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Kronik.
Deutschland.
Aus der Gegenwart.
Im preußischen Abgeordnetenhause wurde am 7. März nach Erledigung der ersten Berathung des Gesetzentwurfs über die Geschäftssprache der Behörden die erste Lesung des Entwurfes über die Aufsichtsrechte des Staates bei der Vermögensverwaltung in kathol. Diözesen in Angriff genommen, welcher einen der wichtigsten Verhandlungsgegenstände vergegenwärtigen Session bildet. — Betreffs des bayerischen Abgeordneten-Hauses erfährt man, daß die bayerisch-patriotische Mehrheit, nachdem die Regierung erklärt hat, keinen Wahlgesetz- entwurs einbringen zu wollen, nun selbst einen solchen einbringen will, der die Interesse» genannter Partei jedenfalls nicht stiefmütterlich bedenken wird. — Wie vor 14 Tagen der bayerische Ministerpräsident in der Kammer eine der Centralisation des Eisenbahnwesens in den Händen des Reiches feindliche Erklärung abgab, wie ferner vorige Woche die sächsische 2. Kammer die Regierung aufforderte, die sächsischen Bahnen an das Reich unter keinen Umständen abzutreten, so hat jetzt auch der badische Handelsminister einer dieselbe Angelegenheit betreffenden Interpellation eine ziemlich unzweideutig antireichseisenbahnfeindliche Antwort gegeben. Er sagte: Die badische Regierung habe bis jetzt noch keinen Anlaß gehabt, sich darüber zu äußern, die Angelegenheit sei ihr noch in keiner Weise vorgelegt worden; wenn aber diese Frage an die Regierung herantrete, so werde sie dabei vor Allem im Auge behalten, welch' hohen Werth der Besitz und die Verwaltung der Eisenbahnen für das badische Land hat.
Am 5. März haben in Frankreich die 108 Stichwahlen sür die 2. Kammer statt- gesunde», wobei 57 Republikaner, 4 Konstitutionelle, 12 Konservative, 7 Legitimisten und 26 Bonapartisien gewählt wurden. Die Kammer wird sonach bestehen aus: 352 Republikanern, 2l Konstitutionellen, 56 Konservativen, 24 Erzlegitimisten und 76 Bonapartisien. Dazu kommen nun noch die Ergebnisse der 4 Kolonien. Die Republikaner haben also eine sehr anständige Mehrheit erlangt und behalten die Majorität, auch wenn die 30 Ultras ans der äußersten Linken sich an dem gemeinsamen Vorgehen der 3 republikanischen Fraktionen nicht betheiligen sollten. Die sranzös. Kammern traten am 8. März zusammen. An diesem Tage wird wohl endlich auch das neue Kabinet zu Stande gekommen sein.
Berlin, 6. März. Am Freitag den 10. d. M. wird von den kais. Majestäten und den Mitgliedern des Königshauses die Gedenkfeier des hundertjährigen Geburtstages (10. März 1776) der Königin Louise begangen. Von den 7 Kindern der am 19. Juli 1810 verstorbenen Königin leben jetzt noch 3: Kaiser Wilhelm, Prinz Karl und die Großherzogin Mutter von Mecklenburg-Schwerin. — Der Reichskanzler Fürst Bismarck hat von dem in Port- au-Prince ansässigen Kaufmann Louis Jäger einen Ballen des feinsten Haitischen Kaffees ^
zum Geschenk erhalten. Jäger, ein geborener Badener und begeisterter deutscher Patriot, hat sich inmitten der aus Franzosen und Negern bestehenden Bevölkerung ein echt deutsches Herz und lebhaftes Interesse für die Entfaltung des neuen Reiches bewahrt. Er hat durch Vermittluna eines ihm befreundeten Berliner Schriftstellers seine Huldigung dem Reichskanzler anbieten lassen, und Fürst Bismarck hat dieselbe mit freundlichem Danke für den Geber angenommen.
Württemberg.
Unter Bezugnahme auf die Ministerial- verfügung vom 18. Jan. / 5. Febr. d. I. betreffend die Annahme der Banknoten der Reichsbank (Reg.Bl. S. 51) werden sümmt- liche Staatskassenstellen hiemit ermächtigt und angewiesen, bis auf weiteres fortan auch die nach Maßgabe des Bankgesetzes vom 14. März 1875 (Neichsgesetzblatt S. 177) ausgestellten Noten der Württemb. Notenbank in Stuttgart, der Badischen Notenbank in Mannheim, der Bayerischen Notenbank in München, der Frankfurter Bank, der Bank für Süddeutschland in Darmstadt, bei allen den Nominalwerth der Noten erreichenden oder übersteigenden Zahlungen anzunehmen.
