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gießt alsdann eine Darstellung deS Zwischenfallei Henry-Bertulus und erklärt weiter, indem er DreysuS scharf ansieht: Dai Bordereau ist geschrieben von DreysuS. (Aufregung im Saale.) Den guten Glauben der Diplomaten und Gelehrten, die die Unschuld DreysuS behaupten, wolle er nicht bezweifeln» aber seinerjfesten Urderzeugung nach befänden sie sich in einem Irrtum. DaS Bordereau sei trotz gegenteiliger Behauptung in der Botschaft einer fremden Macht gefunden worden. Wenn der Botschafter dieser fremden Macht gesagt habe, so wichtige Papiere müsse man nicht so herum liegen lassen, so müsse er Zeuge entgegnen, daß er Briefe eines Militär-Attaches in Händen gehabt Hab«, di« für die Ehre einer dritten Person compromittirend gewesen seien. ES waren die Liebesbriefe Schwartz­koppen« und die im Papierkorb gefunden wurden. AuS den Geheimakten citirt ferner Roget den Inhalt «inet von Schwartzkoppen geschriebenen Zettels, welcher lautet: Hanoteaux sagte: Verlangen Sie nur, wir bewilligen Ihnen Alles. Damals habe man im Januar 1895 in der deutschen Botschaft eine Spur gefunden, daß im Hause der Botschaft spionirt werde. Alle Welt, so sagt Roget, wurde verdächtigt, besonders der Sohn des Hausbesorgers, welcher in der Fremden- Legion gedient hatte. Bei der nun folgenden technischen Prüfung des BordereauS sieht Roget den Angeklagten DreysuS fortgesetzt herausfordernd an. Oft macht er ein« kleine Pause, während welcher er DnyfuS mit sarkastischem Lächeln betrachtet. Diese Scenen machten den denkbar peinlichsten Eindruck. AIS Roget nach zwei und einhalbstündigem Vortrage noch nicht ge­endet, vertagt der Präsident Jouaust die Sitzung auf morgen. DreysuS erhebt sich und sagt weinend: Es ist schändlich, daß ich alles stundenlang anhören muß ohne antworten zu können. RogetS Aussage enthäü Anklagen und ich kann Ihnen nicht entgegentreten. Man zerreißt mir Herz und Seele. Präsident Jouaust erwidert, DreysuS werde morgen Gelegenheit haben, zu antworten.

Rennes, 17. August. (Prozeß DreysuS.) Roget erklärt weiter, Picquart müsse er den Vorwurf machen, für die Uebrrwachung Henry« und der Frau Pays, der Geliebten Esterhazys Geld ausgegeben zu haben. Aus allem was Zeuge über Picquart aussagt, ist zu ersehen, daß er e» darauf anlegt, di» Wirkung drS Zeugnisses PicquartS schon von vornherein zu zerstören. Zeug« Roget kommt alsdann auf DreysuS zu sprechen, der eine allzu große Neugierde an den Tag gelegt habe, indem er Einzelheiten über Truppen- Concentrationen sich zu verschaffen sucht« und seine eigenen Arbeiten vernachlässigte. Vom Verteidiger Demange in die Enze getrieben, muß Zeuge Roget jedoch zugeben, daß DreysuS, der unter RogetS Befehl gedient, ein musterhafter Soldat und Offizier gewesen sei. DreysuS standen bei diesen Worten die Thränen in den Augen. UebrigenS machte der Angeklagte heute einen sehr müden und leidvollen Eindruck, lieber das Verschwinden gewisser Schriftstücke befragt, erklärt Zeuge, er glaube, daß auch hier Dupaty de Clam die Hand im Spiele gehabt habe. Was die Blanche und Eperanza-Telegramm« anlange, so sei eS wohl möglich, daß Dupaty dieselben geschrieben habe, be­wiesen sei ,S aber nicht, denn der Telegrophenbeamt« habe Dupaty nicht genau erkannt. Ob Dupaty das berühmte rettende Schriftstück Esterhazys geschrieben habe, wisse er nicht. Esterhazy behaupte es, doch er­wiesen sei e» nicht. Demange fragt» wie erkläre Zeuge daS Eintreten Dupaty für Esterhazy. Roget erwidert, de» Generalstab ist Überzeugt, daß DreysuS Jude ist, folglich war Esterhazy unschuldig, er brauchte also nicht Esterhazys Hilfe, seine Unschuld zu beweisen und sich gegen seine Angaben zu verteidigen. Demange fragte weiter, wa» General Roget von den Schritten denke, welche Esterhazy bei Schwartzkoppen gethan habe, damit dieser erkläre, daß Esterhazy nicht in diese Angelegenheit verwickelt sei. Roget erwidert, von diesen Schritten wüßte er nichts. Demange entgegnet: So, Sie wissen davon nicht«, also hören Sie die Aussage General ChamoinS vor dem obersten Gericht. Demange verliest alsdann dessen Bekundungen und sagt writrr: Der Zeuge Roget weiß aus eigener Wissenschaft über den Fall überhaupt nichts, er hat e« selbst gesagt. Er schöpfte seine ganz« Kenntnis au« dem Lesen von Niederschriften Anderer und aus Gesprächen mit Anderen. DaS hindert ihn aber nicht, drei Stunden über den Fall auSzusagrn. Ich möchte also, nachdem er wieder etwa« von Änderen erfahren kmt, wissen, welchen Eindruck diese urkundlich« Zeugen- SuSsage ChamoinS auf ihn gemacht. Roget erwidert, darauf Hab« er nicht« zu antworten. Demange kommt alsdann auf di« Begegnung Henrys in Basel mit dem Agenten Richard CuerS zurück. Nun wurde Roget unwillig und rief aus: Ich Hab« nicht übe» all diese Ding« Auskunft zu geben. Als de« Präsident dem Verteidiger Demange bedeutete, diese Frag« für nnen spätere» Zettpunkt aufzubewahren erwiderte Demange gereizt: Ich spreche im Namen d«S Ange­klagten, gegen welchen gerade diese» Zeug« ohne Angabe von Positivem di« schwerste» Anschuldi­

