„Gewiß, gewiß," beeilte sich die fromme Dame zu erwiedern, „ich werde dann allerdings einmal eine Ausnahme von der strengen Klosterregel, welche dergleichen verbietet, machen müssen. Vielleicht könnte die Unterredung in meiner Gegenwart —"
Dann würde sie verabredet erscheinen und keine Wirkung haben. Wenn Ew. Hochehrwürden indessen Bedenken haken sollten, dann werde ich davon abstehen und solches dem Herrn Prätor melden."
„Nein, nein, ich willige ein," versetzte die Oberin, welche des Prätors Macbt zu fürchten schien, „verweilt einen Augenblick."
Sie verschwand.
Günzer befand sich jetzt in einer fieberhaften Unruhe. Wie hatte er diese Minute herbeigesehnt und wie zitterte er doch nun vor dem Anblick der Jungfrau, die er noch immer mit verzehrender Leidenschaft liebte.
Nach wenigen Augenblicken erschien eine tief verschleierte Gestalt im Sprechzimmer und näherte sich schweigend dem Gitter.
Als sie den Stadtschreiber erblickte, machte sie eine Bewegung der Ueberraschung.
„Seid Ihr die Jungfrau Katharina Dietrich?" fragte er leise, indem er sich ebenfalls dem Gitter näherte.
„Ich bin'»", versetzte sie mit lauter Stimme.
„Laßt mich Euer Antlitz nur einen Augenblick ohne Schleier sehen, edle Jungfrau! damit ich fest überzeugt sein kann, daß Ihr des Ammeisters von Straßburg Tochter wirklich seid." c Ohne Zögern schlug sie den Schleier zurück. Entsetzt starrte Günzer in ein todtenblafses Gesicht, das dem Grabe anzugehören schien.
Sie war'», er konnte sich nicht irren, doch nur ein Schattenbild noch, wie hatten wenige Wochen sie so fürchterlich verändern können.
Günzer drückte sein Gesicht dicht ans Gitter und bat sie mit leiser Stimme, noch näher beranzutreten.
Sie hatte sich wieder verschleiert und gehorchte mechanisch.
„Ihr kennt mich doch, edle Jungfrau?" flüsterte er.
„Ihr seid Günzer, der Stadlschreiber von Slraßburg; was wollt Ihr von mir?"
„Euch befreien aus diesem Kloster."
„Weiß mein Vater, wo ich mich befinde ?"
„Nein, edle,Jungfrau, — er kann Euch auch nicht beistehen, selbst wenn ers wollte."
„Sprecht deutlicher, wie stehts daheim? Sendet der Schändliche Euch, dessen Namen ich nie wieder nennen werde?"
„Nein, Katharina, er sendet mich nicht," versetzte Günzer leise, „vernehmet denn Alles. Ulrich Obrecht hat die Vaterstadt dem Könige von Frankreich überliefert — das werdet Ihr vielleicht schon wissen."
„Nein, nein," erwiderte sie kaum hörbar, „woher sollte mir in diesem Gefängnisse solche ungeheure Kunde gekommen sein. Und mein Vater? — sprecht, was ist aus ihm geworden? Barmherziger Gott! ich errathe, er ist todt!"
Sie lehnte sich wankend an das Gitter.
„Nein, edle Jungfrau, er ist nicht todt, der Ammeister lebt, doch ist sein Loos dennoch beklagenswert!), da ihn der König von Frankreich nach Paris gerufen hat, wahrscheinlich auf Obrecht's Antrieb, der mit Gnaden überhäuft worden ist."
„Genug, genug," flüsterte Katharina, „Ihr wollt mich befreien, Günzer?"
„Ja, edle Jungfrau, mit Gottes Hilfe hoffe ich, so Ihr nur wollt, auf ein Gelingen."
„Und ich schwöre, die Eurige zu sein, Günzer, — wenn Ihr mir beistehet, den Vater aus der Gewalt seiner Feinde zu befreien."
Günzer hatte wie betäubt die Verheißung der Jungfrau vernommen, eine wilde Freude durchströmte sein Herz und er fürchtete selber wie Katharina, wahnwitzig zu werden.
„Ich werde ein solches Glück zu verdienen suchen," flüsterte er, die Hand fest aufs wildklopfende Herz pressend, „nur fasset Euch jetzt, edle Jungfrau, auf daß die Aebtissin keinen Verdacht hege. Stellt Euch gefügiger ihren Wünschen, — wir müssen die Stunde benützen, da ich Verralh von Straßburg aus befürchten muß. Noch an diesem Abend muß die Flucht gelingen. Wenn die Mauer des Gartens nicht allzuhoch wäre —"
„Nur von dort aus kann meine Flucht bewerkstelligt werden, sorgt für eine Leiter; am äußersten Ende des Gartens, der in einen spitzen Winkel hinausläuft, erwartet mich dort um sieben Uhr heute Abend."
„Ich werde pünktlich dort sein,"
Günzer trat mit einer ehrfurchtsvollen Verbeugung zurück. Katharine entfernte sich rasch.
