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erhöhtes Maß von Wissen den Menschen j in seiner Art überhaupt und sohin auch' den Schurken als solchen vollkommen mache» könne, widersprach der Redner der landläufigen Ansicht, daß das gewonnene Wissen in diesem Falle nicht nur die Art einer Schlechtigkeit, sondern diese selbst erzeugt habe. Er bewies vielmehr, daß ohne Fortschreiten der intellektuelle» Bildung der Menschen auch die Entwicklung des Sittengesetzes nicht sorischreiten würde und daß andrerseits bestimmte Grundlagen geradezu verheerender Uustltlichkeit — er wies ans das mittelalterliche Ketzer-Hexenthum, den Sinn für Grausamkeit in den höchsten Ständen rc. hin — nicht anders als durch fortschreitendes Wissen und dessen Verbreitung im Volke stufenweise aus der Welt geschafft werden können. Der Redner unterschied in der Bezeichnung „Sittlichkeit" zweierlei Begriffe und bezeichncte als objektive Sicherheit das jeweilig geltende Sittengesetz, als die subjektive Sicherheit aber jenes Maß seiner Erfüllung, die jeweilig im Volke nachweisbar ist. Jene sei geradezu das Projekt, oder vielmehr die Blüthe der jeweiligen gesammten Kulturentwicklung eines Volkes und steige mit dem Steigen geistiger Errungenschaften; in dem Maße aber, als diese Errungenschaften nicht Eingang fänden beim Volke, scheint dessen subjektive Sittlichkeit nicht blos stehen zu bleiben, sondern gegenüber der stets anspruchsvoller werdenden Moral einer erhöhte» Kultur geradezu rückwärts zu schreiten, weil in der That die Kluft immer größer wird. Sie könne endlich so groß werden, daß sich der Egoismus ihrer be mächtigen und so einen neuerlichen Rückgang anbahneii könne. Gegen diese Gefahr gäbe es nur ein wirksames Mittel — jene Kluft nicht entstehen zu lassen rmd wo sie sich zeigt, sie durch Heranziehung des Volkes zur Theilnahme an den gewonnenen Bildungsschätzen zu verengen, statt zu erweitern. Daß die objektive Sittlichkeit nicht immer dieselbe sei, selbst nicht innerhalb desselben Kirchenwesens, obwohl eigentlich die Kirche jeweilig ihre Grundsätze wie in einer Volksfibel der Moral zusammenzu- fasscn und zu wahren pflegte, zeigt der Redner an dem Christeüthume selbst, das den Begriff der Moral zunächst so unend lich veredelte, indem es die Grenzen zwischen den Menschengrupvcn und Klassen aufhob, aber von dieser Höhe auch wieder herabsank nicht blos zur Einführung neuer Schranken, sondern in mancher Hinsicht noch unter den vorchristlichen Moralbcgriff, Diese Rückbildung fällt zusammen mit dem Rückgänge der Wissenschaft — der Moralbegriff hob sich wieder mit dem Erblühen der Wissenschaft. Wir aber dürfen uns eines so geläuterten Moralbegriffes rühmen, nicht trotz unseres Wissens, sondern in Folge desselben und es ist an uns die Kluft zwischen dem Ideale und der subjektiven Sittlichkeit zu verengen, indem wir das Volk einführen in die Schätze unserer Kultur.
Ein junger vermögender Offizier, welcher in Berlin bei seiner Mutter wohnt, begab sich, wie die „Staatsb. Zeitung" meldet, nach einem Cafe. Mütze und Degen legte
er im Vorzimmer ab und ging dann in das anstoßende Zimmer, wo seine Kameraden Platz genommen. Als er nach Verlauf einiger Stunden wieder nach seiner Behausung zurückkehren wollte, vermißte er eine Mütze und schickte deßhalb einen Aufwärter nach Hause, um eine andere Kopfbedeckung zu holen. Wie erstaunte er, als ihm seine abhanden gekommene Mütze gebracht wurde. Eiligst kehrte er in seine Wohnung zurück und erfuhr hier, daß ein anständig gekleideter Herr seine Mütze abgegeben und dafür den Helm und 25 Thlr. in Empfang genommen habe, indem er der alten Dame vorgeschwindelt, der Herr Lieutenant müsse sofort in Dienstangelegenheiten nach Potsdam reisen.