gungen erhebt. Zeuge Roget entgegnet Drcyfus sollte selbst auch etwas sagen. Wenn er Zeuge der Spionage angeklagt wäre, wie DnyfuS, dann würde er um Argumente für seine Rechtfertigung nicht ver­legen sein. DreysuS, der nunmehr das Wort erhält, ent­gegnet ruhig. Der Herr Zeuge hat eben nur Argumente ohne Thatsachen gegen mich vorgebracht, ich will vorläufig nur eins hervorheben: Der General behauptet, ich hätte Detailpläne der Confiruction gezeichnet, da- ist ab­solut unrichtig, was ich zeichnete, war ein Construc- tionS-Plan en xros und ich frage, ob dies nicht zu den Obliegenheiten eines GeneralstabS-OssizierS ge­hört. Demange brachte hierauf die Angelegenheit des im Nachrichtendienst verwendeten Lajoux zur Sprache, der eines TageS aus dem Generalstabe die für einen deutschen Agenten bestimmten Nachrichten brachte und sagte, der deutsche Generalstab erhalte Alle-, waS er über das französisch« Heer brauche, von einem Major des französischen Generalstabes ge­liefert. Er wurde wegen Unterschlagung von Geldern bald darauf aus dem Dienst entlassen. Als die Be­wegung zur Erlangung der Wiederaufnahme des Prozesses angefangen, habe man Lajoux nach Bra­silien geschickt. Wie erkläre sich also Zeuge Roget die Anteilnahme der Nachrichten-Abteilung an dem Beamten, der wegen Unterschlagung entlassen wurde? Zeuge Roget sagt ich weiß kein Wort von dieser ganzen Geschichte. Regierungs-Commissar Carrisr« spricht nun im Tone der höchsten Wut: Ich verbiete, daß man hier von solchen Sachen spricht. Diese Ge­schichte geht Roget gar nichts an. Zeuge BertuluS sagt, er habe die Szene mit Henry im Justiz­palast bisher nicht erzählt, weil er gewußt habe, daß er dort nur Feinde besitze. Wenn ich mich geweigert, so sagt der Zeuge, gewisse Sachen auf­zuführen, welche von der Regierung vorgeschrieben werden, so geschah es, weil eL rechtswidrig war. Die Szene mit Henry habe er am selb.» Tage noch zwei Freunden mitgeteilt, welche dieses bezeugen könnten. Henry habe im Jahre 1894 günstige Be­richte über Dr.yfuS zerstö t und sie durch ungünstige ersetzt. Esterhazy hat aus dem ehrgeizigen Henry seine Beute gemacht. Seit Henry in die Hände Esterharys geriet, war er ein verlorener Mann. Wenn man mir sagt, DreysuS sei schuldig, so sage ich, er ist unschuldig. Ich sage dies selbst auf die Gefahr hin, daß man mir nachsagen könnte, ich gehöre zu den DreyfuSfreunden. (DreysuS zeigt sich sehr er­freut über die erste günstige Aussage und lächelt.) Der Zeuge sagt, ich glaube an di« Unschuld infolge der Entscheidung des CaffationShofeS, infolge der Haltung Esterhazys und wegen Mangel an Beweisen. Madam« Henry widerlegt alsdann einige Aussagen BertuluS, worauf dieser entgegnet, er werde einer Frau nicht antworten. Die Frau sagt, sie spreche für ihren gestorbenen Gatten und bestreite di« Szene zwischen BertuluS und Henry. Madame Henry nennt BertuluS einen JudaS. Dieser behält seine uner­schütterliche Ruhe. Die Aussage PicquartS gestaltet sich zu einer Anklage gegen Paty de Clam. Er weist die gegen ihn gerichteten Unterstellungen der bisher vernommenen Generale zurück, widerlegt den General Mercier in seiner Deutung deS Buchstabens D. in dem geheimen Dossier und gibt dann mit dem ge­heimen Kriegsgericht im Jahre 1894 beginnend ein« Darstellung der Entwickelung des ganzen Falles. Picquart sagt, e« sei sein« Ansicht, daß DreysuS wegen ungenügender Beweise im Jahre 1894 hätte freigesprochrn werden müssen. Außer dem Bordereau bestände nicht daS geringste, waS für die Verurteilung de« DreysuS entscheidend war. Picquart sogt, er gäbe geglaubt, das geheime Dossier, da« man so un­gemein geheim gehalten Hab«, hätte gewaltig« Beweis« für die Schuld DreysuS enthalten. Heute sei er anderer Ansicht. Der Zeuge erklärt, wenn dir Not« in dem Bordereau über Madagaskar wichtig gewesen sei, hätte man die Untersuchung gegen Paty de Clam führen müssen, da dieser einzig und allein in diesem Bureau arbeitete. Paty de Clam habe sehr unvor­sichtig gehandelt. Er habe sehr wichtige Dokument« durch Sekretär«, Unteroffizier« und sogar Gemeine abschreiben lasten. Picquart schließt seine heutige Aussage mit einer weit auSgelegten Kritik de« Bor­dereauS und behauptet, die darin erwähnten Sachen seien von geringem militärischem Wert gewesen. Nach der Aussage PicquartS schließt die heutig« Verhandlung.

