^ 87. Amis- uud Anzeigeökail für den Aezirk Kalw. _ 74. Jahrgang.
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ErscheintDienSlügS, Donnerstags und Samstags. Die EtnrückungSgebühr beträgt im Bezirk und in näch>ter Umgebung 9 Psg. die Zeile, weiter -nts-rnt r 2 Pfg.
Dienstag, den 25. Juli 1899.
Vierteljährlicher AbonnementSpreir in der Stadt Mk. l.lO ins Haus gebracht, Mk. >. IL durch die Post bezogen im Bezirk. Außer Bezirk Mk. I. SS.
LagksnenigLeiten.
Calw. Einquartierung. ES ist bekannt, daß während der heurigen Kaisermanöver unsere Stadt und Umgebung militärische Einquartierung erhält. An welchen Tagen dies der Fall sein wird, wie viele Mannschaften u. s. w. hieher kommen, ist nur teilweise bekannt. Angesagt sind bis j-tzt mit voller Verpflegung für den 23. Aug. 6 Offiziere, 119 Mann und 125 Pferde von der I. Eskadron Dra- goner-Reg. Nr. 24, für dm 25. Aug. von der 54. Infanterie-Brigade 43 Offiziere, 1220 Mann und 59 Pferde. Uebsr den weiteren Verlauf der Einquartierungen, welche voraussichtlich von Mitte August bis Mitte September stattfindsn, kann noch nichts Näheres mitgeteilt werden. Es verlautet, daß weitere solche am 7. und 9. Sept. hier erfolgen. Zu diesen aus Anlaß der gewöhnlichen Märsche statifindenden Einquartierungen kommen noch solche aus Anlaß der sog. Kriegsmärsche, welche von der jeweiligen taktischen Lage abhängig und zum Voraus nicht genau zu bestimmen sind. Bei den Einquartierungen aus Anlaß der KciegSmärsche werden die in Betracht kommenden Gemeinden mit ihrer vollen Belegungsfähigkeit herbeigezogen, nebendem daß ein Teil der Truppen biwakiert. Unter allen Umständen darf darauf gerechnet werden, daß die Stadt Calw dieß- mal mit Quartier reichlich in Anspruch genommen wird und daß kein Quartiergeber sich unbedingt darauf verlassen kann, daß er die ihn treffende Einquartierung in einem Mietquartier unterbringen kann. Jeder Wohnungsinhaber wird ins Aug- fassen müssen, daß seine Räume für die Einquartierung in Anspruch genommen werden, sobald dies notwendig ist. Annahme einer gar zu großen Anzahl von Mietquartieren wird wohl nicht geduldet werden. Hieraus dürfte sich für Jedermann die Mahnung ergeben, dafür zu sorgen, daß er die Einquartisrten in der eigenen Wohnung soweit als möglich untsrbringen kann. Die häufigen und umfangreichen Einquartierungen, welche zu erwarten sind, werden wohl die Erwägung nahe legen, bei aller Freundlichkeit und Rücksicht gegen
die Soldaten in der Verpflegung derselben richtiges Maß zu halten, so daß der Aufwand etwas kleiner wird als zu Zeiten wo nach einer langen Reihe von Jahren nur eine kleinere Zahl einquartiert wurde. Der Umfang der Verpflegung sollte in solchen Grenzen gehalten werden, daß für ein Mietquartier pro Mann und Tag keinenfalls über 3 ^ zu bezahlen ist. Als Entschädigung erhält der Quarticrträger einschließlich eines etwaigen Beitrags der Amtsoersammlung 1 25 Selbstverständlich befreit daS Ver-
reistsein von der Quartierlast nicht.
8. Calw, 27. Juli. Am kommenden Mittwoch, 26 Juli, wird auS Anlaß einer Lehrerkonferenz in der hiesigen Kirche vorm. 9 Uhr eine musikalische Aufführung stattfinden, zu deren Besuch Freunde kirchlicher Musik freundlich eingeladen sind. DaS Programm enthält neben 4 Orgelvorträgen 3 Mannerchöre des Lehrergesangvercins unter Leitung von Hrn. Mittelschullehrer Müller, 2 Violin- und 2 Gesangsoli. Etwaige Gaben der Zuhörer werden dem Lehrer-Unterstützungsverein zu- gutkommen.
