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Ausland.
Zur Oricntkrisis.
Kaiser Wilhelm hat, dem Gebot der politische» Lage sich unterwerfend, de» Antritt seiner sommerlichen Erholung-« ist auf „unbestimmte Zeit" hinaus verschoben; den» Eintreffen des Fürsten Bismarck in Berlin wird i» den nächsten Tagen enl- gegengesehen; auch Gras A ndrassy wird von Wiener, Graf Schuwalosf non Londoner Blättern bereits in Berlin angemelvel,— der europäische Eongreß Ut aus denr Stadium des Projekts in die Phase der Wirklichkeit getreten, wenn auch die formelle Einladungen Deutschlands noch nicht abgegangen sind.
Wenn die Diplomaten am ll.Juui in Berlin zusammenlrelen, werde» sie, wie inan glaubt, die Hauptfragen erledigt vor- finden.
Was über den Eindruck verlautet, welche» die Mittheilungen des Grafen Echuwaloss bei dem Fürsten Bismarck hinterlassen haben, ist, wie es scheint, zufriedenstellend. Ein anderer Umstand mag als friedliches Syniplom erscheine»: die Ueberzeugung, dass das Cabinet Beacous- sield den aufrichtigen Wunsch hegt, zu einer Verständigung zu gelangen. Ist dem so, so dürfen die ungeheuren mit Beschleunigung getroffenen militärischen Vorbe reiiungeil Rußlands zu Lande und zu Wasser nicht geringen Antheil an diesem Meinungs- umschwung des englischen Premier haben.
Was die Beorderung in d isch er Truppen zum Kriegsdienst in Europa betrifft, so stellt die „Opinione", das Organ der gemäßigten Partei in Italien, besorgte Betrachtungen an über die Reuerung, welche die ernsteste Aufmerksamkeit der Conlinen lalmächte verlange. Sie sagt, daß der Suezcanal jetzt von Lord Beaconsfield zu einem Zwecke gebraucht werde, der von seinen Beförderern gewiß nie vorgesehen und von hervorragenden Mitgli-dern seiner Partei, wie Lord Derby, mißbilligt worden sei. Die asiatischen Krankheiten, welche diese Truppen etwa eiuschleppen «wgen, seien die geringste der Gefahren, ivelche man von ihrem Eindringen in Europa zu befürchten habe.
Miszelle».
Immer zu spät.
Humoreske von E. Heinrichs.
(Fortsetzung.)
„Wenn niaitts nur recht ersaßt und lenkt, wie Stradella sagt oder vielmehr singl," lächelte die Dame, „jawohl. Sie haben Recht, obgleich diese Versänmoiß mir bittere Früchte 1ra,.en kann, was bei Jh ne», da Sie Vergnügnngs Tourist zu sei,, scheine», nicht der Fall ist. — Doch, was hilst's, man muß sich in Geduld fassen."
„So ist's mein Fräulein", erwiderte Adalbert fröhlich „ich versäume nichts in Heidelberg, sonder» habe durch dieses „Zu spä," nur gewonnen."
Als sie ihn vern undert anschaul e, fuhr er erröthcnd und etwas verwirrt fort: „Durch Ihre Bekanuischaft, mein Fräulein! — bitte, darf ich Ihnen meine Karle überreiche i- ?
, Dw Dame nahm sie zögernd und jetzt I ebenfalls erröthend, dann verneigte sie sich anmuthig und sa te:
„Ich besitze keine Karte, H.rr Senator, und muß mich Ihnen schon selber vorstel- len: Margarethe Waldner, ihres Zeichens eine Waise."
Ei» schwermuthvolles Lächeln umspielte dabei den hübschen Mund, welchen zwei Reihen tadelloser Zähne zierten.
„Ei, Sie sind doch nicht mit dem Doc tor ber Theologie gleichen Namens in Hei d-lberg verwandt, mein Fräulein? fragte Adalbert überrascht.
„Er ist mein Onkel," versetzte sie verwunde«, „kennen Sie ihn?"
„Ich selber leiser nicht — mein Freund, der Bürgermeister Kleinpaul, von welche», ich durch meine Vergeßlichkeit vorhin ge trennt wurde, ist sei» Universilätssreund und wird ih» in der nächsten Stnnve schon mit einem Besuche überrasch n."
„Weiß mein Onkel, daß dieier Freund ihn besuchen will?" iragte Margarethe Waldner nachdenklich.
Keine Silbe weiß er davon, sie haben sich in dreißig Jahren nicht gesehen," versetzte Adalbert eitrig; „wahrhaftig! mein Fräulein, der Zufall spielt wunderbar auf dieser Reise. Zuerst müffer wir die Schwester des Doctors, also ihre Frau Tante, auf dem Rhein treffen —"
„Meine Tante, die Rrchnnngsrälhin Gelbsuß?" unterbrach ihn Margarethe mehr ängstlich als erstaunt.
