiesen sein.

Berlin, 3. Juni. Drittes Bulletin,

4 Uhr 30 M n. Nachm. Der Gesundheits­zustand des Kaisers ist befriedigend; Seine Majestät bat geschlafen und etwas 'Nah­rung zu sich genommen.

Berlin, 4. Juni. Das heute früh 6V« Uhr ausgegcbene Bulletin lautet: Der Kaiser hat die Nacht gut geschlafen. Fieber hat sich nicht eingestellt, die Schmer­zen sind vermindert.

Berlin, 4. Juni, Morgens. Kron­prinz und Kronprinzessin sind gestern Abds. I0'/t Uhr eingetroffen. Der Kaiser hat am 3. Morgens die Kaiserin und die Grob­herzogin von Baden auf einige Minuten gesehen.

Berlin, 3. Juni. Fürst Bismarck ist heute Nachmittags 5 Uhr hier einge- lroffeu.

Berlin, 4. Juni. Ein weiteres Bulletin über den Zustand Sr. Majestät ist gestern Abends nicht mehr ausgegeben. Ob zu einer weiteren Operation behufs Entfernung der in der Wunde am Hand­gelenk noch befindlichen Schrotkörner zu schreiten, sollte erst entschieden werden, nachdem der Kronprinz eingetroffen. Tie Ankunft des Letzteren stand unmitel- bar bevor. Im Allgemeinen war in dem Befinden Sr. Maj. bis gestern Abend eine Verichlimm rnng nicht eingetreten.

Württemberg.

Stuttgart, 3. Juni. Seine Maj. der König hat auf die Nachricht von dem gestrigen Attentate sofort Seiner Majestät dem Kaiser auf telegr. Wege Seine herz­liche Theilnabme und Seine innigsten Wünsche für Höchstdessen Wiederherstellung ausgesprochen.

Stuttgart, 4. Juni. Seine Maj. der König haben gestern den K. prenßi-. scheu Gesandten Frbrn. von M aanns >

selbe» im Ver in mit Ihrer Majestät der Königin die Gefühle ver innigsten Theil- nahme für die Person des deutschen Kai­sers, König von Preuße», anläßlich des ruchlosen Attentates, sowie die besten Wünsche iür die baldige Wiederherstellung des ehrwürdigen Monarchen ansgedrückt.

Wilddad, 2. Juni. General von Werder, der Sieger bei Belfort, kam beute Mittag zum Gebrauch einer längeren Badekur hier an und nahm, wie schon seit mehreren Jabren, sein Absteigequartier in der VillaBiumenthal". Der General ist inzwischen nach einem ihm zugekoinmenen Telegramm über das Attentat über Carls- ruhe nach Berlin abgereist.

Wildbad, 4. Juni. Die am Ein­gang der K. Anlagen errichtete früher schon beschriebene neue Trinkhalle sieht nunmehr ihrer raschen Vollendung entgegen. Die Ausführung ist eine gelungene, in ornamentaler Beziehung eine prächtige und gereicht dem Platze zur Zierde. Den Kur­gästen ist nun ermöglicht, auch bei ungün­stiger Witterung sich in dem bedeckten Wan- delgang die geeignete Bewegung zu vei- schaffen; wie der verglaste Pavillon der Kurkapelle den nölhigen Schutz gegen Wind, Wetter und Geräusche gewählt. Die Kosten hiefür mögen auf 200,000 vE sich belau­fen und mir haben alle Ursache der Kgl. Regierung für diese neue Munificenz dank­bar zu sein.

Am Pfingstsonntag und Pfingstmontag den 9. und 10. Juni werden von Piorz- heim nach Calw und von Calw nach Pforz­heim die nach dem Sommeriahrplan erst vom 15. Juni an kursirenden Personenzüge Nr. 184 und 181 ansgeführl: Pforzheim Abgang 9 Uhr 5 Min. Morgens, Calw Abgang 2 Uhr 5 Mi». Nachm., Pforzheim Ankunft 2 Uhr 58 Min. Nachm. Von Liebenzell nach Pforzheim: Liebenzell Ab­gang 6 Uhr 37 Min. Ab.nds, Pforzheim Ankunit 7 Uhr 25 Min. Abends.

Nach den festgestellten Plänen der K. Oberersatzkommissionen finden die Vorstell­ungen der Militärpflichtigen pro 1878 in den detr. Aushebungsbczirken des Landes an folgenden Tagen statt: am 11. Juni Wangen, 13 Lenlkirch. 15. Waldsee, 18. Biberach, 31. Laupheim, 24. Böblingen, Blaubenren, 25. Neullingen, 26. Leonberg, Ehingen, 28. Tübingen, Backnang, Mün- singen, l. Juli Urach, 2. Nottenburg, Waib­lingen, 3. Mercnniheim, Nürtingen, 4. Balingen, Cannstatt. 5. Knnzelsau, Kirch- heim, 6. Nottweil, Lndwigsburg, .8. Gera- bronn, Eßlingen, 9. Spaichingen, Marbach, 10 Crailsheim, 1 l. Tuttlingen, Vaihingen, 12. Gaildorf, 13. Oberndorf, Maulbronn, 15. Ellwangen, 16. Sulz, Besigheim, 17. Neresheim, 18. Horb, Brackenheim, 19. Aalen, 20. Freudenstadt, Neckarsnlm. 22. Heidenheim, 23. Nagold, Heilbronn, 24. u. 25. Ulm, 25. Herrenberg, Weinsberg, 27. Calw, Oehringen, Geislingen, 30. Neu­enbürg, Hall, Göppingen, I. August Möhringen (Stuttgart Amt), Schorndorf, 3. Welzheim, 5., 6., 7. und 5. in Stutt­gart-Stadt, 6. in Gmünd.

Mit einer Beilage.

Redaktion, Truck Verlag von Jak. Meeh in Reuenbürg.