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Calw, 8. April. Der Gärtnerlehrling j als vom reichlichen Einnehmen abhängt.
Degenhardt, der hier ein Wohnhaus und eine Scheuer in Brand gesteckt batte, wurde von dem Schwurgericht in Tübingen zu vier Jahren Zuchthaus verurtheilt.
Am 11. Avril wurde die Murrthalbahn dem öffentlichen Verkehr übergeben. Ausland.
Zur Orientkrisis.
Fürst Gortschakosf hat auf das Rundschreiben Saiisbury's geantwortet. Es läßt sich nicht verkennen, daß die Ant wort des russischen Reichekanzlers bei aller Entschiedenheit eine starke Neigung zum Einlenken, zum Nachgeben verrälh. Ganz besonderes Gewicht legen wir auf den Schlußpassus: „Rußland wünsche zu erfahren, w i e Salisbury die Verträge sowie das Recht Englands und der Mächte mit der Besserung der Wohlfahrt in jenen Ländern in Einklang zu bringen gedenke. Ebenso wünsche Rußland zu erfahren, w i e Salisbury ohne den Vertrag von San Stefano und indem es die durch seine Opfer erworbenen Rechte Rußlands berücksichtige, das gewünschte Ziel zu erreichen hoffe. Die Depesche Saiisbury's gebe keine Antwort auf diese Fragen." Indem Gortschakoff betont, daß englischerseits die Vorschläge über das „Wie" der Verständigung bisher nicht gemacht worden seien, gibt er indirekt seine Zustimmung zu deren Annahme, wenigstens zu deren Diskussion.
Die russische Note hat im Allgemeinen nur einen günstigen Eindruck Hervorrufen können und angenehm zu der Rede des Lords Beaconsfield kontrastirt. Dieser Eindruck spiegelt sich auch in den Urtheilen der englischen Presse selbst. Times meint, es sei sonnenklar, daß Rußland eine friedliche Lösung wünsche und zu ehrlicher Erörterung der durch den Frieden-Vertrag aufgeworfenen Fragen bereit sei. Denselben Eindruck hat die Gortfchakoff'sche Note in Berlin gemacht, sie wird als ein entschiedenes Zeugniß angesehen, daß es Rußlands Wunsch ist, zu einer Verständigung mit England und den anderen Mächten zu geiaugen. Die Verantwortung für das Weitere ist dem Londoner Kadinet zugewälzt. Es ist in der That nicht mehr als billig, als daß Lord Salisbury nunmehr auch einen positiven Beitrag zur Lösung der Fragen leiste, und auch die Erwartung ist keine unberechtigte, daß er bei seinen Vorschlägen nicht nur die eigenen Wünsche zu Rathe ziehe, sondern auch das durch schwere Opfer erworbene Recht Rußlands und die Thatsache, daß die osmanische Herrschaft in Europa vernichtet ist.
Miszellen.
Erwerb und Verbrauch.
(Schluß.)
Benjamin Franklin, der große Volks- mann, dem wir fo viele goldene Lehren verdanken, hat in seiner Schrift unter dem Titel: „Der arme, alte Richard oder Mittel, reich zu werden" in musterhafter Weise denjenigen Güterverbrauch, der die Einnahmen übersteigt, charakterisirt und gezeigt, daß, das Mittel reich zu werden, ebenso sehr vom vernünftigen Ausgebe»,
Er läßt einen alten Vater Abraham bei einer öffentlichen Versteigerung von aller Hand Kaufmannsgut und Galanteriewaaren ouftreten und vor dem Ankauf von billigen Maaren warnen. Er läßt ihn u. A. sagen Ihr nennt diese zu versteigernden Dinge Güter; aber wenn Ihr nicht auf Eurer Hut seid, so werden sie für Einige unter Euch zu Nebeln werden. Ihr denkt, sie werden wohlfeil, vielleicht weit unter ihrem Werth Weggehen; allein, wenn Ihr sie nicht unentbehrlich braucht, so werdet Ihr sie auf jeden Fall zu theuer bezahlen. Denkt an das, was der arme Richard sagt: Kauie nur, was Du nicht nöthig hast, so wirst Du bald das Nöthige v e r kaufen müssen. Viele haben sich blos durch ihr wohlfeiles Einkäufen zu Grunde ge richtet. Bedenke Dich immer ein wenig, che Du einen guten Handel eingehst. Der Vortheil desselben ist oft blos scheinbar; der Kauf kann, indem er Dich von Deinem Gewerbe abzieht. Dir im Grunde unendlich mehr Schaden als Gewinn bringen.
Mancher hatte ein artiges Vermögen geerbt, er vergaß aber, wie er dazu gekommen war und dachte: nun ist es Helle und wird nicht mehr dunkel. Eine so geringe Ausgabe von einem Vermögen, wie das meinige, kommt nicht in Betracht; aber wie der arme Richard sagt: wenn mau immer aus den, Mehlfasse nimmt und Nichts wieder hineiufülll, kommt man bald auf den Boden. — Der kindische Geschmack am Putzmerk ist eine gefährliche Thorhell. Ehe Du eine Grille befriedigst, sieh nach Deinem Beutel; Eitelkeit ist eine ebenso zudringliche Bettlerin, als Armulh und noch viel unverschämter. Hast du ein schönes Stück gekauft, so mußt Du noch zehn dazu kaufen, damit die ganze Aus- staffiruiig zusammenpaßl; denn, wie der arme Richard sagt: es ist leichter, dem ersten Gelüste zu widerstehen, als allen folgenden, und der Arme, der dem Reichen nachäfft, ist ebenso lächerlich, als der Frosch, der sich ausblies, um so groß zu werden, wie der Stier.
