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Versorgten. —Dieselbe weitblickende Methode haben die Deutschen auf alle andere» Einzelheiten der Marinemrwaliung überlragen. . . Das erst 1870 eröffnete Wilhelmshafen ist jetzt einer der größten und vollständigsten Secbäfen der Welt geworden, und die Deutschen hal'en bezeichnenderweise daran gedacht, ihn nicht nur mit vollständigen Fabrikeinrichtungen, sondern auch mit gutem Trinkwasier zu ver sehen. Kiel wird bald ebenso vollständig sein, wie Wilhelmshafen und Danzig wird stark verbessert. In einem Seekriege jedoch muß Alles von der hinreichenden Anzahl geschulter Seeleute ab- hängen und die Deutschen haben demgemäß - aus ihrer Flotte eine systematische Dienstzeit eingerichtet. Leute aus dem Inland können statt auf dem Lande an Bord vier Jahre dienen. Auch ist die deutsche Industrie so angeregt, daß sie zwecks der Schiffsausrüstung nicht mehr nach England zu schicken braucht, sondern sich daheim versorgen kann. An Bord der Kriegsschiffe wird ausschließlich deutsche Kohle gebraucht und die Deutschen hoffen, mit uns auf fremden Märkten in diesem Artikel wetteifernzu können. Wir glauben zwar nicht, daß Deutschland baldigst die Stellung einer führenden Seemacht erlangen werde, aber es ist unmöglich, nicht die in all diesen Anordnungen erscheinende Thatkraft und Voraussicht zu bewundern; wir wollen uns das nicht nur zur Lehre, sondern zur Warnung dienen lasten.
Vom Krieg.
Die Ru mänen haben nicht nur Rahowa, sondern auch Lom Palanka genommen; die Operations-Basis der Russen wird dadurch breit genug, um nach dem Falle Plewna's ein Vorgehen gegen Sofia zu gestatten, von welchem die Nusten noch 3 Tagmärsche entfernt stehen.
Von der Situation vor Plewna meldet ein Telegramm Mehemed Ali's vom 3. d. M., es finde ein heftiger ununterbrochener Geschützkampf statt. Mehe- med Ali Pascha und Schakir Pascha bemühten sich, die feindlichen Positionen in der Richtung auf Etropol und Ork - hanie wieder zu nehmen. Im russischen Hauptquartier rechnet man mit mathematischer Zuversicht auf den bald bevorstehenden Fall Osman Pascha's. Es ist Tbatiache, daß man schon den Proviant her-eikommen ließ, der für die Gefangenen bestimmt sein soll.
Die Türken haben seit Beginn des Krieges 44,000 Mann allein an Gefangenen verloren, darunter 500-Offiziere, die Nusten zählen bereits 700 erbeutete Geschütze. Wenn man auch eine neue Rs- krurenaushebung veranstaltet und die Armeekorps aus Jemen und Damaskus heran zieht, so dürsten Geschütze und Ausrüstungs- gegennände noch schwerer zu ersetzen sein, unersetzlich aber ist der Verlust an Offizieren und kriegsgeübten Unteroffizieren. Die Niederlage bei Pravez beweist, daß die Türken nicht mehr wie früher schlagen, der sonst so zähe Widerstand wird mürbe.
MisMen.
Klaube und vertrau.
Historische Novelle aus dem Volke.*)^ von Th. Drobisch.
Es war im Jahre 1745, als der betagte Tuchmachermeister Clemen zu Döbeln recht betrübt an seinem Webstuhle saß. Es herrschte Nahrungslosigkeit und Still- j stand im Gewerbe, ein Umstand, der sich immer trüber gestaltete, denn am politischen Horizonte thürmten sich Kriegsgewitter auf, deren Schläge nicht lauge auf sich warten ließen. Rasch und ohne Sanmung drang der König von Preuße», Friedrich der Zweite, in Sachsen ei» und die später erfolgte Schlacht bei K.sselsdorf entschied nur zu bald zum Nachtheil des Sachsen- landes.
Vater Clemen hatte sieben Kinder zu ernähren, obschon das älteste davon, Johann Clemen, tüchtig mit Hand anlegte, denn es mar ein muntrer Burscke. Mit Hellem Kopf und klaren Augen schaute er in die Welt, und wenn nicht die Verhältnisse des Vaters hemmend im Wege gestanden, hätte er sich gern Len Studie» ergeben. Ach, welch ein Glück, wenn er hätte auf die Fürstenschule nach Meißen kommen könne»; so aber stand die Noch im Wege und Johann Clemen mu te sich zum Handwerk bequemen, das sein Vater und Großvater erlernt und betrieben hatten.
Die Muhamedaner sagen: Der Prophet weint täglich zwei Zähren. Eine über diejenigen, welche studiren und dazu aller Mittel entblöst sind. Die zweite Thräne über diejenige», die studiren könnten, es aber nicht thu».