Calw. Letzten Freitag wurde in der Nähe des unteren Bades in Liedenzell der Leichnam des 37 Jihre alten vsiheirateten Bäckers Georg Adam Schäfer von Beinberg O.A. Neuenbürg auS der Nagold gezogen. Schäfer hat am 22. d. MtS. seinen Wohnort in GeschäftSangclegenhziten verlassen und da er nicht zurückkehrte, wurden von Bürgern BeinbecgS die Waldunzen vergeblich abgesucht. Ob Selbstmord oder Unglücksfall vorliegt, ist nicht bekannt. Schäfer hinterläßt eine Witwe und 4 Kinder.
Calw, 24. Juli. Der „Pforzh. Beob." berichtet unterm 22. ds.: „Eine erschütternde Kunde durcheilte gestern Abend unsere Stadt. Der 31 Jahre alte Melker Jakob Häußermann aus Egliswyl (Schweiz) und die 20 Jahre alte D rnstmagd Luise Linkenheil von Calw, beide bei Landwirt Pleiß in der Holzzartenstraße bedisnstet, haben sich am 20. ds. MtS. abends ohne jeglichen Grund auS dem Hause ihres Dienstherrn entfernt und sind auch in
der Nacht vom 20. auf 21. ds. Mts. nicht zurückgekommen. Gestern Nachmittag wurden die Beiden im Walde gegen Eutingen unterhalb des neuen Wasserwerks aufgefunden. Häußermann hatte zwei Schliffe in der Brust und war tot, die Linkenheil, welche ebenfalls zweimal durch dis Brust geschaffen ist, befindet sich noch am Leben. Nach ihrer Aussage hat Häußermann ihr am 20. dS. MtS. abends schon die beiden Schüsse beigebracht und sich dann selbst erschaffen Schon längere Zeit wurde bemerkt, daß beide zusammen ein Liebesverhältnis hatten." — Zu dem bedauerlichen Falle wird uns mitgeteilt, daß die Annahme, die That wäre in gegenseitigem Einvernehmen erfolgt, wir andere Blätter bereits berichteten, keine Berechtigung haben dürfte. Das Mädchen, das nun inzwischen verstorben ist, war erst 18 Jahre alt. Nachforschungen über das Vorleben des ThäterS, welcher in letzter Zeit mehrmals „verlobt" gewesen sein soll, dürften Licht in das Dunkel bringen. Leider vermochte die Schwerverwundete, welche sich in der Nacht noch etwa 60 Meter weil fortgeschleppt hatte und zur Zeit der Auffindung dem Tode nahe war, keine weiteren Angaben mehr machen.
— Stadtarzt vr. Schwab in Weilverstadt ist als Ortsarzt in Schafhausen von der K. Regierung des Neckarkreises bestätigt worden.
Wildbad, 21. Juli. Reichskanzler Fürst Hohenlohe hat dem Stadtschultheiß Bätzner hier einen Besuch abgestattet. Im Hotel Klumpp ist der bekannte Führer der Reichspartei. Frhr. v. Stumm, abzestiegen, und am 24. d. M. wird der preußische Finanzminister v. Miquel hier erwartet. Die Frequenz des Bades ist Heuer eine außergewöhnlich große und immer noch im Zunehmen begriffen.
Mundelsheim, 19. Juli. Der Stand der hiesige» Weinberg« ist ein sehr befriedigender zu ninnen. Die Befürchtungen zu Beginn der Blütezeit wegen des frostigen Regenwetters sind durch die folgenden sonnenfreundlichen Wochen behoben worden. Die Weinberge erfreuen sich schöner Belaubung, reichlichen Fruchtansatzes und raschen Wachstums der Beeren.
^ 1 1 ^ 6 1 O Nachdruck virboten.
Kerzog Ulrichs Iahuenlräger.
Von G. Maisch.
II. Der 14. Oktober 1519.
(Fortsetzung.)