Die Preise sür die Besoldungsfrüchte der Kirchen- und Schuldiener im Kalenderjahr 1876 zu deren Bezahlung die Kameral- ämter ermächtigt werden, sind für das Kalenderjahr 1876 folgendermaßen festgesetzt worden:
sür den Centner Kernen 10 -/sL 71 L
„ „ „ Roggen 8 51 „
„ „ „ Gerste 9 „ 39 „
„ „ „ Mischling 8 „ 95 „
„ ,, ,, Haber 7 „ 53 „
Das Regierungsblatt vom 7. März enthält eine Verfügung der Ministerien der Justiz, des Jauern und des Kirchen- und Schulwesens, betr. die Fortführung der Familicnregister, und eine Verfügung des Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens, betr. die an der Akademie Hohenheim zu vergebenden Freistellen.
Stuttgart, 6. März. Im Muster- lager (Abth. der Maschinen) ist eine amerikanische Schreibmaschine ausgestellt. Es nimmt dieselbe einen Raum etwa von der Größe einer gewöhnlichen Nähmaschine ein. Sie wird in Thätigkeit gebracht durch vier Klaviaturen mit II Tasten. Auf jeder Taste ist der Buchstabe, die Zahl, das Zeichen, dem sie dient, angebracht. Die Maschine arbeitet sehr sicher und bildet gegen die in Wien ausgestellt gewesene dänische Schreibmaschine einen wesentlichen Fortschritt.
Stuttgart. Das prachtvolle Gemälde Kleopatra von H. Makart ist mit allerhöchster Genehmigung für die König!. Staatsgallerie angekauft und damit ein Werk von so eminent künstlerischer Bedeutung gewonnen worden, daß unsere Staatskunstsammlung mit Stolz auf diese neue Erwerbung blicken kann.
Das von dem verstorbenen talentvollen Bildhauer Rau modellirte Standbild Schillers soll am 9. Mai in Marbach feierlich ^ enthüllt werden.
Calw, 8. März. Die Crocusblüthe in Zavelstein beginnt sich bereits zu entfalten: je nach Witterung wird es 10—14 Tage dauern, bis sie in voller Pracht zu sehen ist. Bekanntlich sind daselbst mehrere Wiesen, welche während der Crocusblüthe wie ein bunter Teppich erscheinen.
Böblingen, 9. März. In Holzgerlingen gab sich ein junger Mann in Gemeinschaft seines Vaters der Jagdfreude hin und in der Meinung, ein Wild im beweglichen Gebüsche des Waldes vor sich zu haben, feuerte der Sohn sein Gewehr ab und traf damit den eigenen Vater, den der Schuß tödlete.
Neuenbürg, 9. März. „Der Gerechte erbarmt sich seines Viehes." Dies scheint der Fuhrmann nicht zu wissen, der heute von 3 V 2 bis 6V, Uhr Abends, sage drei Stunden seine Pferde in dem strömenden Regen am Marktplatze hat stehen lassen, ohne irgend welche Nahrung und nur sparsam behängen mit schon bei der Ankunft von Wasser triefende» Decken, während er selbst nur wenige Minuten in dickem Mantel dabei sichtbar war. — Solch empörende Roheit gehört der Mißbilligung der Oeffentlichkeit unterstellt, und wenn der Fuhrmann sich diese Rüge zu Herzen (?) nähme, wäre der Zweck dieser Zeilen erreicht.
Miszellen.
Der Apfelblüthenstecher (Kaiwurm).
Unter denjenigen Insekten, welche den Ertrag der Apfelbäume oft in sehr bedeutender Weise beeinträchtigen, nimmt der Apfelblüthenstecher eine besonders hervorragende Stelle ein. Das, was die Landleute den „Brenner" heißen und einem „bösen Thau", der gefallen, zuschrci- ben, ist Wirkung der zerstörenden Thätigkeit dieses Apfelblülheustechers.
Da Jahrgänge mit reicher Apfelblüthe zur Vermehrung dieses Insekts sehr beitragen, so erklärt sich die Erscheinung, daß der Apfelblüthenstecher im Jahr 1875 in größerer Menge auftrat, als im vorangegangenen Jahre 1874. Es folgt daraus, daß auch in diesem Jahre die Apfelbäume, welche fernd keine oder wenig Früchte trugen und deren Holz gut ausgereift ist, von diesem Feinde in heftiger Weise werden angefallen werden. Diese große Wahrscheinlichkeit enthält eine deutliche Aufforderung an die Baumbesitzer, sich mit diesem Feinde näher bekannt zu machen und, je nach Möglichkeit, diejenigen Mittel in Anwendung zu bringen, welche zur Bekämpfung desselben dienlich erscheinen. In Nachstehendem geben wir eine nähere Beschreibung des Thieres, seiner Lebensweise und der darauf sich gründenden Mittel, dasselbe zu vertilgen.
Der Apfelblüthenstecher ist ein etwas über 4 Mm. langes Nüsselkäferchen, von Farbe fleckig braun, mit einer schrägen, vorn und hinten schwarz begrenzten Binde auf jeder Decke, und weißen Schildchen.
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg. (Markt- und Thalstr.)