(Münchhausen junior.) In Mainzer Kreisen, so erzählt der „Anzeiger", kursirt folgendes Jagdstückchen, welches einem jungen Nimrod passirt sein soll. Derselbe folgte der Einladung eines Bekannten und begab sich mit einem Lesaucheux bewaffnet in der Nähe von N. am Main auf die Jagd. Plötzlich sah er einen mächtigen Keiler auf sich zukommen. Er wollte sich schußfertig machen, stolperte aber dabei über eine Baumwurzel und drückte unwillkürlick beiden Schüsse ab. Natürlich dächte er sie seien ins Blaue gegangen, als er aber hinsah, lag nicht nur das Wildschwein todt am Boden, sondern der zweite Schuß hatte einen eben vorbeieilenden Hirsch getroffen, der im Niederstürzsn einen Hasen gespießt hatte. Verwundert wollte er die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, aber er kam nicht dazu, denn im Hinauffahren fing er mit jeder Hand eine Schnepfe. — Eine ältere Anekdote, nach welcher von einem angeschossenen Reh die Haare „zainenvollweise" herumflogen, kommt uns beim Lesen dies in frische Erinnerung.
sSchwarze Rosen.) C. G. Ernest in Stockdon, Californien, ist es, wie die Anglo- American. Korrespondenz meldet, nach vielfachen Versuchen gelungen, Rosen von schwarzer Farbe zu ziehen. Er okulirte einen Ableger einer dunkelrothen Rose auf eine Eiche, und der Tannin enthaltende Säst der Eiche, aus welcher die Rose ihre Nahrung zog; verlieh der Blüthe eine tintenschwarze Farbe. Leider ist es bis jetzt jedock nicht gelungen, Ableger dieser schwarzen Rosen in Gartenerde zu verpflanzen, da dieselben stets nach kurzer Zeit verdorrten.
Erinnerung zum 15./19. Juli 1870.
Der Kampf um deutsche Ehre.
"Wasgau's Höh', Deutschlands Thermopylä!"
Friedrich der Große.
Hört ihr es wieder langgezogen tönen Von Frankreich her das Kriegsgeschrei der
Braven?
Um nichtigen Vorwand wollen sie uns
höhnen,
Im deutschen Lande neue Kaisersklaven Sich schaffen mit der Wüste braunen Söhnen Und mit den Bajonetten der Zuaven.
Im Grunde ist's auch heut'der Waffentänze Uralte Melodie: Der Rhein, die Grenze!
Wir aber kennen eine andr'e Weise,
Die ist vordem dnrch's ganze Land gedrungen;
Das deutsche Volk hat kräftig laut zum
Preise
Des deutschen Stromes jenes Lied gesungen. Sogar die Diplomaten summten leise Die Takte mit. Auch damals war erklungen Die Mähre von den landergier'gcn Naben, Doch Antwort war: Sie sollen ihn nicht haben!
Seid auf der Hut! Es ist die deutsche
Treue
kein leerer Wahn, um Schwärmer zu belügen!
Erklinget jetzt der Schlachtgesang auf's
Neue,
So kann die bloße Abwehr nicht genügen. Wir tragen Schuld und hegen bitt're Neue, Daß Fremde stets noch deutschen Boden
pflügen,
Und Straßburgs Münster wird schon zeitig rufen:
Macht wieder deutsch, was deutsche Hände
schufen!
Was damals ging, als viele lose Fetzen Man noch den deutschen Kalsermantel nannte. Und Keiner wagte selbst ein Schwert zu
wetzen.
Wenn ihm der Franze Haus und Hof verbrannte.
Geht heut' nicht mehr, seit aus Gewohn-
heilsnetzen
Das Volk sich wand und seit es selbst erkannte:
Daß nimmermehr der Sieg dem Kampfe
fehlet.
Wenn ein Gedanke jeden Mann beseelet.
Und der Gedanke wird uns Allen kommen, So weit die Zungen deutsche Worte sprechen! Gewiß wird die Gefahr zum Heile frommen Und uns des Maines Linie durchstechen; Was lang nicht mehr am Himmel uns erglommen.
Wird endlich siegend durch die Wolken
brechen;
Die Sonne wird wie Anno Dreizehn
scheinen,
Und in Begeist'rung Herz mit Herz vereinen.
Zwar einen Kampf auf Siegen oder
Sterben
Wird's mit dem Erbfeind, wenn er nahet,
geben;
Doch mag die Flamme roth den Himmel
färben;
Aus Noth und Tod erstehet neues Leben. Das Vaterland wird frische Kraft erwerben. Wird wie ein Phönix aus der Asche schweben —
Verbrannt der Plunder, alt und fadenscheinig —
Nach außen stark, nach innen frei und
einig.
(Aus „Kriegs-Poesie" 1870/71.)
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg. (Markt- und Thalstr.)