RenneS, 17. Aug. Der Sicherheits­dienst in den Straßen von Renne«, besonders an allen Brücken, ist erheblich vermehrt. Ueber die Veranlassung dieser Maßnahmen koursieren di« ver­schiedensten Gerüchte. Die einzige Auskunft, welch« auf Befrage» «rterlt wurde, lautet«: ES ist notwendig.

Kapstadt, 15. August. Einertelrgraphischen Meldung au« Lourenqo Marquez zufolg« befanden sich an Bord des deutsche» Dampfers »Reichstag* keine Gewehr«.

Ueber di« Unruhen in Kiautschou berichten di« »Nach», aus Kiautschou* in ihrer nruesten Nummer vom 6. Juli: Der Widerstand ist gebrochen

und überall ist di« Ruhe wieder hergestcllt. Die Ortschaften bitten um Frieden. Dir ganze Gegend ist entwaffnet. Abgesehen von den mehr a!« 60 Ge­schützen und massenhaften G-wehren nebst Munition in Kaum: hat Hauptmann Mauwe sämtliche Dörfer zur Auslieferung der Waffen gezwungen; große Haufen von Waffen aller Art liegen beim Detachement in Kaumi aufgrstapelt. Tie Eisenbahnvorarbeitrn nehmen wieder ihren ungestörten Fortgang. DaS geforderte Entschädigungsgeld ist bezahlt. Der Präfekt und der KreiSmandarin haben sich schriftlich verpflichtet, den Bahnbau zu fördern. Der Mandarin in Kiautschou hat vom Generalgouverneur und der Regierung in Peking die Weisung erhalten, den Bahnbau zu unter­stützen. Wegen des Ankaufs von Land ist ein Ab­kommen mit den Kreismandarinen und den Dörfern geschloffen. Der Gouverneur hat Befehl gegeben, die Truppen aus dem Bezirk Kaumi zurückzuziehen, da ihre Aufgabe erfüllt und betr-ff- des Eisenbahn­baues alles geregelt ist. IS Retter unter Leutnant v. Rettberg sind zur persönlichen Sicherheit der Bau­beamten zurückgelasskN worden. ^

(Eingesendet.)