„Gewiß, die Frau Geheime Rechnungs- räthin Gelbsuß nebst ihrem Gemahl, die wir per Zufall kennen lernten. Sie bildete» auf bem ganzen Wege bis hierher unsere Reisegesellschaft —"
„Und hier, mein Herr, wo blieb meine Tante?" unterbrach Margarethe ihn auf's Neue, und wie es schien, noch ängstlicher.
„Von hier reisten Sie mit meinem Freunde und seiner Gemahlin direct nach Heidelberg. Die gute Dame hat mir viel von ihren sechs heiralhsfähigen Töchter» erzählt, gottlob, daß Sie nicht dazu gehören, mein Fräulein!"
„Warum? fragie Margarethe zerstreut, indem sie in den Wartesulvn eintrat und seufzend ihre Reise-Effecten ans einen Tisch legte.
„Sie sind betrübt, liebes Fräulein," sprach Adalbert in seiner gutmülhig herzlichen Weise, „haben meine Worte Ihne» wehe gethan?"
„O nein, nein, wie sollten sie das, Herr Senalor," versetzte sie hastig; „ich bin zuweilen »och ein rechtes Kind, das an schlimme Ahnungen glaubt; übrigens," setzte sie mll einem fast schalthattrn Lächeln hinzu, „hätte ich auch wohl öilers Ursache zu solchem F.ualismus — den», passt« in un serm Hause irgend ein Unglück, ich trage die Schuld."
„Adalbert schaute sie mit einem seltsamen Gefühl an und schwieg eine Weile, rann sagte er plötzlich: „Sie find eine Waise, Fräulein Waldner, die Eltern sind Ihnen beide gestorben?"
(Fortsetzung folgt.)
Neuenbürg, 30. Mai. Das Him- melsabrlsfest Halle uns nach dem brutale» Aprilwelter der letzten Woche» ei» Eiu- lenken in bessere Tage versproch-n; so ist Nicht zu verwundern, wenn Volk und Vöik- lein allerorlen sich aujwachten zu Touren in die „schöne Maien,veli". Auch hieher und von hier aus regle sich's in Straßen und Gassen wie Ameisen und zeigte, daß unser liebliches Enzthal nicht vergessen, sondern mit seine» vielen in sich bergende» heimelnden Plätzchen zu angenehmen Sam- mel- und Ruhepunkten ausersehen sei. — U A. hatten 5 Compagnien der Pforz- deimer Feuerwehr unter Musikhegleiluug einen Ausflug in'S grüne Größelthal unternommen, allwohiu die hiesige Schwester zu „sreundiiachbarlichem Willkomm" ihr begegnete. Dort wurden die reichhaltigen Psorzheimer Wasserwerke mit vielem Interesse eingehend besichtigt. Obwohl Walser das richtige Element für Feuerwehren ist. so wurde der eigentliche Tbaleudurst doch mit etwas gehaltreicherem Brnderstoff, der auf dem Platze vor dcinsilbcn, dem grünen Teppich der Natur, iervirt wurde, befriedigt. Der Rückweg wurde, zum Theil unter kühnen Evolutionen über Felsen und Schluchten durch die schattigen Lauben des herrlichen Buchivalds über hier angelreten, allwo die verichiedenen Labeställen sie auf- nahmen; später fand eine Abzweigung in dem nahen Rothenbach ihr Tuskulum.
Während diese Mannen uiiler dem Ehrengeleite der hiesigen Brüder ihren willkommenen Einzug hielten, trat der Lie- derkranz zur Vervollständigung des Bildes seinen diesem Tage seit alten Zeiten vorbehaltenen Ausflug a». „Hinaus in die Ferne" — in die bescheidene Nähe — nach Gruubach, um Wälder, Aue» und Flure» dieser Partie zu schaue» ; am letzten Tag des „schönen Maienmonds", sich mit zu erfreuen, an Gottes freier Natur. Er wurde reichlich belohnt; ein besonders angenehmes Land- chaflsb'td gewährt der Austritt von der Engelsbrand Salmbacher Höhe, gegenüber dem wie ein Phönix neu erstandenen Gruubach, dem hii ausschweifenden Auge; im Orte selbst ries das Thürmlem „Ein Kirchlein steht im Blauen" in Erinnerung. Auch für innere Labung war man unter den schützenden Ftttigen des Reichs: Adler und Krone, geborgen und der Kunstkritiker Re- leaux hätte hier „billig und gut" vereinigt sehe» können. Aumulhig war die Strecke nach Unterreichenbach und erinnerte diese Umgegend an „Wie heilig dieses tiefe Schweigen, mit dem Glockenzeichen". Daselbst im „Hirschen", nicht bet dem aus schwindliger Höbe, nein in des Thales Tiefen, kurze Rast, dann heim unter Vorspann des Dampfrosses.
Die Touren der beiden Gesellschaften sind zu den gelungenen zu zählen, einige der Sänger waren so befriedigt, daß sie aus der Heimfahrt noch mit der Nachtigall um die Wette sangen. — Auch sonst waren sehr viele Besucher in hier und Umgebung zu sehen, besonders von Pforzheim, wir rufen ihnen freundlichst nach: VrVNt, 86YN6N8!'
Redaktion, Druck Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.