„Liebe Freunde und gute Nachbarn!" fährt er fort: „Die Abgabe», über die Ihr jammert, sind allerdings schwer; allein, wenn wir sonst keine, als die an die Obrigkeit zu zahlen hätten, so wollten wir wohl fertig werden. Wir haben aber noch ganz andere, die uns viel schwerer fallen. Unsere Faulheit, zum Beispiel, nimmt uns zweimal mehr ab, als die Obrigkeit, unsere Eitelkeit dreimal und unsere Thorheit viermal mehr. Von diesen Abgaben kann uns kein Landesdepntirier weder ganz, noch halb befreien. . . . Was hilft es, bessere Zeiten zu wünschen und zu hoffen. Aendert Euch nur selbst, -so werden sich die Zeiten auch ändern!" (Soc. C.)
Lin HeheimM.
(Nach dem Amerikanischen von H. B.)
ES, war Etwas vorgefallen; aber was? Niemand konnte es errathen. Rosa Maria mar vom gemeinschaftlichen Mitlagstiiche ausgestanden, sie war hinauf gegangen und hatte sich in ihr Zimm-r eingeschlossen; Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Reu
jwaS aber noch mehr war, sie hatte ihre Schwiegermutter nicht eingelassen, als diese ihr uachgegangen mar, um zu sehen, ob ihr etwa Etwas zuge'toßen sei; mehr noch als dies, als ihr Ehegatte, Adolphus Lobb, selbst leise an ihre Thür klopfte, hieß sie ihn sortgehen. Halte irgend Etwas sie beleidigt, oder hatte sie sich selbst in irgend einer Weile verletzt? Dolly, das Dienstmädchen, behauptete, daß letzteres der Fall lei, den» sie habe gesehen, wie auffallend blaß sie geworden sei; wenn dem aber so war, warum konnte sie es nicht Allen erzählen ? Sie war erst zwei Jahre verheirathet; niemals hatte sie mit ibrem Manne Streitigkeiten gehabt, und stets aus gutem Fuß mir ihrer Schwiegermutter gelebt. Was in aller Welt war der Grund dieser Ge- heimnißlhnerei?
„Sie sitzt gewiß am Fenster," dachte die Schwiegermutter. „Ich glaubte, ich sah Jemanden vorübergeheii. Vielleicht war es ein hübscher junger Mann; vielleicht ein Liebhaber ans früherer Zeit — wer weiß?"
„Sie wird bald wieder hcrunterkommcu, glaube ich", sag e der Ehegatte, mit sichtlichem Unbehagen auf und abgehend. „Sie kann nicht über Etwas böse sein. Ich habe nichts gesagt, wodurch sich Jemand Halle beleidigt fühlen können."
„Nein mein Sohn," sagte die Mutter, „ich habe mir gedacht —"
„Madame, Herr Lobb!" rief Dolly, in das Zimmer stürzend, „Ihre Frau ist fort!" „Fort!" ries Adolphus. „Fort, wohin ?" „Du meinst doch nicht gestorben ?" kreischte die Schwiegermutter.
„Nem, Madame, Gott sei Dank nicht! Verrückt geworden und ausgegangen, Herr — sie lief fort, wie eine Wahnsinnige, bestieg ein Cab, und sagte zu mir: Gieb diesen Brief meinem Manne."
Sie gab Adolphus Lobb einen Brief und stand mit offenem Munde, um den Inhalt desselben anzuhören. Ihre Neugierde wurde befriedigt.
„Mein lieber Mann (so begann der Brief), vergieb mir und frage mich nicht aus. Es hat sich Etwas ereignet, das meine Schritte, so fremdartig sie sein mögen, unvermeidlich macht. Ich war genöthigt, auf ein paar Tage das Haus zu verlassen und die Summe von fünfzig Dollars mit- zunehmeu, welche Du mir, um einen neuen Shawl zu kaufen, gegeben hattest. Ich flehe Dich an, wenn Du mich lieb hast, trage mich nicht aus, weder jetzt noch später. Setze Vertrauen in mich und verzeihe, daß ich ein Gehermniß vor Dir habe. Ich wünschte, ich könnte Dir Alles erzählen, aber es geht nicht.
Deine ewig treue
Rosa Maria."
(Fortsetzung folgt.)
Rußland treibt gegenwärtig, um der britischen Regierung ihre durchaus auf den Frieden gerichtete Gesinnung zu beweisen, ebenfalls B a u m w o l l p o l i l i k, nur mit dem Unterschiede, daß der Engländer die Baumwolle stets im Auge und der Russe, wenigstens soweit es die englischen Einwendungen betrifft, die Baumwolle stets i m Ohre hat. (B. W.)
enbürg.