In diesem Augenblick erschien die Aebtis- sin wieder im Sprechzimmer.
„Nun," sagte sie, „Ihr habt meine Geduld ein wenig auf die Probe gestellt, die Unterredung währte sehr lange. Wüßte ich nicht, daß ich Euch unbedingtes Vertrauen schenken dürste, so hättet Ihr mich mißtrauisch machen können."
„Das möchte Gott verhüten," erwiderte Günzer mit demüthiger Unterwürfigkeit, „ich habe die Zeit wohl angewendet und der Jungfrau ein solches erschreckliches Bild des Vaterhauses entworfen, daß sie diesen stillen Zufluchtsort für ein wahres Glück halten wird."
„Was es in Wahrheit auch ist," sprach die fromme Dame, „nun, wenn es so ist, wie Ihr sagt, dann will ich Euch segnen und in mein Gebet einschließen."
Sie machte das Zeichen des Kreuzes gegen ihn, worauf er sich rasch entfernte, um alles Nöthige für den Abend aus dem nahen Epinal herbeizuschaffen und sich ein wenig mit dem Winkel des Klostergartens bekannt zu machen.
Katharina war an diesem Tage so gefügig, daß die Oberin wie alle Schwestern ihre große Freude daran hatten und ihr gern die Bitte erlaubten, sich in ihre Zelle einschließen und allein .im Fasten und Gebet mit Gott beschäftigen zu dürfen.
(Fortsetzung folgt.)
(Der Sohn als Lehrer, der Vater als Schüler.) Vor einigen Tagen ereignete sich in einer Berliner Gemeindeschule ein heiterer Vorfall. Schon mehrere Mal hatte ein Schüler der untersten Klasse seine Fibel vergessen. Als ihn der Lehrer in Strafe nehmen will, entschuldigt sich der einer Arbeiterfamilie öngehörige Junge damit, sein Vater habe ihm die Fibel aus der Mappe genommen und vergessen, sie wieder hineinzuthun. „Und was macht denn Dein Vater mit der Fibel?" fragte der Lehrer. „Er lernt sich lesen," antwortete schluchzend der Knabe. „Wenn er nun aber etwas nicht weiß?" fragte schon besänftigt der Lehrer. „Dann fragt er mir," lautete die Antwort des noch immer weinenden A-B-C- Schützen. Der Lehrer war entwaffnet.
Zur Hühnerzucht. Prange hat, wie die „D. Landes-Ztg." berichtet, in einem eigens über die Hühnerologie abgefaßten Buche auf die Unterscheidungszeichen eines guten Leghuhnes von einem schlechten aufmerksam gemacht. Das erste Zeichen liefert der Kamm und der Bart. Je dunkelscharlachrother dieselben zur Zeit, wenn die Hühner Eier legen, sind, um so bessere Eierleger sind die Hühner. Mittelmäßige und schlechte Legerinnen haben mehr blaßroth gefärbte Kämme und Bärte, während ihre Ohrenscheibe schmutzig weiß und gelblich rosaroth ist. Unter das Futter der Hühner eine hinreichende Menge Eierschalen oder Kalk gemengt, bewirkt nicht nur ein begieriges Fressen desselben Seitens der Hühner, sondern die letzteren legen auch zwei bis dreimal soviel Eier als sonst. Eine gut genährte Henne ist im Stande, eine Menge Eier zu liefern, jedoch kann sie dies nicht ohne das nöthige Material zur Schale, wenn ihr Futter auch sonst noch so nahrhaft ist, und muß damit ganz aufhören, wenn sie nur mit kalkfreiem Futter und Wasser ernährt würde. (Ackerb-Ztg.)
Aufbewahrung der Eier. Ein einfaches und wirksames Mittel ist das folgende: Man löse Schellack in so viel Alkohol auf, daß es einen dünnen Firniß gibt. Mit diesem bestreiche man die Eier und lege sie nach dem Trocknen in Kisten mit Häcksel, Abfallgerste oder Sägmehl so ein, daß das spitzigere Ende nach unten kommt und sie sich nicht untereinander berühren können. Vor dem Gebrauche kann man, wenn nöthig, den Firniß durch Abwaschen der Eier in Alkohol resp. in Spiritus entfernen. Dieser Ueberzug, welcher vollkommen luftdicht ist und dadurch die Bedingungen zur Fäulniß aufhebt, hat viele Vorzüge vor anderen z. B. Olivenöl, das nicht nur viel theurer ist, sondern auch das Einpacken der Eier nicht erlaubt, da sonst das.Oel abgerieben wird. Die Nachtheile des Aufbewahrens der Eier in Kalkmilch find genugsam bekannt, aber trotz des abscheulichen Geschmackes, den sie dadurch annehmen, ist diese Methode noch sehr verbreitet. Besser ist jedenfalls das Einlegen in eine Lösung von V« Natron- wasserglas und ^ Wasser. (Ackerbau;.)
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meehin Neuenbürg. (Markt- und Thalstr.)