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Kronik.
Deutschland.
Der jetzige russisch-türkische Krieg hat auf die deutsche Industrie einen fördernden Einfluß ausgeüvl. Nicht nur haben diejenigen Fabriken, die sich mit der Herstellung von Kriegsmaterial direct befasse», umfassende Aufträge erhalten, sondern auch andere Zweige der heimischen Industrie sind mit Ausführung von Arbeiten bedacht worden.
In neuester Zeit haben besonders auch die Fabrikanten aller Art von Eisenbahnbedarfs Artikeln zahlreiche Ordres zur schleunigen Ablieferung empfangen, da die rus fische Industrie den an sie gestellten Anforderungen ihrer Regierung nicht in vollem Maße hat Nachkommen können.
Karlsruhe den 7. Nov. Die Lebensmittelfrage hat auch hier heut« ihren gerichtlichen Einzug gehalten.
Eine Anzahl Biezger wurde von dem Schöffengericht verurtheilt, jedoch nur zu Geldstrafe wegen Versäschung von Lebensmitteln, nicht wegen Betrugs.
Württemberg,
Vermöge höchster Entschließung Seiner Königlichen Majestät vom l. d.
Mts., wurde dem Stationskommandanten Röger in Neuenbürg die silberne Civil- verdienstmedaille gnädigst verliehen.
Neuenbürg, 8. Nov Heil dem Manne der den grünen Hain Des Vaterlandes sich zur Heimath aus- erwählet.
Heute vor 85 Jahren trat Hr. Stadt- sörster Gauß hier in sein Amt. Den Gemeindekollegien gab dieß Anlaß, demselben „in Anerkennung seiner mit treuem ausdauerndem Pflichteifer, sachkundig und erfolgreich geführten Amtsverwaltung ein Honorar aus der Stadtkaffe abzureichen und ihm diesen Beschluß in einer typo graphisch ausgeführten Urkunde zu überreichen." — In der hiezu anberaumten Sitzung rekap.it ulirt der Hr. Stadtvorstaud mit herzlichen Worten den Akt der Anstel lthgg und bezeugt dem Jubilar, der stets getreu seinem Eide, ohne Nebenrücksichten dem Amte vorgestanden, daß er in die in Folge einer anfgeregten Zeit erkrankten Zustände des ihm anvertrauten Waldes wieder gesunde wirthschaftliche Verhältnisse gebracht habe; die Wald-Exceffe haben ab genommen und der Ordnung Platz gemacht bei den Ausnahmen und der Verwerihung der Nutzhölzer seien die Interessen der Gemeinde auf's Beste gewahrt. Der Wald sei freilich kein Acker oder Feld, dessen Erträge von Jahr zu Jahr eingeheimst werden, erst längeren Perioden sei es Vorbehalten, günstige Erfolge zu schauen und künftigen Generationen deschieden, deren Früchte zu genießen. Aber nicht nur Fach genossen und Eollegcn bezeugen dem Stadt sörst.r jetzt schon die fleißige und sachku» dige Bewirlhschaftung, auch die Höheren Behörde» hätte» dies mehrfach anzuerken neu Anlaß gehabt. Möge, so schließt der Hr. Stadtvorstand, unser Wald vor Unheil jeder Art bewahrt bleiben und unser Ltadt sörster darin noch länger rüstig und gesund j drama"von sich >einer, Werke erfreuen dürfen. — Be-j gengeht
wegt und mit der Versicherung, er werde nach wie vor sich seiner Pflichten bewußt bleiben, dankt der Jubilar.
Auch sonstige Gönner und Freunde latten dieses Tages und des wackern Forstmannes nicht vergessen; seine Jagd- genoffen widmeten ihm eine silberne Dose; Wort und Gruß bezeugten seinem Streben nach eigener Vervollkommnung im Fach, den Resultaten und der Zuverläßigkeit im Dienste allseitig« Anerkennung. — Möge der Jubilar, der schon manch junges Holz gepflanzt, stramm wie seine Äämme und wie ein Eichbaum stark, noch viele Jahresringe in seines „Gau's" Forsten schätzen, wozu die Freunde den Wunsch fügen:
Was wir still gelobt im Wald, wollen's draußen ehrlich halten, ewig bleiben treu die Alien."
Ausland.
Die Krisis in Frankreich ist dicht bis an den entscheidenden Wende Punkt herangedrückt. Nach einem fünfmonatlichen mit allen Mitteln der Gewal geführten Verzweiflungskampf der Männer vom 16. Mai steht das Land heute endlich vor der unverhüllten Alternative: entweder ein b o n a p a r t i st i s ch e s Ministerium oder Rücktritt MacMa h o n's. In ganz Frankreich wird es keinem unbefangenen politischen Beurtheiler bei kommen, die Parole des Clysee, daß ein solches „Ministerium" einen Act der „2 ruhigung" bedeute, anders, denn als Ironie auf die Personen und Thatsachen zu betrachten. Noch scheint diese Combination nicht sicher zu sein. Man hält es für wahrscheinlich, daß das jetzige Cabinet noch vor die Kammer» treten werde, um seine Politik und die Acre seiner Verwaltung zu vertheidigen.