Die Redenden waren den Gräbern näher gekommen, hielten aber plötzlich inne. Krampfhaft erfaßte Barbara der Freundin Arm, während diese rief: „Siehst du, Barbara, nicht den frommen Bruder, der dort kniet au? deiner Muhme Grab?"
„Ich sehe ihn," versetzte die Jungfrau bebend, „s' ist wohl ein Lollhard:, einer von jenen Sondergläubigen, die's mir den Böhmischen und dm Wildbrüdern halten..."
„Vor denen uns der Pfarrherr immer so ernstlich warnt?" flüsterte Katharina ängstlich.
„Du thörichtes Weib," erwiderte lächelnd ihre Freundin, „hörst du nicht unfern Priester Johannes ähnlich reden wie jene Gottesfreunde? Mein Vater schätzt diese Leute hoch und sagt: „Mag man sie heißen, wie man will, 'S sind echte, fromme Leute," meint er, „die Gottesdienst als heilige Herzenssache achten. Sie haben ihre Lehre in Kopf und Herz, und, sagt er, was die Hauptsache ist, sie thun und wandeln, wie sie lehren!"
„Sieh nur," ries hastig die junge Witwe, „wie jetzt der Fremde sich erhebt; er scheint tief bewegt, jetzt schaut er auf. wirft die Kaputze zurück."
„Erno!" stieß plötzlich ihre Freundin hervor, und mit dem AuSruf: Barbara! eilte der Waiblinger auf das Mädchen zu und schloß sie in die Arme.
Dibold, der wachstehende Landsknecht, war aufmerksam geworden. Die eben sich abspielend« Erkennungsszene war seinen Blicken nicht entgangen.
„Ha, der Erno ist's" rief er in boshafter Freude, „jetzt könnt' ich mich rächen für den Schimpf, den er mir angethan hat. Das wär' ein Fündlein für den Volland, den sie jetzt des Herzogs Kanzler nennen, seit der Lamparter zu den Feinden entwichen ist. Ja, Rache ist süß, äolos vonästta, wie die Welschen sagen, die schwarzen Bursche mit den Feueraugen und den spitzigen Dolchen . . . Ich will hin . . . Doch halt, Dibold, keinen dummen Streich! Denn kämen wir vor den Herzog, den Mann mit den rollenden Augen, dann fragt' er mich: Woher mit Erno so vertraut? Warst etwa mit dabei? Nun mitgegangen, mitgehangen I Und kam' ich vom Regen in die Traufe . . . Doch ein Wink kann nichts schaden! Und 's trifft sich glücklich, da kommt der junge Vogt, dem muß ich's melden."
In der That erschien eben Hans Müller, um sich von der Wachsamkeit des Postens an der Friedhofmauer zu überzeugen.
Der Landsknecht grüßte militärisch, dann redete er den Vorgesetzten also an: „Herr Vogt, soeben ist durch dieses Thor Erno der Waiblinger gegangen; ihr wisset, er ist vogelfrei und soll, wo man ihn betritt, ergriffen und dem Richter überantwortet werden."
HanS Müller suchte die Bestürzung, in die ihn diese Meldung versetzte, vor dem lauernden Blick des unheimlichen Gesellen, den er vor sich hatte, zu verbergen.
„Ist es wirklich," fragte er strengen Tons, „der Waiblinger gewesen?"
„Hab' ihn wohl erkannt," lautete die Antwort, „trotz der Vermummung, in die er sich gesteckt hat."
„Gut," versetzte der Vogt, „du hast nun mit der Sache nichts mehr zu thun, das Weitere werde ich besorgen."
In größter Unruhe eilte er zu WarthS; dort war er ja sicher, den heimgekehrten Freund zu treffen. Und dort fand er ihn wirklich, in trautem Gespräch mit seiner Verlobten und deren Vater.
„Erno," rief er, indem er den langvermißten Freund umarmte, „wie unbesonnen ! Du wagst dich, kaum angekommen, alsbald auf den Friedhof und wirst dort sofort von Dibold dem Landsknecht erkannt."