Dir Anlagen des Georgenäums und Stadtgartens werden bei der gegenwärtigen schönen Witterung erfreulicherweise zahlreich besucht, eS wäre jedoch sehr zu wünschen, wenn die Besucher etwas mehr auf Reinlichkeit sehen und namentlich die Papiere, in welche die Ve per rc. rc. eingewickelt waren, wieder mit nach Hause nehmen oder sonstwo oblegen, die Fetzen aber nicht überall herumstreuen würden. Auch Reste von Litzen, Kleiderabfällen u. s. w. sollten die fleißigen Besucherinnen lieber wieder mit nach Hause nehmen als an den Bänken henmrliegen zu lassen wie in einer unauSgekehrten Nähstube.

Die Frage, ob Kinderwägelchi n mitgenommen werden dürfen ist auch wieder aufgetaucht, dieselbe wird jedoch am Besten dahin beantwortet, daß die Kinderwagen wir seither keinen Zutritt haben. Für solche ist der Brühl, der T-ichelweg und andere Plätze vorhanden.

Calw.

Liegenschaftsverkehr.

ES wurden verkauft:

19. Juni von Heinrich Bozenhardt, Maschinenstricker hier an Georg Friedrich Pfrommer, Schuhmacher­meister hier, Geb. Nr. 244 rl und L 1 ar 25 40 » an der Altburger Straße und P. Nr. 209 4 ar 22 qm allda um 700V ^

5. August von Karoline Wagner ledig, vollj. hier, an

Ulrich Burkhardt, Stricker hier, Geb. Nr. 329

1 a 05 qm in der Metzgergasse, P. Nr. 306 72 qm allda um 2450 ^

7. August von Konrad Müller, Lindenwirt hier an Robert Pflüger, Adlerwirt hier, Geb. Nr. 421

2 s. 61 qm am Hengstetter Gätzle um 12 500 ^

7. August von Konrad Müller, Lindenwirt hier an

die Aktienbrauerei Zahn in Böblingen Geb. Nr. 416 4 s. 55 qm an der Stuttgarterstraße P. Nr. 627 42 a 04 qm Garten hinter Geb. Nro. 416, P. Nr. 463/2 1 a 42 qm Oedung an der Stamm- heimer Steige, Geb. Nr. 421 a und b 5 s. 64 qm Kellerhaus und Hofraum an der Stuttgarterstraße, Geb. Nr. 165 und 162 b, 1 a 61 qm an der Leder­straße, P. Nr. 836/2 10 s. A> qm Wiese und Eissee in der Eiselstett um 51,000

6 . Juli von Michael Harsch, Maurers Witwe hier an

die K. Postverwaltung Geb. Nr. 450 1 a 12 qw am Hengstetter Gäßle um 8000

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9.

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Aug.

11. Aug.

12 . ..

Standesamt tzakr».

Geboren e:

Bertha, Tochter) des Joh. Ereuzberger,

Ernst, Sohn / Sternenwirts hier.

Adolf Carl, Sohn des Karl Grießler, Flaschnermeisters hier.

Rosa Mathilde. Tochter des Gottfried Kurz. Kaufmanns hier. ^ ^ ^ .

Walter Konstantin Richard, Sohn deS Karl Herzog, Kaufmanns hier.

Paul Otto, Sohn des Georg Ri eck, Web- meisterS hier.

Ernst Paul, Sohn des Wilhelm Riepp, Fabrikarbeiters hier.

Emil Erwin, Sohn des Emil Andreatta, Fabrikarbeiters hier.

Gestord e n e:

Johannes Rentschler, Bäckermeister hier, 44 Jahre alt.

Christian Heinrich Binder, Schlosser hier, 73 Jahre alt.

G»tte-dt««As

am IS. nach Trinit., 20. Aug.

Vom Turm: 272. Predigtlicd 389, Wie gut ist rc. ) Uhr: VormittagS-Predigt, Herr Dekan R 00 S. 1 Uhr: Christenlehre mit den Söhnen. 2 Uhr: Bibelstunde m VereinShauS, Herr Staotpfarrer Schmid. Z»v»»er»««s, 24. August, Aeiert»,

9 Uhr: Vormttt.-Predigt. Herr Stadtpfarrer