So auch vergoß in seinen ersten Jünglingsjahren unser Johann auch gewiß manche Zähre; doch, das Schicksal hemmte nun einmal seine glühende Neigung, und so hieß es: Marsch fort, zum Handwerk. Dies erlernte er, aber in seinen Freistunde» griff er nach jedem Buche, dessen er habhaft werden konnte. Seine Lieblings- lectüre war — eine Reisebeschreibung. Wenn er da in stiller Bodenkammer von Seefahrern und kühnen Männern las, welche in fremden Ländern mannigfache Abenteuer aus^estande», da vergaß er Esse» und Trinken, sein Herz pochte und es zog ihn hinaus in die Welt.
So hotte er bereits das neunzehnte Jakr erreicht und in Folge seiner kraiti gen Figur das Auge der Werber auf sich gezogen, die im Lande umher gingen, um Rekruten für das Heer zu gewinnen, ja sich solcher mit Gewalt zu bemächtigen. Der Widerwille» gegen den Gamaschendienst war zu jener Zeit auf's höchste gestiegen, man hielt es oidenilich für schimpflich, unter dis Soldaten gesteckt zu werden, so wurde Alles ausgebolen, den Werbern zu entrinnen. Die Ursache lag nahe genug, denn in jene» Tagen wurden unter dem Stvckregimeut die Soldaten nicht selten anders als das Vieh behandelt und beim kleinsten SubordiiiationSiehler mit Strafe» belegt, welche man heulzutage nicht dem
ärgsten Verbrecher zu Theil werden läßt.
Dies und die kümmerliche Existenz bei seinem Handwerk bestimmten unser» Johann, l als Gesell i» die Fremde zu gehe». Er 'machte seinen innigsten Freund und Schulkameraden, Namens Friedemann Richter, mit seinem Plane vertraut. Dieser ebenfalls Tuchmacher und seil Lichtmeß zum Gesellen von der Innung losgesprochen, bezeigte Lust sich ihm anzuschließen. Ja er mußte nach damaliger Sitte auf die Wanderschaft gehen, wenn er später in seiner Geburtsstadt etwas gelten wollte. Man sollte nicht von ihm sagen: daß er hinterm Oien gesessen, er wollte sich Denen zngesellen die später sagen konnten: Ich bade mir auch Wind um die Nase wehen lassen.
Ach! der Friedemann, das Döbeln'sche Stadtkino hätte lieber heute wie morgen seinen Bündel geschnürt, wenn das Herz zu seinem Vorhaben nicht auch ein Wörtchen mit hinemgeredet. Die Liebe, ja, sie war mächtiger als der Jnnungsspruch. Sein Herz mar die Lade, wo seit Jahren ein Geheimniß bewahrt lag, welches nur Friederike kannte; Friederike, die bildhübsche Tochter seines Meisters, mit weicher er ausgewachsen, die er einst heimzuführen sich innig gelobt.
Wie aber seinen Plan verwirklichen, wie heiraihen, niit Nichts in der Hand, denn Richter war ebenfalls arm. Es war ihm nicht an der Wiege gesungen worden, daß er einst sorglos in de» Säckel greife und sich, wenn es ihm beliebe, in ein gemachtes Nest setzen könne. Deshalb mdint er, ist's wohl am besten gethan, ich gehe mit auf die Wanderschaft und suche mein Glück. Lange mird's mich freilich nicht in der Fremde halten, der Gedanke an Friederike, er wird jeden meiner Schritte hemmen.
So hatte Friedemann Richter manche Besorgniß, denn er war von Natur etwas zaghaft, er hatte zu viel Gemüth, zu viel Gutherzigkeit, um der rauhen Welt so recht gewappnet wider alles Ungemach entgegen zu gehen. Sein Freuno Clemen aber wußte ihm wacker Trost einzusprechen, und so wurde denn der Tag festgesetzt, wo beide ihr geliebtes Döbeln verlassen und mulhig in die Welt wandern wollten.
Der Entschluß stand fest, da-Z rothge- weinte Auge Friedenkens war Zeu.ie genug. Am Abend vor der Abreise unternahmen die Liebenden einen Spaziergang aus dem euisanie» Wege um die alle Stadtmauer, Herz an Herz, Lippe an Lippe, geschah der Abschiedsgruß. Beide gelobten sich ewige Liede und Treue.
(Fortsetzung folgt.)
Füufinark - Cigarren. Dem N. T. wirv aus Reutlingen geschrieben: Eine gewiß neue uno seltene Art von Reklame im Cigarrenyandei wenvel ein hiesiger Kaufmann an. Derselbe macht bekannt, daß unter jeder Mille Cigarren ein Stück enthalten sei, in dessen Leib sich ein Fünf- markgoidsiück besinoe. Der Gastgeber zum Goldenen Hahnen war der erste Glückliche, der eine solche Fninmurk Cigarre zu rauchen bekam.
*) Nachdruck verboten.
Mit einer Beilage:
Redaktion, Druck und Vertag von 2 ak. Meeh in Neuenbürg.