Vom Krieg.
St. Petersburg?. Nov. Amtlich Kuruckdara den 6. d.: Die vereinig ten Kolonnen HeimanS und Tergu kassoffs schlugen am 4. d. nach Sstün digem Kampfe auf der befestigten Stellung von Deveboyumdie Truppen Mukh tars und Ismails. Die Türken flüchte ten voller Unordnung, das Lager sammt Waffen und Vorräthen hinterlassend.
In C o n st a n t i» o p e l sind seit vier Tagen keinerlei Nachrichten vom Kriegs schauplatz in Bulgarien veröffentlicht wor den, was eine Menge beunruhigender Ge rüchte heroorgerufen hat. Allerdings lassen die Meldungen des russischen Haupt quartiers die Lage von Plewna als eine sehr ernste sür die Armee Osman Paschas erscheinen. Es scheint der Cernirungsgürlei enger und fester gezogen. Gleichzeitig aber haben sich auch für Osman Pascha die Aussichten eines Durchbruchs des Corps von Schefket Pascha bedeutend gemindert, indem von Dolni-Dubniak die Russen sich auf der Straße gegen Orkhanie ausgedehnt und ihre betestiglen Positionen nach dieser Seite hin vorgeschoben haben. Offenbar befindet sich jetzt Osman Pascha in einer höchst mißlichen Lage; und nach allem geht hervor, daß das große Kriegs- Plewna seinem Ende entge-
AuSzug aus de«
Vorwort des Hrn. Präsidenten Dr. v.
Steinbeis zu dem Jahresberichte der Handels- und Gewerbekammern in Württemberg für das Jahr 1876.
(Als Schluß von Nr. 13L.)
Eine Frage ist es besonders, welche alle Gemüther bewegt, die Frage: ob Schutzzoll, ob Freihandel? Wenn der Spinner über die Konkurrenz der Elsäßer Spinnereien klagt und Erhöhung der Garnzölle verlangt, wenn gegcntheilig der Weber auf Beseitigung derselben dringt, da sie den in höchst beklagenswerthen Vorfällen sichtbar an den Tag tretenden Ruin der Weberei herbeisühren, dem ja der Ruin der Spinnerei nothwendig folgen müßte, oder wenn auf der einen Seite über die Einfuhr des amerikanischen Leders geklagt und auf der andern Seite jede Zollerhöhung auf Leder als eine Besteuerung aller, namentlich der minder bemittelten Klaffen verworfen wird, so befehden sich hier Ansichten, deren jede ihre plausibel» Gründe für sich iu's Feld zu führen vermag, so lange nicht von einem höheren Standpunkt aus die Solidarität aller Interessen der gesummten Gewerbsthätigkeit in's Auge gefaßt wird. Hier erst wird erkannt, wie jede Begünstigung des Einen auf Kosten des Andern schließlich auch auf den Begünstigten wieder einen schädlichen Rückschlag ausübt und wie ein solides Gedeihen des einzelnen Industriezweiges nur unter Verhältnissen möglich ist, welche zu einer allgemeinen Gütervermehrung führen; es wird des Weitern erkannt, wie zu Erreichung einer höheren Prosperität eine Gütervermehrung nicht nur auf dem Weg« der inneren Produktion, sondern auch auf dem Wege des internationalen Handels nothwendig ist, welcher die heimischen Erzeugnisse gegen auswärtige in nutzbringender Weise austauscht und so die Nation mit allen denjenigen Gegenständen höherer Vollkommenheit versieht, in deren Besitz und Genuß der Neich- lhum faktisch besteht. — Nichts ist irriger, als prinoipicll den Einfuhrhandel bekämpfen zu wollen; ein Gewinn im Einkauf bereichert ebenso wie ein Gewinn im Verkauf, handle es sich dabei um Rohstoffe oder um Fabrikate; sobald er nur wiederum nutzbringend verwendet wird, fördert er die Prosperität des Landes. Das kann jeder a» seinem eigenen Vermögen absehen, besten Höhe sich keineswegs blos aus dem verdienten Gelbe, sondern ebenso aus besten richtiger Verwendung zum Ankauf nützlicher Dinge bestimmt. Wir sehen es vor unseren Augen, wie mannigfach die Einfuhr fremder Jndustrieprodukte für unsere eigene industrielle Thäligkeit selbst milten unter uns erst den Markt geschaffen und dadurch sie nicht nur zur höheren Ausbildung gekracht, sondern auch eine große Anzahl neuer Werkstätten und Geschäfte hervorgerulen hat.
(Schluß folgt.)
Goldkurs der Staatskastcnvrrwaltung
vom 8. November 1877.
' 20 Frankenstücke . . . 16 cM 20 ^
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Mech in Neuenbürg.